„Wir erarbeiten gemeinsam mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unseren eigenen New Way of Work“

Johann Martin Schachner, CEO von Atos Österreich, schildert im Gespräch mit der COMPUTERWELT, was wir aus dem Jahr 2021 für die Zukunft mitnehmen können, erklärt, wie sich die Corona-Krise und New Work auf uns auswirken und skizziert die wichtigsten IT-Trends für das kommende Jahr. [...]

Johann Martin Schachner, CEO von Atos Österreich: "Der IT-Fachkräftemangel wird sich weiter dramatisch verschärfen, weil Menschen mit digitalen Skills in allen Branchen gebraucht werden. Erschwerend hinzu kommt die Altersstruktur in den Unternehmen. Hier ist es daher wichtig, das Problem proaktiv anzupacken." (c) Pilipp Lipiarski

Welche Lehren lassen sich aus dem Jahr 2021 im Allgemeinen und aus der Corona-Krise im Speziellen für die Zukunft mitnehmen?
In der ersten Phase der Pandemie hat sich alles um die Frage gedreht, wie Unternehmen künftig aufgestellt sein müssen, um resilienter und flexibler mit Krisen und sich ständig ändernden Marktbedingungen umgehen zu können. Nach den Umwälzungen der letzten beiden Jahre sind wir nun an einem Punkt angelangt, an dem wir uns fragen, ob und wofür wir das Büro künftig überhaupt noch brauchen werden. Es geht inzwischen nicht mehr darum, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Möglichkeit zu geben, hin und wieder auch mal Home Office zu machen, sondern – ganz grundlegend – wie sie in Zukunft arbeiten wollen.

Bei Atos haben wir uns bereits lange vor der Pandemie mit dieser Frage befasst, unsere Überlegungen dann aber im Laufe der Pandemie re-evaluiert, weil sich viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern jetzt erst so richtig ihrer tatsächlichen Bedürfnisse bewusst geworden sind. Im Fokus stehen nun Werte wie Diversity, Innovation, Ökologisierung und Dekarbonisierung, ausgewogenes Verhältnis von Freizeit und Beruf sowie eine offene Kommunikation. Nach ebendiesen Werten wählen wir gegenwärtig einen neuen Standort für unser Wiener Headquarter aus, der künftig allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern jene Arbeitsplatz-Umgebung bieten wird, die sie für die verschiedensten Tätigkeiten brauchen.

Wie wird sich die Corona-Krise Ihrer Meinung nach im kommenden Jahr auf die IT-Branche, auf Unternehmen bzw. auf unsere Gesellschaft auswirken?
Auch 2022 werden wir sicher mehr als genug zu tun haben, weil Unternehmen und Organisationen aller Branchen ihre digitale Transformation weiter forcieren. Damit einher geht allerdings auch ein verschärfter Run auf Fachkräfte, der die Branche schon heute unter Druck setzt, sich im kommenden Jahr aber noch verschärfen wird. Grund dafür ist, dass nicht mehr nur IT-Firmen untereinander um die besten Köpfe kämpfen, sondern auf dem Arbeitsmarkt mit Unternehmen aus allen möglichen Wirtschaftszweigen konkurrieren.

Wichtig ist, dass die Unternehmen selbst aktiv werden – wir können es uns nicht leisten, zuzuwarten. Das tun wir bei uns im Haus auch: So bilden wir aktuell rund 30 IT-Lehrlinge aus, beschäftigen Praktikantinnen und Praktikanten sowie Werkstudierende und arbeiten intensiv an einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf – auch um Eltern zu ermöglichen, nach einer Karenz früher in den Beruf zurückzukehren. Ein weiterer Schlüsselpunkt wird sein, wie viel mehr wir als Gesellschaft zukünftig tun werden, um mehr Mädchen und Frauen für einen Beruf in der IT zu motivieren.

