Wege durch das Labyrinth der Oracle-Lizenzierung

Ein Interview mit Torsten Boch, Senior Product Manager bei Matrix42, zum Lizenzmanagement für Oracle-Software. [...]

Herr Boch, aktuell gibt es selbst für Lizenzmanager wohl kaum etwas Komplizierteres als die Lizenzierung von Oracle Produkten. Woran liegt das?

Die Lizenzierung von Serversoftware ist grundsätzlich komplexer als die von Desktopanwendungen. Hersteller haben hier deutlich mehr Möglichkeiten, Preise zu gestalten, zu differenzieren und zu modularisieren. Und sie nutzen das nach Kräften. Auch Oracle tut das. Es ist also durchaus nicht unüblich. Die spezifische Problematik bei Oracle entsteht im Wesentlichen dadurch, dass auf Grund dieser Regelungen kleine Änderungen in der Konfiguration und im Betrieb der Datenbanken große finanzielle Auswirkungen haben können. Was für den Datenbankadministrator ein „Klacks“ ist – lässt den Lizenzverantwortlichen womöglich blass werden.
Eigentlich ist die Lizenzierung von Oracle Datenbanken sehr „einfach“: Die Anzahl der physischen Prozessorkerne, auf denen eine Oracle Datenbank betrieben wird, ist die Messgröße für die Anzahl der erforderlichen Lizenzen. Alternativ kann die Anzahl der zugreifenden Benutzer und bedienerlosen Geräte herangezogen werden, wobei jedoch gewisse Mindestmengen je Datenbankinstanz anzusetzen sind. Bei Virtualisierung sind Besonderheiten zu beachten – und ab hier wird’s sehr kompliziert.

Inwiefern?

Stellen Sie sich vor, Sie wollen ein Auto mieten. Der Vermieter hat verschiedene Fahrzeugklassen sowie einen endlos langen Preisaushang für die Premiumklasse, bezogen auf genutzte Funktionen (Radio, Navi, Klimaanlage, Kollisionswarner, Fernlicht, ESP, ABS, etc.) und befahrene Straßenqualitäten. Fahren auf der Autobahn ist teurer, als auf einer Bundesstraße. Die wiederum ist kostspieliger als eine Kreisstraße oder gar innerorts. Sie mieten ein Fahrzeug der Kompaktklasse, die günstigste Option, um Geld zu sparen. Wenn Sie am nächsten Tag wieder in die Autovermietung zurückkommen und die Fahrzeugdaten ausgelesen werden, kommt die böse Überraschung. Sie haben während der Fahrt sowohl Radio und Navi benutzt und müssen daher die Premiumklasse bezahlen. Beide Funktionen sind bei der Kompaktklasse nicht zulässig – obwohl sie technisch in der Ausstattung des Kleinwagens vorhanden waren. Außerdem haben Sie eine Autobahn benutzt und deshalb kommt ein höherer Grundpreis für die Premiumklasse zur Anrechnung, als sie zuvor angenommen haben. Eine kostspielige Überraschung, weil sie keine Transparenz über die Konsequenzen hatten. Mit einem System, das ihnen die kostenrelevanten Fahrzeugdaten und deren Auswirkungen während der Fahrt direkt anzeigt, hätten Sie bewusst entscheiden und unnötige Mehrkosten vermeiden können.
Diese Geschichte mag lustig klingen, aber sie ist eine treffende Analogie für die Lizenzierung von Oracle Datenbanken.

Warum ist Oracle Lizenzierung zurzeit in aller Munde?

An der grundlegenden Lizenzierung hat sich bei Oracle in letzter Zeit nicht wirklich etwas geändert. Es gilt weiterhin, dass bei Lizenzierung nach Prozessoren die physische Hardware maßgeblich für die Lizenzhöhe ist. Bei Virtualisierung also der physische Host. Bei Lastverteilung alle Hosts im Cluster. Bei Einsatz der Virtualisierungstechnologie VMware vCenter ab Version 5.1 ist die gesamte vCenter-Umgebung zu lizenzieren – also alle Cluster und physischen Hosts, die darin gemeinsam verwaltet werden.
Neu ist allerdings die Bewegungsfreiheit der neuesten Version VMware vCenter 6.0, die virtuelle Maschinen sogar über vCenter-Grenzen hinweg bewegen kann. Diese Fähigkeit scheint so ausgelegt werden zu müssen, dass eine Oracle-Datenbankinstanz nun sogar für die gesamte VMware-Landschaft eines Unternehmens zu lizenzieren ist. Und diese Erkenntnis hat sehr große Wellen geschlagen.

