„Wir gehen mit Verse völlig neue Wege“

Gleichzeitig mit der Einführung der Kollaborationslösung Verse präsentiert IBM eine neue Ära seiner Unternehmenskultur: Im Zentrum steht der Design Thinking-Ansatz, der den Kunden in den Mittelpunkt stellt und alle Geschäftseinheiten von Big Blue umfasst. [...]

IBM Verse ist das Ergebnis einer 100 Millionen Dollar-Investition und bringt erstmals führende Cloud-, Analytics- Social- und Security-Funktionen zusammen, um dem Arbeiten mit E-Mail den Weg in die Zukunft zu bahnen. Die COMPUTERWELT sprach mit Scott Souder, Program Director Messaging & Collaboration bei IBM Collaboration Solutions, Karel Vredenburg, Director IBM Design, Markus Danhel, Sales Leader Europe ASL & Cloud bei IBM Social Business & Collaboration Solutions, sowie Harald Gerl, Sales Software bei IBM Österreich.

Wann hat das Verse-Projekt begonnen?
Scott Souder
: Vor 25 Jahren, als wir die Version 1.0 von Notes herausgebracht haben. Damals wie heute geht es darum, wie Menschen effektiv arbeiten und wie sie kollaborieren. Die ersten konkreten Schritte des Verse-Projekts haben wir vor weniger als drei Jahren unternommen.

Verse soll das erste Ergebnis von IBMs Design Thinking-Ansatz sein. Was verbirgt sich dahinter?
Karel Vredenburg
: Unser Design-Programm läuft schon längere Zeit. Wir haben uns in den letzten Jahren darauf konzentriert, entsprechendes Knowhow aufzubauen. Wir haben auch viele Designer eingestellt, derzeit sind es rund 1.000, dieses Jahr sollen 200 hinzukommen. Wir sind gerade dabei, das gesamte Unternehmen in diese Richtung zu verändern.

Welche konkrete Schritte setzen Sie, diesen Ansatz unternehmensweit auszurollen?  
Vredenburg
: Im Zentrum stehen die Design Camps. Wir haben ein Vier-Stunden-Camp für das Top-Management eingerichtet, Ein-Tages-Camps etwa für Produktleiter und Eine-Woche-Camps, wo Designer, Entwickler, Business-Mitarbeiter und Kunden zusammen kommen, um Projekte wie Verse zu diskutieren. 50 Prozent der Zeit sind Vorträgen gewidmet, der Rest mit Hands-on. Früher gab es für die Produktentwicklung fixe Prozesse mit Checklisten. Das funktionierte nur eingeschränkt. Heute kommen Mitarbeiter mit ihren Projekten in die Design Camps und verlassen diese mit einer neuen Art des Denkens.

Was machen Designer besser als die anderen?
Vredenburg
: Unser Ansatz ist nicht der, dass nur die Designer für die Kreativität zuständig sind. Jedes Teammitglied kann etwas Einzigartiges beitragen. Entscheidend ist, dass alle Beteiligten dem Design Thinking-Ansatz folgen. Nur wenn jeder einzelne diesen Geist entwickelt, erhält man ein tiefes Verständnis dafür, für wen man designt.

Wie war das im Fall von Verse?
Vredenburg
: Früher haben wir Umfragen und Marktanalysen gestartet, um die Zielgruppe besser zu verstehen. Das Ergebnis waren eher oberflächliche Informationen. Für Verse wollten wir ganz genau wissen, wie Menschen arbeiten, wodurch Stress entsteht, was ihnen Kopfschmerzen bereitet, wer mit wem zusammenarbeitet. Auf Basis dieses tiefen Verständnisses haben wir die Funktionen von Verse entwickelt. Es sind viele Details, die zusammen einen großen Unterschied in der Gesamtwahrnehmung ausmachen.   

