„Wir wollten ein Unternehmen schaffen, in dem wir früher selbst gerne gearbeitet hätten.“

Wie gelingt New Work in einer konservativen Branche? Aldina Salihodzic, People & Culture Managerin bei Team23, erklärt im Interview, wie Gehaltstransparenz und Diversität die Steuerberatung nachhaltig verändern – und was andere Kanzleien davon lernen können. [...]

Aldina Salihodzic, People & Culture Managerin bei Team23. (c) Florentina Olareanu
Aldina Salihodzic, People & Culture Managerin bei Team23. (c) Florentina Olareanu

Die Steuerberatung ist traditionell eine Branche, die für starre Hierarchien und konservative Strukturen bekannt ist. Doch während andere Sektoren bereits New Work-Konzepte etablierten, scheint die Digitalisierung hier nur langsam Einzug zu halten. Nicht so bei der Wiener Steuerberatung Team23. Das Unternehmen hat es sich zur Aufgabe gemacht, nicht nur Mandanten zu beraten, sondern auch die eigene Arbeitswelt radikal neu zu denken. Im Interview mit ITWELT.at spricht Aldina Salihodzic, People & Culture Managerin, darüber, wie man verkrustete Hierarchien aufbricht, Gehaltstransparenz schafft und eine Arbeitskultur etabliert, die Flexibilität und Partizipation ins Zentrum rückt.

Traditionell wird die Steuerberatung oft mit starren Strukturen assoziiert. Was waren die initialen Beweggründe und die größten Herausforderungen bei Team23, diese verkrusteten Hierarchien aufzubrechen und New Work-Konzepte zu implementieren?

Der wichtigste Beweggrund war und ist: Wir wollten ein Unternehmen schaffen, in dem wir früher selbst gerne gearbeitet hätten und in dem wir nun als Arbeitgeber selbst gerne arbeiten.

Die Umgestaltung von „Prozessen“ und das Aufbrechen alter „Strukturen“ in einer etablierten Branche sind oft herausfordernd. Welches waren die größten Widerstände oder Schwierigkeiten, auf die Sie und Team23 bei der Einführung von New Work Praktiken gestoßen sind, und wie sind Sie damit umgegangen?

Die Strukturen und Prozesse in der Steuerberatung sind nach wie vor starr – zumindest was die Aufgaben und die Arbeit selbst betrifft. Diese sind nun mal stark gesetzlich vorgegeben. Aber das bedeutet nicht, dass man in der Zusammenarbeit im Team nichts verändern kann. Ganz im Gegenteil: Gerade diese stark strukturierte Arbeit gibt uns einen sicheren Rahmen, innerhalb dessen wir viel Freiheit bei der Gestaltung der Zusammenarbeit haben.

Ein Beispiel: Ein Buchhalter weiß genau, bis wann er was und wie erledigen muss – das ist gesetzlich vorgeschrieben. Seine Arbeit ist also bereits stark strukturiert. Zudem betreut immer nur ein Buchhalter denselben Klienten. Das erlaubt es uns, dieser Person auf der anderen Seite völlige zeitliche und örtliche Freiheit zu geben – es ist dabei irrelevant, wann und wo jemand arbeitet, ob im Büro oder im Homeoffice. 

Wie haben die Mitarbeiter auf die Veränderungen reagiert? Gab es spezielle Maßnahmen zum Change Management?

Bei uns gab es keine klassischen Change-Prozesse – mit Ausnahme des Themas Gehaltstransparenz. Vielmehr waren es natürliche Entwicklungen, weil wir schon immer ähnlich funktioniert haben. Zudem haben wir eine breite Basis an Teammitgliedern, für die wir entweder die ersten Arbeitgeber sind oder die zuvor nicht in einer Kanzlei gearbeitet haben. Viele kennen es also auch gar nicht anders. 

Können Sie uns erläutern, wie Sie dieses Modell in Ihrem Unternehmen umsetzen und welche konkreten Auswirkungen Sie seit der Einführung beobachten konnten – sowohl auf die Mitarbeitermotivation als auch auf die Attraktivität als Arbeitgeber?