„Es geht inzwischen nicht mehr darum, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Möglichkeit zu geben, hin und wieder auch mal Home Office zu machen, sondern – ganz grundlegend – wie sie in Zukunft arbeiten wollen.“

Johann Martin Schachner

Was waren Ihre beruflichen bzw. persönlichen Highlights im Jahr 2021?
Ich bin vor allem stolz darauf, dass wir gemeinsam mit unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unseren eigenen „New Way of Work“ erarbeiten und etwas vollkommen Neues schaffen – ganz nach unseren Wünschen und Vorstellungen. Im Rahmen diverser Workshops können sich alle daran beteiligen. Dieses Maß an Mitarbeiter-Beteilung ist außergewöhnlich und auch überaus spannend. Ich freue mich jeden Tag mehr, zu sehen, was daraus entstehen wird. Damit werden wir in Österreich unter allen Ländern der Atos-Gruppe der erste Standort sein, der ein völlig neues Arbeitsplatzkonzept umsetzt.

Positiv hervorzuheben ist auch, dass wir ein Setup etablieren konnten, das es uns erlaubt, unsere Kunden jederzeit optimal servicieren zu können – unabhängig davon, ob etwa kurzfristig ein neuer Lockdown beschlossen wird oder andere unvorhergesehene Ereignisse eintreten. Unsere Projekte können wie geplant beziehungsweise schnell angepasst umgesetzt werden. Denn auch unsere Kunden sind flexibler geworden und in der Krisenzeit haben sich unsere langjährigen, partnerschaftlichen Beziehungen zu unseren Kunden bewährt. Ihr Vertrauen und ihre positiven Rückmeldungen sind eine enorme Motivation für das gesamte Team.

Welche Themen sollten Ihrer Meinung nach im kommenden Jahr auf der Agenda von IT-Managern ganz oben stehen und warum bzw. welche IT-Themen werden 2022 eine besonders wichtige Rolle spielen?
Das Thema digital Workplace, das – wie wir inzwischen alle wissen – mehr bedeutet als Notebook und VPN-Tunnel, wird uns auch im nächsten Jahr weiterhin beschäftigen. Damit verbunden wird sicher auch das Thema IT-Security eine wichtige Rolle – gerade, weil Menschen nun von allen möglichen Orten aus arbeiten und dennoch auch auf teils sensible Daten zugreifen können müssen. Dies wiederum wird dem Thema Hybrid Cloud einen erneuten Push geben, denn mit der zusehends wachsenden Datenflut müssen Unternehmen Strategien entwickeln und rasch implementieren, die es ihnen erlauben, verschiedene Arten von Daten und Workloads an den jeweils geeigneten Stellen zu verarbeiten und zu sichern.

Auch der Bereich Dekarbonisierung und Nachhaltigkeit wird einen hohen Stellenwert einnehmen – auch für CIOs. Denn dass gerade die IT vieles in diesem Bereich überhaupt erst ermöglicht, steht unbestritten fest. Hinzu kommt, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie Kunden und Partner dies inzwischen erwarten beziehungsweise fordern.

Die letzten beiden Jahre standen im Zeichen der Pandemie und beschleunigten die Digitalisierung und brachten uns Hybrid-Arbeitsmodelle. Nach der Pandemie gilt es die nächste – größere – Krise zu bewältigen, die Klimakrise. Wie schätzen Sie müssen sich Unternehmen in punkto Nachhaltigkeit umstellen? Welche konkreten Maßnahmen planen sie/plant Ihr Unternehmen für 2022 und darüber hinaus?
Zum einen spielt das Thema bei der Auswahl unseres neuen Headquarters eine entscheidende Rolle: So muss das Gebäude etwa über eine Zertifizierung durch die Österreichische Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft (ÖGNI) verfügen. Außerdem muss es verkehrstechnisch so gut gelegen sein, dass wir damit unseren CO2-Ausstoß erheblich senken können. Überdies verfolgen wir unsere bestehenden Initiativen konsequent weiter. Seit 2014 konnten wir In Österreich unseren Energieverbrauch mehr als halbieren. Und über die Hälfte unserer insgesamt 17 österreichischen Standorte werden bereits mit kohlenstofffreiem und erneuerbarem Strom versorgt. Zudem haben wir uns das Ziel gesetzt, unseren gesamten Fahrzeugbestand bis Ende 2024 auf E-Fahrzeuge umzustellen.