Was verursacht die größten Probleme? E-Mails?
Souder
: Wir adressieren vor allem drei Aspekte: Der eine ist die E-Mail-Flut. Mein Arbeitstag besteht vor allem aus Meetings von morgens bis abends. Ich komme erst am Abend dazu, meine Inbox mit hunderten Mails abzuarbeiten. Der zweite Aspekt ist, dass ich niemanden habe, der mir hilft, die hereinkommenden E-Mails oder Kalendereinträge zu priorisieren. Drittens: Es reicht oft nicht, E-Mails einfach an Kollegen oder Vorgesetzte weiterzuleiten, es fehlt der soziale Aspekt. Dazu kommt, dass ich Dokumente suche, mich aber nicht mehr erinnern kann, ob diese Dokumente in einem Anhang waren oder im E-Mail-Text. Aus diesem Grund haben wir in Verse sehr intelligente und hochperformante Suchtechnologien integriert. Die Lösung hilft, Mails oder Kalendereinträge zu priorisieren und fügt auch den sozialen Aspekt hinzu.     
Markus Danhel: Schwierigkeiten bereitet auch die Situation in Unternehmen, dass drei Generationen unter einem Dach vereint sind: Vor-IT-Mitarbeiter, jene, die mit E-Mail aufgewachsen sind, und jene, für die E-Mail nicht mehr das bevorzugte Kommunikationstool ist. Mit Verse bringen wir all diese Welten zusammen. Wir bedienen alle Arten, egal, welchen Stil man bevorzugt.

Steht da ein Rollenmodell dahinter?
Vredenburg
: Eine Frage, die sich viele Unternehmen stellen müssen: Machen wir getrennte Versionen für unterschiedliche Ansprüche, oder wir erfüllen alle Ansprüche in einer Version, wie wir es bei Verse gemacht haben.  

Welche Go-to-market-Strategie verfolgen Sie?
Souder
: Der Fokus liegt auf Cloud. Wir planen für Ende 2015, Anfang 2016 eine On Premise-Version.

Soll Verse Notes ersetzen?
Souder
: Es gibt nach wie vor eine große Nachfrage nach Notes. Daher werden wir auch weiterhin in Notes investieren. Die Innovations-Budgets gehen jedoch in Richtung Verse. Wird Notes die eine oder andere Funktion von Verse übernehmen? Vielleicht, wir wissen es heute noch nicht. Verse ist ein vollkommen neues Produkt, das mit Notes nicht zu vergleichen ist. Wir gehen mit Verse völlig neue Wege. So verfolgen wir ein für uns neues Business-Modell: Es wird unter anderem eine Freemium-Version geben, die den vollen Funktionsumfang bieten und sich nur etwa beim Speicherangebot von der Bezahlversion unterscheidet. Je mehr Menschen Verse in einem Unternehmen nutzen, desto besser ist die Nutzererfahrung. Auch die Stärken von Watson – etwa die Priorisierung von Informationen – werden vor allem dann ausgespielt, wenn Verse von vielen verwendet wird. Ich bin aber überzeugt, dass Verse auch in der Consumer-Version genügend Mehrwert bietet. Für uns neu ist auch das Marketing: Wir sind bis jetzt nie Kampagnen auf Produktebene gefahren. Bei Verse haben wir sogar Werbung bei den NFL-Playoffs geschalten.

Der Markt an Collaboration-Tools ist sehr umkämpft, auch von Startup-Seite. Was macht Verse einzigartig?
Souder
: Aus meiner Sicht sind es zwei bis drei Aspekte, die Verse einzigartig machen. Einerseits die Erweiterbarkeit. Erweiterungen können von Business Partner kommen oder aus unserem Haus. Zweitens die Integration zahlreicher Technologien, die alle von IBM stammen. Und natürlich Watson. Die Lösung bewegt sich in Richtung Assistenzsystem. Was den Einsatz von Watson betrifft, haben wir haben erst an der Oberfläche gekratzt. Wir schaffen gerade Use Cases, die man noch dieses Jahr sehen wird.
Vredenburg: Die Besonderheit von IBM liegt in unserer Fähigkeit, trotz der Unternehmensgröße intern sehr eng zusammenarbeiten zu können. Dazu kommt, dass die zukunftsweisenden Technologien wie Watson nur einen Anruf oder ein E-Mail entfernt sind. Dank Design Thinking funktioniert die interne Zusammenarbeit sehr gut. Jede Geschäftseinheit hält sich daran. Wir gehen immer vom Kunden aus.

An welche Watson-Use Cases denken Sie da?
Souder:
In einer künftigen Version wird das intelligente System hinter dem Kalender mögliche Terminkonflikte selbstständig lösen, indem es von sich aus einen neuen Termin organisiert. In einem anderen Beispiel analysiert Watson auf Wunsch den Grundton einer E-Mail. Ist der Ton etwa zu aggressiv, schlägt das System Alternativen vor.  

Wird Verse auf allen mobilen Plattformen laufen?   
Souder:
Es wird native Apps für Android und iOS geben. Windows Phone wird gerade diskutiert. Wir sehen ein gewisses Wachstum – das groß genug ist, um die Entwicklung weiterhin zu beobachten, aber nicht groß genug ist, um groß zu investieren.

Das Gespräch führte Wolfgang Franz.


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