Im Interview mit der COMPUTERWELT erzählt Johann Martin Schachner, CEO von Atos Österreich, wie er sein Unternehmen durch die Coronakrise steuert und welche Maßnahmen er sich von Seiten der Politik wünscht. [...]
Wie handhabt Ihr Unternehmen die Corona-Krise und welche Maßnahmen werden intern gesetzt?
Die Gesundheit unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die Aufrechterhaltung der Services für unsere Kunden haben absolute Priorität für uns. Als Technologie-Unternehmen fällt es uns freilich sehr leicht, unseren Betrieb weitgehend auf Home- beziehungsweise Remote-Office umzustellen. Das haben unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bereits vor COVID-19 genutzt, weil wir ihnen seit jeher flexible Arbeitszeitmodelle sowie die entsprechende technische Ausstattung zur Verfügung stellen, die Arbeiten „any time, any location, any device“ ermöglicht. Wir evaluieren jeden Fall individuell, um ihnen bestmöglich entgegenzukommen. Durch den regelmäßigen Austausch in virtuellen Meetings wird die Teamarbeit gestärkt, eine gewisse Routine aufrechterhalten und auch der Isolation vorgebeugt.
Es war ein wichtiger Schritt, dass die Österreichische Bundesregierung auf die hohe Anzahl von Menschen, die jetzt von Zuhause arbeiten, reagiert und rückwirkend mit 11.3.2020 eine Erweiterung des Unfallversicherungsschutzes beschlossen hat. Das stellt sicher, dass Unfälle, die sich beim Arbeiten im Home-Office ereignen, als Arbeitsunfälle gelten. Uns ist besonders wichtig – und dafür setzen wir uns ein – dass dieser volle staatliche Unfallversicherungsschutz beim Arbeiten im Home-Office auch noch nach der Corona-Krise bestehen bleibt, um unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein sicheres, mobiles und flexibles Arbeiten zu ermöglichen.
Die Herausforderung in der aktuellen Situation besteht darin, den Fortbestand unseres Geschäfts zu gewährleisten und unseren Kunden uneingeschränkt zur Seite zu stehen, ohne jene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gefährden, die „draußen im Feld“ arbeiten, etwa unsere vielen Technikerinnen und Techniker in unseren Rechenzentren oder bei Kunden, die eine kritische Infrastruktur betreiben. Ihnen wird Schutzausrüstung zur Verfügung gestellt, um sie maximal zu schützen.
Unser Ziel ist es außerdem, alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter während der Krise in einem aufrechten Dienstverhältnis zu behalten. Wir arbeiten intensiv daran, durch ein kluges, zukunftsgerichtetes Krisenmanagement diese Ausnahmesituation auch unter ökomischen Gesichtspunkten zu bewältigen.
Welche Maßnahmen und Aktionen bietet Ihr Unternehmen aufgrund der Corona-Krise seinen Kunden?
Unsere Services fokussieren sich aktuell schwerpunktmäßig auf zwei Bereiche: das rasche und flexible Ermöglichen von Remote- und Home-Working sowie das Aufrechterhalten des Geschäfts unserer Kunden.
Der „Digital Workplace“ ist eines unserer wichtigsten Segmente – das war bereits vor der Krise so. Während das Portfolio weit mehr als nur Büro-Tätigkeiten umfasst und beispielsweise auch Services und Lösungen für Arbeitsplätze in der produzierenden Industrie enthält, steht in der aktuellen Lage das Ermöglichen von Home-Office in möglichst kurzer Zeit im Vordergrund. Aus diesem Grund haben wir sämtliche Lösungen und Services, die speziell für das Arbeiten von zu Hause gebraucht werden, auf unserer Website gebündelt: Hier werden alle Anforderungen adressiert – von Hardware-Ausstattung und Software für Kommunikation und Kollaboration über VPN-Zugänge und virtuelle Desktops, inklusive Multifaktor-Authentifizierung und End-to-End-Verschlüsselung, bis hin zu Online-Trainings und -Beratung zur Nutzung der notwendigen Tools. Hinzu kommt der Anspruch, die Ausstattung von Konferenzräumen in Unternehmen zu optimieren, um auch größere virtuelle Meetings zu ermöglichen.
