Das Einbinden von Fahrzeugen ins mobile Internet wird die Autohersteller aus Sicht des IT-Marktforschers Gartner stark herausfordern und die Machtverhältnisse in der Branche neu verteilen. "Ich gehe davon aus, dass die nächsten 15 bis 20 Jahre mehr Veränderung für die Autoindustrie bringen als die letzten 100 Jahre", sagt Gartner-Analyst Thilo. [...]
Beim Zukunftstrend des vernetzten Fahrzeugs gehe es nicht darum, einen „Computer auf Rädern“ zu entwickeln. Eher müsse die Anbindung ins Netz für ganz neue Produkte genutzt werden, die den Autofahrern Mehrwert böten. Das könnten etwa Lösungen für das Bezahlen an Tankstellen sein, intelligente Navigation, das Reservieren von Parkplätzen oder die Übertragung von Nachrichtenangeboten, die sich nach den Vorlieben des Fahrers richten. Auch eine automatische Anpassung des Terminkalenders je nach aktueller Staulage sei denkbar.
Der Gartner-Experte spricht über etwas, das teilweise in einem Feldversuch im Rhein-Main-Gebiet seit Anfang August schon läuft. Dort sind 120 Testwagen unterwegs und tauschen über das Netz untereinander und mit einer Zentrale ständig Informationen zur Verkehrslage aus. Koordiniert wird das „Car-to-X“-Projekt von Daimler. Beteiligt sind auch die Autobauer Opel, Audi, BMW, Ford und Volkswagen, die Zulieferer Bosch und Continental sowie die Deutsche Telekom, mehrere Forschungseinrichtungen und Behörden in Hessen. Die beteiligten Wissenschaftler sprechen von einem der bisher weltweit größten Flottenversuche.
Koslowski ist überzeugt, dass die Mehrheit der Neufahrzeuge in den etablierten Automärkten Ende dieses Jahrzehnts vernetzt sein werde. Im Jahr 2023 werde auch die Infrastruktur online sein, damit etwa Ampeln intelligent auf die Verkehrsströme reagieren. Für 2025 sagt der Fachmann voraus, dass eigenständig fahrende Autos auf die Straße kommen. „Vielleicht braucht man dann gar keinen Führerschein mehr und Zwölfjährige fahren Auto. Oder man darf im Auto trinken. Oder man kann das Auto alleine Einkaufen schicken“, zählte Koslowski Zukunftsszenarien auf.
Gartner geht davon aus, dass 2016 in größeren Städten jeder zehnte Autobesitzer Carsharing-Angebote mit geliehenen Autos dem Besitz eines eigenen Wagens vorzieht. „Das Bild vom Auto als Statussymbol und etwas, das man besitzen muss, wird sich ändern.“ Ein schrumpfender privater Autobesitz und der Trend zum Fahrzeug als vernetzte Geräteplattform dürften die Geschäftsmodelle der Autobauer grundlegend ändern. „Das ist eine ganz große Herausforderung für die klassische Autoindustrie“, so Koslowski. Künftig gehe es darum, die Schnittstelle Auto so kompatibel wie möglich zu den Angeboten der externen Anbieter zu machen – das werde ein neues Verkaufsargument. „Mit dieser Offenheit werden sich viele Autohersteller schwertun.“
Entsprechend sinke auch die Eigenständigkeit der Autohersteller. „Die wenigsten werden selber ihre Lösungen bauen, weil es einfach nicht rentabel ist“, meint Koslowski. Nur Weltkonzerne könnten das. Die Abhängigkeit von den bisherigen Teilezulieferern werde also ergänzt durch eine, bei der es um Software und Dienstleistungen geht. Schon heute wolle jeder zweite Auto- und Smartphone-Besitzer Apps während der Fahrt nutzen, wenn das sicher sei. 47 Prozent meinen daher, dass Autohändler einen App-Store haben müssten.
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