Das Internet hat in den letzten Jahren die Welt im Eilzugstempo erobert und speziell durch mobile Endgeräte die Konsumgewohnheiten in vielen Bereichen völlig verändert. Die rechtlichen Rahmenbedingungen können mit dieser Entwicklung nur schwer Schritt halten. Paradebeispiel hierfür ist die aktuelle Debatte um das Urheberrecht. Wie die von der ISPA in Auftrag gegebene Studie "Legal and practical problems of rights clearance from the perspective of a content provider and alternative models" belegt, erfordert das Anbieten von innovativen Online-Diensten einen langen Atem, sowohl in zeitlicher als auch in finanzieller Hinsicht. [...]
Die Studie analysiert die lizenzrechtlichen Rahmenbedingungen und die Hürden, mit denen ein Content Provider zu kämpfen hat. Als Beispiel wurde ein on-demand-streaming-Dienst für Musik herangezogen, der europaweit angeboten werden soll. Dabei wurde die Situation in fünf EU-Staaten – neben Österreich auch Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Polen – genauer untersucht. Die unterschiedlichen rechtlichen Rahmenbedingungen in jedem einzelnen Staat würden das an sich kaum auf die Besonderheiten digitaler Angebote Rücksicht nehmende Urheberrecht noch komplexer machen und verkomplizieren die legale Zurverfügungstellung von Online-Diensten immens, ägert man sich seitens der ISPA.
DIGITALE HERAUSFORDERUNGEN
Ein Content-Anbieter muss natürlich alle Rechte an allen Musikstücken, die er anbietet einholen. Das sind beispielsweise die Autorenrechte für Komponisten und Texter, die im Normalfall von Verwertungsgesellschaften wahrgenommen werden. „Über welche Rechte dabei eine Gesellschaft genau verfügt, ist völlig intransparent“, kritisiert Maximilian Schubert, Generalsekretär der ISPA. Eventuell vorhandene Ko-Autoren können die Sache nochmals verkomplizieren. Dazu kommen die Rechte der ausführenden Künstler, die wiederum von den Labels vergeben werden. Hier gibt es drei „Major Labels“ mit einem breiten Repertoire und in jedem Land mehrere hundert „Independent Labels“, allein in Deutschland beispielsweise 1.300.
Diese Rechte, bei denen es teilweise alles andere als einfach ist herauszufinden, bei wem sie liegen, muss sich ein Content Provider für jeden einzelnen Staat besorgen, in dem sein Streaming-Dienst abgerufen werden kann. Allein für die Informationsbeschaffung und die notwendigen Verhandlungen sind laut der Studie in einzelnen Ländern bis zu 12 Monate an Zeit und durchschnittlich 120 Stunden an Rechtsberatung einzukalkulieren. Möchte ein Provider seinen Dienst in den fünf untersuchten Staaten anbieten, würden sich bei einer mittleren Nutzungsintensität von 20.000 Usern die Kosten für Informationsbeschaffung, Verhandlungen und Lizenzgebühren an die Verwertungsgesellschaften – diejenigen an die Labels waren nicht eruierbar – für das erste Jahr auf etwa 3,5 Mio. Euro belaufen. „Diese Kosten schrecken jedes Startup ab und selbst für etablierte Unternehmen ist ein profitabler Betrieb eines solchen Dienstes eine Herausforderung“, zeigt Schubert die Konsequenzen dieser Internet-feindlichen Strukturen auf. „Indirekt wird dadurch natürlich das illegale Angebot gefördert, denn die heutigen Userinnen und User wollen Musik verständlicherweise auch online konsumieren. Dass den Rechteinhabern durch das fehlende legale Angebot Einnahmen entgehen, scheint diese zwar zu stören, aber nicht in einem solchen Ausmaß, dass Schritte in Richtung Vereinfachung der rechtlichen Rahmenbedingungen unternommen werden.“
LÖSUNGSANSÄTZE
Eine der vorrangigen Forderungen der ISPA ist jene nach mehr Transparenz. Schon das Bereitstellen von Information über Rechte und Tarife auf den Webseiten der Verwertungsgesellschaften würde ihrer Meinung nach die Kosten für die Informationsbeschaffung deutlich senken. Die Einrichtung einer zentralen Datenbank mit umfassenden Informationen zu den Rechteinhabern, ein einheitliches Verwertungsrecht für Online-Nutzung auf europäischer Ebene und eine Ausweitung der multiterritorialen Lizenzen wären laut ISPA weitere nötige Schritte, um die Komplexität der Materie auf ein vernünftiges Maß zu reduzieren.
„Aus Anbietersicht würden wir uns natürlich eine einzige Stelle wünschen, bei der man sämtliche notwendigen Rechte aus einer Hand erhält und sich auch darauf verlassen kann, dass alle nationalen Besonderheiten berücksichtigt sind. Eine derartige Lösung erscheint im Moment noch in weiter Ferne. Zumindest ein erster Schritt in die richtige Richtung wären nicht-exklusive Gegenseitigkeitsvereinbarungen zwischen den Verwertungsgesellschaften. Dadurch könnten wettbewerbsfähige ‚Lizenzierungsknoten‘ entstehen, die multiterritoriale Lizenzen vergeben und damit die Rechteerlangung deutlich vereinfachen“, resümiert Schubert. (pi)
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