Welche Risiken drohen Unternehmen durch diese Situation?

Oracle hat bislang auf diese Auslegung weder explizit hingewiesen, noch dazu offiziell Stellung genommen. Es ist daher davon auszugehen, dass die auf vier Seiten sparsam dokumentierte Virtualisierungsrichtlinie (Oracle Virtualization Policy) als ausreichend, weil eindeutig, angesehen wird. Oracle hat offensichtlich ein Trumpf-As auf der Hand und kann es jederzeit ausspielen.
Die DOAG (Deutsche Oracle Anwendergruppe) sieht darin eine Implikation, die für so manches Unternehmen finanzielle Schäden bis hin zur Existenzgefährdung haben könnte. Die Risiken betreffen drohende Nachzahlungen im Falle eines Audits, bei dem eine Unterlizenzierung festgestellt wird. Hier kann es durchaus um beträchtliche Summen gehen. Denn üblicherweise werden nicht nur die fehlenden Lizenzen selbst zum Listenpreis, sondern darüber hinaus auch die entgangenen Wartungsgebühren verrechnet. Diese Kosten addieren sich über mehrere Jahre hinweg zu einem substanziellen Betrag – und dieser ist kurzfristig fällig. Nebenbei bemerkt hätte ein Softwarehersteller in solchen Situationen auch das Recht, bestehende Verträge fristlos zu kündigen. Dieser Umstand dürfte betroffenen Unternehmen langfristig ebenfalls teuer zu stehen kommen.

Wie kann man das Problem lösen?

Mit Basiswerkzeugen, wie zum Beispiel Excel-Listen, ist es aufgrund der Komplexität jedenfalls nicht getan. Ohne effektive Lizenzmanagementprozesse, konsolidiertes Wissen um Lizenzbedingungen sowie ein dediziertes, prozessorientiertes Lizenzmanagement-Tool sind Unternehmen für Software-Audits generell schlecht gerüstet. Das heißt, dass sie jegliches Ergebnis akzeptieren müssen, das ein Softwarehersteller bzw. dessen Audit-Partner ermittelt. Man fährt den Wagen sozusagen wirtschaftlich „ungebremst an die Wand“.
Ein funktionierendes Lizenzmanagement ist ein Risikomanagementsystem. Um im Bild des Automobils zu bleiben: ein „Bordcomputer mit Kostenwarner“. Das gilt auch und vor allem für Oracle Datenbanken. Unternehmen, die eine Oracle-Datenbank im Einsatz haben, sollten auf jeden Fall eine Lösung wählen, die auch ein von Oracle verifiziertes Inventarisierungsmodul umfasst. Damit basieren alle proaktiven Entscheidungen auf denselben Daten, die der Hersteller in einem späteren Audit heranzieht.

Wovon profitiert ein Unternehmen durch die Implementierung eines prozessorientierten Lizenzmanagements?

Wenn man sich vor Augen hält, dass im Rechenzentrum 70 Prozent aller Softwarekosten anfallen, dann ist klar, dass hier nicht nur die größten Risiken, sondern auch die größten Chancen für Einsparungen liegen. Oracle ist hier bei vielen Unternehmen einer der bedeutendsten Faktoren. Insofern profitieren Unternehmen mit professionellem Lizenzmanagement von Einsparungen bis zu 30 Prozent der Softwarekosten. Ein professionelles Tool wandelt das Labyrinth Oracle-Lizenzierung in einen kontrollier- und steuerbaren Bereich – in einen Bereich, in dem die Risiken minimiert und besser abgeschätzt werden können. (pi)

Torsten Boch:
Torsten Boch ist seit 2006 Produktmanager bei Matrix42 im Bereich „Compliance“ mit den Schwerpunkten License, Asset und Contract Management. Davor war er 15 Jahre als Entwickler, Berater und Projektleiter bei verschiedenen Unternehmen für die Gestaltung und den Einsatz von Standardsoftware verantwortlich. Er ist Diplom Betriebswirt mit einer Spezialisierung auf Steuer- und Handelsrecht sowie Bilanzierung und Buchführung.


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