Schon seit Jahren beklagt der IT-Sektor einen Personalmangel. Sollte es allerdings nicht gelingen, Absolventen und ältere Mitarbeiter in der Branche zu halten, den Frauenanteil zu erhöhen und den Wünschen der Bewerber entgegen zu kommen, könnte sich die Situation noch verschärfen. [...]
Zu diesem Schluss sind Expertinnen und Experten bei einer Podiumsdiskussion der APA-E-Business-Community in Wien gekommen. „Der richtig große IT-Fachkräftemangel steht uns erst bevor“, so Helmut Dornmayr vom Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft (ibw). Derzeit würden pro Jahr knapp 10.000 IT-Absolventen auf den heimischen Arbeitsmarkt kommen. Wegen der demographischen Entwicklung sei künftig aber mit einer rückläufigen Zahl zu rechnen. Mit diesem Output könnte zwar die Nachfrage bis zum Jahr 2025 mehr als ausreichend gedeckt werden – „allerdings nur unter der völlig irrealen Annahme, dass alle Absolventen einer IT-Ausbildung auch als IT-Fachkraft arbeiten würden und wollten“, sagte Dornmayr.
Für die Deckung der künftigen Nachfrage sei es von entscheidender Bedeutung, ältere Fachkräfte im IT-Bereich zu halten, den Anteil der Frauen zu erhöhen und möglichst viele IT-Absolventen dazu zu motivieren, auch tatsächlich in der Branche zu arbeiten, erklärte der Experte. Denn durch den in vielen anderen Sektoren entstehenden Fachkräftemangel könnte es zu Abwanderungen oder Abwerbungen kommen.“Informationstechnologie ist inzwischen so komplex, dass nur eine gute Ausbildung hilft. Quereinsteigen ist kaum noch möglich“, so Alfred Harl, Obmann des Fachverbandes Unternehmensberatung und IT in der WKO. Gefragt seien „Uni-Absolventen vom Master aufwärts“. Viele würden sich schon während des Studiums abwerben lassen, „das kann aber auch ein Schuss ins Knie werden“. Arbeitsplatzsicherheit sei jedenfalls nicht mehr das wichtigste im Leben, sondern Sinnerfüllung. Für die Bewerber würden Unternehmenskultur, Karrieremöglichkeiten und das Image des Unternehmens eine entscheidende Rolle spielen, so Harl. Um die besten Fachkräfte zu gewinnen, sei es wichtig, Employer Branding als Teil der Gesamtstrategie zu verstehen.
„Die Bewerber von heute sagen viel ehrlicher, was sie wollen – etwa bezüglich Work-Life-Balance. ‚Was könnt ihr mir bieten?‘ ist inzwischen eine verbreitet gestellte Frage“, sagte Birgit Schmöller von der A1 Telekom Austria. Flexible und mobile Angebote seitens der Arbeitgeber seien jedenfalls sehr gefragt. Wer auf Augenhöhe mit den Bewerbern agiere, erhalte zudem „sofortiges Feedback vom Markt“.
„Gehaltsniveau, Karriereaussichten und flexible Arbeitszeiten stellen wichtige Kriterien bei der Jobsuche dar“, ergänzte Christoph Mecklenbräuker von der Technischen Universität (TU) Wien. Für Spitzenpersonal seien aber viele Randbedingungen wichtig: die inhaltlichen Herausforderungen im Job, das Potenzial zur Innovation, die Möglichkeiten zur Kinderbetreuung vor Ort, die Wegzeiten zum Arbeitsplatz oder das Arbeitsklima.
In der IT-Branche gebe es derzeit Jobsicherheit, aber anders definiert als früher. „Jetzt heißt das, als Fachkraft arbeiten können, bis man nicht mehr möchte oder muss“, so Mecklenbräuker. Für ihn ist man erst ab einem Master eine Fachkraft, „nicht mit einem Bachelor. Allerdings gibt es in diesem Bereich massiven politischen Druck“.
„Für mich beginnt eine Fachkraft schon früher, etwa bei einem Absolventen einer entsprechenden HTL plus Training on the Job“, erklärte Karin Krizek vom Softwarespezialisten Navax. Ein Problem für Klein- und Mittelunternehmen (KMU) sei, mit den Gehältern internationaler Unternehmen mitzuhalten. „Das können wir nicht und deshalb müssen wir attraktiver sein.“ Umso wichtiger sei es zu vermitteln, worin die Vorteile von KMU bestünden: „Flexibilität, kurze Entscheidungswege, vielfältige Entwicklungsmöglichkeiten, tolles Betriebsklima und direkter Kontakt zu den Entscheidungsträgern“, so Krizek.
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