IT-Nutzungsmodelle: Ein Schlüssel zur nachhaltigen Digitalisierung?

Die Digitalisierung treibt stetig die Transformation ganzer Wirtschaftsbereiche voran. Das wirtschaftliche Wachstumspotenzial ist groß. [...]

Foto: JudeJoshua/Pixabay

Insbesondere Unternehmen stehen vor der Herausforderung, ihre Digitalisierung nachhaltig zu gestalten, ohne dabei an Performanz zu verlieren. Doch welche Stellschrauben haben Unternehmen? Eine Lösung bieten moderne, nachhaltige Nutzungsmodelle zur Beschaffung von notwendiger IT-Hardware.  Ein Interview mit Matthias Steybe, Group Sustainability Officers von CHG-MERIDIAN.

Herr Steybe, das Ausmaß der Umweltproblematiken, verursacht durch die voranschreitende Digitalisierung, wird immer offensichtlicher. Der Handlungsbedarf ist groß. Wo sehen Sie in Ihrer Funktion als Group Sustainability Officer bei CHG-MERIDIAN aktuell die größten Herausforderungen für Unternehmen in diesem Bereich?

Matthias Steybe: Die Digitalisierung der Wirtschaft schreitet immer weiter voran und das ist auch gut. Denn digitale Prozesse sind effizienter und sparen Unternehmen Zeit und Ressourcen. Gleichzeitig gilt es allerdings, die Digitalisierung nachhaltiger zu gestalten.

Die Bedeutung von ESG und Corporate Responsibility zeigt jetzt schon auf, dass umweltverträgliches Wirtschaften der Standard werden muss. Das wird – zurecht – bereits von Kund:innen verlangt und die staatlichen Regulierungen werden sich in diesem Bereich auch noch weiter verschärfen.

Das bedeutet, Unternehmen geraten immer weiter unter Druck: Sie müssen ihre digitale Transformation vorantreiben, was schon ein kostenintensiver und aufwendiger Prozess ist, und darüber hinaus ihren CO2-Fußabdruck reduzieren. 

Ein Schlüssel zur Lösung können hier moderne, nachhaltige Nutzungsmodelle für die Beschaffung von IT-Hardware sein. Um zu ermitteln, wie nachhaltig unser eigenes Produktangebot – im Vergleich zum Kauf von IT-Hardware in etwa – ist, haben wir das unabhängige und renommierte belgische Forschungsinstitut VITO mit einer entsprechenden Green IT-Studie Studie beauftragt.

Es hat verschiedene IT-Nutzungsmodelle wie Leasing oder Device-as-a-Service hinsichtlich ihrer Umweltauswirkungen, vor allem in Hinblick auf den CO2-Fußabdruck sowie Ressourcenverbrauch, detailliert und unabhängig beleuchtet. 

Zu welchem Ergebnis kommt Ihre Green IT-Studie? Wie können IT-Nutzungsmodelle bei den oben genannten Herausforderungen helfen?

Matthias Steybe: Die meisten IT-Geräte landen nach nur kurzer Nutzungsdauer in Schubladen und Kellern und werden dort vergessen. Nur etwa ein Drittel der produzierten Geräte wird länger als zwei Jahre verwendet.

Das ist auch deshalb problematisch, weil 76% der Treibhausgasemissionen bei der Produktion entstehen. Je häufiger also ein IT-Gerät genutzt wird, desto besser also dessen Klimabilanz. Das heißt, wir müssen diesen negativen Trend endlich umkehren und verstärkt auf das „Nutzen statt Besitzen“-Prinzip setzen.

Geräte wie Laptops oder Smartphones werden damit nicht mehr gekauft. Man bezahlt lediglich für die Nutzung des Geräts über einen bestimmten Zeitraum, ähnlich wie man es vom PKW-Leasing kennt. 

(Quelle: CHG-MERIDIAN)

Entscheidend ist hierbei die sinnstiftende Kombination von IT-Nutzungsmodellen mit der Kreislaufwirtschaft, einem zirkulären Modell der Produktion und des Verbrauchs.

Produkte werden so lange wie möglich entlang ihrem Lebenszyklus genutzt. Lediglich Nutzungsmodelle, die nicht dem linearen Wirtschaften der letzten 40 Jahre folgen, können hier sinnvolle Alternativen bieten.

Wie sieht das konkret in der Praxis bei Ihnen aus?

Matthias Steybe: Mit unseren modernen Nutzungsmodellen ermöglichen wir, dass die Hardware nach einer ersten Nutzungsphase an uns als Dienstleister zurückgeht und einen Refurbishing-Prozess durchläuft. So konnten wir im vergangenen Jahr 96% aller Leasingrückläufer in unseren eigenen Technologiezentren in Deutschland und Norwegen für einen zweiten Nutzungszyklus aufbereiten und in den Zweitmarkt überführen, also in eine Zweitnutzung! 

