Journalismus ist ohne Technologie nicht mehr denkbar

Arianna Huffington, Präsidentin und Chefredakteurin von "The Huffington Post", war beim jüngsten future.talk der Telekom Austria Group zu Gast in Wien. Gemeinsam mit Deutschlands gefürchtetstem "Medienwachhund" Stefan Niggemeier und Generaldirektor Hannes Ametsreiter diskutierte sie unter dem Titel "Brave News World. Why newsmakers and newstakers change.” über die Zukunft der Medien. Auch wenn es unterschiedliche Standpunkte zur Qualität des Journalismus und der Abhängigkeit von Werbeeinnahmen gab, herrschte Einigkeit darüber, dass Journalismus heute ohne Technologie nicht mehr denkbar ist. [...]

In ihrer Keynote Speech ging Arianna Huffington auf die grundlegenden Veränderungen in den Medien ein: „Zum ersten Mal in der Geschichte stehen die Leser und Zuseher im Zentrum. Und die Medien müssen zuhören. Dadurch werden die Stimmen von jenen hörbar, die man noch nie gehört hat.“ Sie stellte auch fest, dass heute Geschichten länger bestehen bleiben, weil sie nicht auf eine Titelseite in einem Printmedium beschränkt sind. Grundsätzlich hält sie die Debatte über alte und neue Medien und deren Beziehung für obsolet. Huffington ist überzeugt, dass traditionelle Medien ihre Arbeit auch online gut machen und neue Medien in Recherche und guten Journalismus investieren. „An der Story, mit der unsere Journalisten später den Pulitzer Preis gewonnen haben, wurde neun Monate recherchiert und gearbeitet.“ Huffington: „Es gibt heute ein hybrides Modell. Und es gibt Konvergenz.“

Huffington trat auch dafür ein, positive Nachrichten mehr hervorzuheben. „Medien glauben noch immer, dass schlechte Nachrichten gute Nachrichten sind. Die negative Fokussierung ist ein Problem. Wir Medienleute müssen auch positive Geschichten ins Zentrum rücken.” Und sie sieht diese auch als gutes Umfeld für Marken – „auch in der deutschen Ausgabe“.

Die gebürtige Griechin, die in Cambridge Volkswirtschaft studiert hat, gründete vor neun Jahren „The Huffington Post“ und revolutionierte damit die Verbindung von Journalismus und Technologie. Gleichzeitig tritt Huffington vehement dafür ein, die Technik auch mal auszuschalten: „Wir müssen uns selbst hin und wieder von der Technologie distanzieren. Ich nenne das ‚unplugging & recharging‘.“

STREITFRAGE FINANZIERUNG
Die Podiumsdiskussion mit Arianna Huffington, Stefan Niggemeier und Hannes Ametsreiter wurde dominiert von den Themen Monetarisierung und Finanzierung von Medien und Journalismus.
In einem Punkt stimmte Stefan Niggemeier Huffington zu: „Ich teile ihren Enthusiasmus für die neue Entwicklung, dass Journalisten ‚heruntersteigen‘ und mit ihren Lesern kommunizieren müssen.“ Der vielfach ausgezeichnete Journalist sagte, dass Information heute mehr Wert als jemals zuvor hat – besonders wahre Information. „Das Internet ist ein Enabler“, aber: „Es ist schwierig geworden, diese wahren Informationen zu finden und zu bewerten.“ Die Bedeutung strich er am Beispiel Ukraine-Krise hervor: „Denken wir an die Ukraine. Es gibt sehr wenige Menschen, Journalisten, die tatsächlich dort vor Ort sind und nach der Wahrheit suchen.“

Stark kritisierte er die Abhängigkeit der Medien von Werbeeinnahmen, die „noch nie so groß wie heute“ gewesen sei. Und die grundsätzliche Frage nach der Finanzierung von Journalismus bleibe. „Die alten Modelle funktionieren nicht mehr und die neuen funktionieren noch nicht. Ich glaube nicht, dass die ‚Huffington Post‘ die Zukunft ist. Sie ist die Gegenwart.“ Das von ihm mitbegründete Journalismus-Projekt krautreporter, das bald in der Beta-Version online gehen soll, wird über Crowdsourcing finanziert – durch eine jährliche Gebühr von 60 Euro, die die Leser zahlen.

In der Frage der Finanzierung sagte Huffington verschiedene Modelle der Monetarisierung voraus. Auch die Huffington Post nutzt Crowdfunding, wie sie an einem Beispiel zeigte: „Wir wollten, dass unser Redakteur in Ferguson bleibt, nachdem alle anderen Medien die Stadt verlassen hatten. Wir wollten die Geschichte weitererzählen. Das wurde durch Crowdfunding möglich gemacht.“

Arianna Huffington zeigte sich im Gegensatz zu Stefan Niggemeier auch nicht ängstlich, was die Filter Bubble angeht: „Wir sind keine Opfer von gefilterten Newsfeeds. Jeder kann einer sehr unterschiedlichen Gruppe Menschen folgen und von deren unterschiedlichen Sichtweisen profitieren, deren Interessen, deren Geschichten.“ Heute kommt schon ein Viertel des Traffic auf die deutsche „The Huffington Post“ durch Social Sharing zustande.

Hannes Ametsreiter unterstrich die Rolle des Internets als entscheidenden Treiber in der Entwicklung der Medien: „Die übertragene Datenmenge wächst exponentiell. Alle 16 Monate verdoppelt sich die Datenmenge. Und wir stehen hier erst am Anfang. Eine weitere Entwicklung können wir erahnen, wenn wir sehen, dass in den USA heute zum Beispiel bereits 60 Prozent des Datenverkehrs durch einen Service wie Netflix entstehen.“ (pi)


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