Wir haben ein transparentes Gehaltsmodell, das für alle nachvollziehbar ist – und natürlich auch für alle gleichermaßen gilt. Die Gehaltskriterien darin haben wir gemeinsam mit Input aus dem Team festgelegt. Jede Gehaltsstufe ist mit konkreten Anforderungen verknüpft. Das bedeutet: Wir sprechen nicht mehr vorrangig über Gehaltserhöhungen, sondern primär über die Aufgaben. Jeder weiß, welches Gehalt an diese gekoppelt ist. Die einzelnen Gehälter sind vollständig transparent. Das verstehen wir auch Kontrollmechanismus, um sicherzustellen, dass das Modell überall gleich angewendet wird. Die Gehälter sind dadurch um 10 bis 20 Prozent gestiegen – ich gehe davon aus, dass das motivierend wirkt. Was die Arbeitgeberattraktivität betrifft, ist das schwer einzuschätzen. Ich glaube, die Gehaltstransparenz wirkt eher als Filter, als dass sie direkt zu mehr Arbeitgeberattraktivität führt: Es kommen Menschen zu uns, die ähnlich ticken wie wir. 

Welche konkreten Schritte sind notwendig, um Gehaltstransparenz erfolgreich in einem Unternehmen zu etablieren, und welche potenziellen Fallstricke sollten vermieden werden?

Ich möchte ungern pauschale Ratschläge verteilen, aber ich teile gerne, was uns aus meiner Sicht geholfen hat.

  • Im ersten Schritt sollte man die eigene Motivation hinterfragen: Was will ich mit der Gehaltstransparenz überhaupt erreichen? In unserem Fall war das Ziel, möglichst große Fairness und Nachvollziehbarkeit für alle zu schaffen. 
  • Danach ist es essenziell, auf die Ängste und Sorgen der Teammitglieder einzugehen – und dabei zu unterscheiden: Was sind berechtigte Anliegen, und was sind Emotionen?
  • Wichtig ist auch, den Wert eines Menschen im Unternehmen vom Gehalt zu entkoppeln. Gehalt ist eine quantifizierbare Gegenleistung für eine bestimmte Leistung, nicht mehr und nicht weniger. 
  • Außerdem sollten die Teammitglieder stark in den Prozess eingebunden werden. Gleichzeitig darf man sich nicht entmutigen lassen, wenn es im Team auch polarisierende Meinungen gibt.

Sie zeigen, dass New Work auch in einer traditionellen Branche wie der Steuerberatung funktionieren kann. Welche spezifischen Elemente von New Work – abgesehen von Gehaltstransparenz – haben sich bei Team23 als besonders wirkungsvoll erwiesen, und warum glauben Sie, dass gerade konservative Branchen von diesen Ansätzen profitieren können?

Flexibilität und Partizipation sind zwei große Hebel. Alleine mit diesen beiden Aspekten ist schon viel gewonnen, weil sie beide stark auf das Gefühl von Autonomie einzahlen – ein zentrales Element von New-Work-Ansätzen. Ein weiterer Punkt ist echte Möglichkeit zur Weiterentwicklung – und, ganz wichtig: die Anerkennung, wenn Weiterentwicklung tatsächlich passiert. So stärkt man das Kompetenzerleben der Mitarbeitenden, was wiederum ein Kernaspekt von psychologischem Empowerment ist und im Herzen des New-Work-Denkens liegt. Diese drei Punkte sind tief in unserem Denken und Handeln verankert. Jede Branche kann davon profitieren, weil die Aspekte auf grundlegende menschliche Bedürfnisse eingehen – und damit branchenübergreifend gelten. 

Welche Rolle spielt Diversität Ihrer Erfahrung nach bei der Förderung von Innovation und neuen Denkansätzen im Arbeitsalltag? Können Sie uns konkrete Beispiele nennen, wie sich diese Vielfalt positiv auf die Arbeit von Team23 ausgewirkt hat?