Als CHG-MERIDIAN gehen wir sogar noch einige Schritte weiter: Wir wickeln von der Beschaffung, über die Finanzierung, dem Asset-Management vor Ort bis hin zur Wiederaufbereitung der Geräte alles für unsere Kunden ab. Aus einer Hand.

Für Unternehmen bieten sich damit auch finanzielle Vorteile. Wenn man die Geräte nicht besitzt, sondern nutzt, bindet man nicht unnötig Kapital in technischer Infrastruktur, die traditionell hohe Anfangsinvestitionen erfordert. Solche Nutzungsmodelle können also auch Liquiditätsreserven schaffen. 

Für Unternehmen bieten Nutzungsmodelle in Summe eine win-win-win-Situation: erleichterte Beschaffung neuster Technik, mehr Liquidität und eine bessere Umweltbilanz.

Würden Sie so weit gehen zu sagen, dass der klassische Kauf von Geräten ausgedient hat bzw. im ökologischen Sinne nicht mehr vertretbar ist?

Matthias Steybe: Ja. Unsere Studie hat gezeigt, dass Nutzungsmodelle einen großen Sprung in Richtung Nachhaltigkeit ermöglichen – sie können den CO2-Footprint ausgewählter IT-Infrastruktur um mehr als 50 Prozent im Vergleich zum klassischen Kauf reduzieren.

Außerdem sind Leasing und ähnliche Modelle Sparweltmeister, was Ressourcen angeht. Der Verbrauch von knappen Rohstoffen, wie z.B. Seltenen Erden, sinkt um bis zu zwei Drittel. 

(Quelle: CHG-MERIDIAN)

Wichtig ist: wer ein Produkt kauft, trägt auch Verantwortung dafür. Hardware wird teuer neu eingekauft, um anschließend nur für eine bestimmte Zeit genutzt zu werden, bis etwa ein neueres Modell auf dem Markt verfügbar ist.

Und dass, obwohl das Ende eines Nutzungszyklus längst nicht das Ende der potenziellen Lebensdauer eines Geräts ist. War dieser Ablauf bis vor ein paar Jahren noch absoluter Standard in der Beschaffung, ruft er heutzutage Irritation hervor.

Denn er zeugt von mangelndem Verantwortungsbewusstsein und widerspricht unserem Anspruch von ESG-konformem Handeln grundlegend. Was uns bei Plastikverpackungen stört, kann uns bei Laptops nicht egal sein. Ich bezeichne das als „Corporate Infrastructure Responsibility“.

Die Kreislaufwirtschaft ist schon seit langer Zeit Teil Ihres Geschäftsmodells, lange bevor Kreislaufwirtschaft als wichtiges Wirtschaftsmodell und aktueller Trend erkannt wurde. Wie schätzen Sie auf diesem Gebiet die Weiterentwicklungen ein? 

Matthias Steybe: Wenn es in der Vergangenheit um die Technologie-Beschaffung ging, haben Unternehmen dann hauptsächlich auf etablierte Nutzungsmodelle zurückgegriffen, um ihre laufenden IT-Kosten zu senken. Nachhaltige Nutzungsmodelle, hinter denen eine Kreislaufwirtschaft steht, bieten Unternehmen allerdings weitere Mehrwerte.

Durch den Refurbishing-Prozess sowie das Überführen der Hardware in einen weiteren Nutzungszyklus haben sie einen hohen ökologischen Impact auf ihre Technologie-Infrastrukturen und somit auch ihren CO2-Fußabdruck. Das macht sie zum unverzichtbaren Bestandteil eines unternehmerischen, auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Öko-Systems.

Diese Ökosysteme müssen Unternehmen kurz- bis mittelfristig für sich etablieren, da der regulatorische Druck des Gesetzgebers zunehmen und strengerer Umweltrichtlinien einen Aufschwung erhalten werden. Zukünftig werden daher Leasing, DaaS und ähnliche Modelle State of the Art sein.

Eine nachhaltige Digitalisierung ist nicht mehr aufschiebbar – jetzt geht es um die Frage, wie diese kostengünstig, flexibel und umweltfreundlich umgesetzt werden kann. Aus diesen Gründen gehört dem Prinzip Nutzen-statt-Besitzen die Zukunft. 

Die Studie IT-Nutzungsmodelle senken CO-2 Footprint sollte hier zum Nachlesen verfügbar sein.

*Matthias Steybe ist seit mehr als zwei Jahrzehnten im Bereich Nachhaltigkeit tätig. Seine Karriere in der nachhaltigen Wirtschaft begann 2001 bei der Daimler AG/Mercedes-Benz, wo er für den Umweltbericht des deutschen Premium-Automobilherstellers verantwortlich war. Er kam 2012 zu CHG-MERIDIAN. Anfang 2020 wurde er zum ersten Group Sustainability Officer (GSO)

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