Zweitens haben wir viele Kunden aus den Bereichen Gesundheit, Telekommunikation, Infrastruktur, Behörden und dem Bankensektor, deren Leistungen für die Bewältigung der COVID-19-Krise in Österreich essenziell sind. Wir sind uns der Bedeutung unserer IT-Services für diese Kunden völlig bewusst. Daher arbeiten unsere Technikerinnen und Techniker – selbstverständlich unter Einhaltung strengster Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen – rund um die Uhr daran, kritische Infrastrukturen zu sichern und störungsfrei zu betreiben.
Darüber hinaus entwickeln und implementieren wir für unsere Kunden auch Lösungen, die sie in dieser schwierigen Phase unterstützen. Dazu gehören etwa das Epidemiemanagement-System der Stadt Wien, das seit vier Wochen bei der Erfassung und Bekämpfung von COVID-19 in Betrieb ist. Zusätzlich bieten wir unseren Kunden sichere Zugangskontrollen mittels anonymisierter Temperaturmessung mit stationären Wärmebildkameras oder Sensoren und auch den Einsatz von Drohnen für die Lieferung von Medikamenten oder Hilfsgütern in abgesperrte beziehungsweise nicht zugängliche Gebiete oder die Überwachung von Grenzregionen und gesperrten Gebieten.
Welche Maßnahmen sollten aus Ihrer Sicht wirtschaftspolitisch gesetzt werden bzw. was wünschen Sie sich von der Politik?
Wir sind der Österreichischen Bundesregierung sehr dankbar für die transparente und sehr besonnene Kommunikation ihres Vorgehens sowie das rasche Setzen notwendiger Maßnahmen – das hilft uns, die Krise zu überstehen und gibt Hoffnung für die Zeit danach.
Wichtig ist es nun, weitere Maßnahmen und Schritte zu setzen – dazu gehören beispielsweise versicherungstechnische Regelungen fürs Home-Office, Richtlinien für die praktische Ausgestaltung von Heimarbeit sowie Sonderregelungen für die Kinderbetreuung.
Langfristig gesehen muss es das Ziel sein, die Bereiche Home-Office, Teleworking und Neues Arbeiten nicht ausschließlich als Kriseninstrumente oder Notlösungen zu nutzen. Zur Förderung von Familien- und Frauenfreundlichkeit in Unternehmen sind daher auch die Anpassung und Ausweitung arbeitsrechtlicher Bestimmungen notwendig, die sich an die individuelle Lebenswelt von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer anpassen – dies gilt auch für Pendlerinnen und Pendler, die sich durch mobile, flexible Arbeitsformen lange Anfahrtswege ersparen. Des Weiteren braucht es eine Vereinfachung von finanziellen Zuschüssen zur Kinderbetreuung, einen Abbau bürokratischer Barrieren sowie zeitgemäße Mustervereinbarungen.
Wie gehen Sie persönlich in Ihrem Unternehmen mit der Krise um?
Meine primäre Aufgabe als CEO ist es, unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Sicherheit und Stabilität zu geben, während sie ihr Bestes geben, unsere Kunden zu unterstützen. Es gilt nun, die Ängste und Sorgen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu adressieren. In Krisenzeiten herrscht ein erhöhter Informationsbedarf, daher ist es wichtig, sie einzubinden und ihnen unser Vorgehen transparent zu kommunizieren, zumal es nahezu täglich Neuerungen gibt, die weitere Fragen aufwerfen.
Zugleich muss auf die Sorgen und Anliegen von Kunden und Partnern reagiert werden. Sei es in Bezug auf die rasche Ausstattung ihres Betriebs mit Services und Lösungen fürs Home-Office oder Fragen hinsichtlich SLAs, der Sicherheit und Verfügbarkeit unseres Rechenzentrums oder der Umsetzung bereits begonnener Projekte.
Um das alles bewältigen zu können, ist es erstens wichtig, bereits im Vorfeld ein Krisenteam zu definieren, das im Ernstfall rasch agieren und Entscheidungen treffen kann. Zweitens ist es wichtig, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu motivieren und ihnen zu vermitteln, dass jede und jeder einzelne dazu beitragen kann, dass wir diese Herausforderung meistern. Schließlich müssen auch strategische Überlegungen und Vorbereitungen für die Zeit danach getroffen werden. COVID-19 hat unser aller Blick auf Digitalisierung und modernes Arbeiten sehr rasch geändert. Wir beschäftigen uns daher noch intensiver mit dem Ausbau unseres Digital-Workplace-Portfolios sowie unseren Lösungen in den Bereichen Cloud und Künstliche Intelligenz.
Be the first to comment