Diversität im Denken ist für mich die wichtigste Form von Diversität. Sie kann, muss aber nicht, mit der kulturellen oder geschlechtlichen Diversität korrelieren. Wenn man unsere Website anschaut, könnte man meinen, wir seien super divers. Das stimmt aber so nicht. Für meinen Geschmack sind wir zu homogen: zu jung, zu weiblich, zu viele aus demselben kulturellen Umfeld. Was wir allerdings stark vertreten haben, sind Quereinsteiger – und genau darin liegt der eigentliche Vorteil: die Diversität an Erfahrungen. Das ist es, was traditionelle Branchen dringend brauchen – einen frischen Blick von außen. 

Welche Strategien verfolgen Sie, um ein inklusives Arbeitsumfeld zu schaffen, das die Potenziale eines diversen Teams optimal nutzt?

Wir achten darauf, was die Menschen mitbringen und ob sie sich mit uns und wir uns mit ihnen längerfristig weiterentwickeln können. Das ist alles. Es genügt oft schon, nicht aktiv gegen Diversität zu arbeiten – dann passiert sie meist von selbst.

Wie reagieren Mandanten und die Branche auf Ihr diverses Team?

Wir betreuen diverse Branchen und haben diverse Klienten, von daher ist es nichts Besonderes.

Team23 rekrutiert nicht nur Fachkräfte, sondern auch Quereinsteiger. Welchen spezifischen Mehrwert bringen diese neuen Perspektiven in Ihr Unternehmen, und wie gestalten Sie den Onboarding- und Integrationsprozess, um deren Potenziale bestmöglich zu entfalten?

Quereinsteiger bringen vor allem Diversität im Denken und einen wertvollen Blick von außen mit – das kann für Unternehmen ein enormer Vorteil sein. 

Was Onboarding und Integration betrifft: Wir haben es geschafft, eine Kultur zu etablieren, in der das Teilen von Wissen und gegenseitige Unterstützung keine Nice-to-Haves sind, sondern etwas Selbstverständliches. Das kommunizieren wir auch von Anfang an ganz klar: Alle stehen wir unterstützend zur Seite. Gleichzeitig erwarten wir aber auch, dass du dein Wissen weitergibst, wenn eine neue Person dazukommt. Mittlerweile ist das ein Selbstläufer. 

Welche messbaren Vorteile konnten Sie durch die Einführung von New Work und New Pay erzielen? Gibt es Kennzahlen, die Sie als besonders aussagekräftig erachten?

Wir hatten schon immer einen sehr produktiven Betrieb mit hoher Mitarbeiterzufriedenheit. Was davon konkret auf New Work oder New Pay zurückzuführen ist, lässt sich schwer beurteilen – wie messen das nicht spezifisch. Probleme gibt es natürlich weiterhin, aber ich sage immer: New Work heißt, zeitgemäße Probleme zu haben.

Wie sehen Sie die Zukunft der Steuerberatung – welche Trends und Entwicklungen erwarten Sie in den nächsten Jahren? Beispiel Künstliche Intelligenz.

Die Branche wird sich definitiv wandeln – und zwar in Richtung einer umfassenderen Beratung. Dabei geht es nicht mehr um reine Steuerverwaltung, sondern zunehmend auch um betriebswirtschaftliche Beratung und strategische Steuerplanung. 

Gleichzeitig hat die Branche ein Nachwuchsproblem, das in weiten Teilen hausgemacht ist. Steuerberater haben sich zu lange auf der vermeintlichen Sicherheit, die die Branche mit sich bringt, ausgeruht. 

Welche Ratschläge würden Sie anderen Kanzleien geben, die ähnliche Veränderungen anstoßen möchten?

Erstens: Je mehr Kanzleien solche Impulse setzen, desto stärker wird sich auch das Image der Branche verändern – und davon profitieren am Ende wiederum die einzelnen Kanzleien. Es lohnt sich also doppelt. 

Zweitens: Auch mit einer menschenzentriert geführten Kanzlei lässt sich nach wie vor gutes Geld verdienen – also keine Angst davor! 



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