Die Atos-Gruppe verfolgt weltweit sehr ambitionierte Ziele im Bereich der Dekarbonisierung. So wollen wir bis 2028 Netto-Null-Emissionen erreichen – damit legen wir uns bindend fest, die eigenen globalen Kohlenstoffemissionen bis 2025 um 50 Prozent zu reduzieren sowie bis 2028 alle Restemissionen zu kompensieren. Besonders freut uns, dass wir kürzlich in den Dow Jones Sustainability Index 2021 World und Europe aufgenommen wurden. Im DJSI Europe Index 2021 nimmt Atos den ersten Platz unter den Unternehmen der Branche „TSV IT Services“ ein.

„Entscheidend ist beim Thema New Work neben einem entsprechenden Mindset auf Führungsebene und einer entsprechenden Unternehmenskultur aber auch, dass der gesetzliche Rahmen stimmt. Hier gibt es noch Luft nach oben, etwa in puncto flexible Arbeitszeiten.“

Johann Martin Schachner

Wie gut ist ihr Unternehmen bzw. wie gut sind österreichische Unternehmen im Allgemeinen für New Work – also verteilte Teams, Home Office, hybride Arbeitsmodelle etc. – aufgestellt?
Wir waren bereits vor der Pandemie gut aufgestellt, um Remote Working und Home Office zu ermöglichen, arbeiten aber kontinuierlich daran, hier noch besser zu werden beziehungsweise uns an wandelnde Anforderungen anzupassen. Allgemein befinden sich die Unternehmen in Österreich im Mittelfeld, die meisten sind auf einem guten Weg. Entscheidend ist neben einem entsprechenden Mindset auf Führungsebene und einer entsprechenden Unternehmenskultur aber auch, dass der gesetzliche Rahmen stimmt. Hier gibt es noch Luft nach oben, etwa in puncto flexible Arbeitszeiten. Dabei sollte mobiles Arbeiten auch als Vorteil für den Wirtschaftsstandort begriffen werden: Mit mehr Mut für Rahmenbedingungen, die echtes flexibles und mobiles Arbeiten ermöglichen, kann etwa auch der ländlich Raum revitalisiert werden, wo dann wiederum mehr Wertschöpfung entsteht.

Glauben Sie, dass sich die angespannte Situation beim Thema IT-Fachkräftemangel in den kommenden Jahren bessern wird? Was kann man in diesem Bereich tun?
Der Mangel wird sich weiter dramatisch verschärfen, weil Menschen mit digitalen Skills in allen Branchen gebraucht werden. Erschwerend hinzu kommt die Altersstruktur in den Unternehmen. Hier ist es daher wichtig, das Problem proaktiv anzupacken. Das tun wir nicht nur, indem wir eigene Fachkräfte aus- und weiterbilden, sondern beispielsweise auch indem wir uns an Initiativen wie „fit4internet“ beteiligen.

Des Weiteren engagieren wir uns kontinuierlich im Bereich Mitarbeiter-Bindung sowie in der Steigerung der Attraktivität als Arbeitgeber – so wurden wir mitten in der Pandemie als „Great Place to Work“ zertifiziert. Dabei antizipieren wir die veränderten Erwartungshaltungen auch neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und haben unser Onboarding entsprechend optimiert: Jede neue Mitarbeiterin und jeder neue Mitarbeiter ist innerhalb weniger Stunden „good-to-go“ und wird im Rahmen eines Mentoring-Programms in seinen ersten Wochen und Monaten begleitet. Zudem bieten wir unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine Reihe an Weiterbildungs- und Zertifizierungsmöglichkeiten.

Aber auch der Staat muss mehr Anstrengungen in diesem Bereich unternehmen und Ausbildungen in MINT-Fächern massiv ausbauen und forcieren. Ebenso wichtig ist, dass ein deutlich unbürokratischerer Zugang zum Arbeitsmarkt von außerhalb der EU ermöglicht wird.

Dieser Artikel ist Teil einer Interviewserie, für den die COMPUTERWELT rund 50 Top-Manager aus der IT-Branche befragt hat. Weitere Interviews lesen Sie in den nächsten Wochen auf itwelt.at.


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