Kaltstart im Beruf

Wie lange brauchen Quereinsteiger ohne Vorkenntnisse, um ein respektables Gehalt als Programmierer zu verdienen? Ein ehemaliger Basketballprofi berichtet von seinem Karrierestart als Webentwickler. [...]

Bogdan Pogăcean aus dem rumänischen Cluj-Napoca hat einen ungewöhnlichen Weg zu seiner Karriere als professioneller Softwareentwickler hinter sich. (c) Krusche & Company GmbH

„Was willst du einmal werden, wenn du groß bist?“ Diese Frage hören Kinder schon früh, die Antwort ändert sich allerdings im Laufe der Kindheit und Jugend stetig. Zwar hat sich die Welt stark verändert, seit uns diese Frage zum ersten Mal gestellt wurde – doch vieles ist auch gleich geblieben. Bei den Berufswünschen von Vier- oder Fünfjährigen stehen noch immer Ärztin oder Arzt, Krankenschwester und Lehrerin beziehungsweise Polizist und Feuerwehrmann ganz oben auf der Liste. Doch je älter wir werden und je mehr Erfahrung und Wissen wir sammeln, desto besser können wir unsere eigenen Stärken, Schwächen und Interessen einschätzen. Daher erweitern und verändern sich die Berufswünsche von Jugendlichen stetig. Für viele wird mit zunehmendem Alter der finanzielle Erfolg wichtiger, ebenso Faktoren wie Flexibilität oder das Arbeitsumfeld.

Ein Beruf, der in der Beliebtheitsskala von Jugendlichen in den letzten Jahren ganz nach oben geschossen ist, ist der der „IKT-Fachkraft (Informations- und Kommunikationstechnik)“. Unter diesen Oberbegriff fallen Softwareentwickler, Web- und UX/UI-Designer, Cloud-Computing-Engineers und einige weitere Berufe aus dem Technikbereich. Ein kürzlich von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) veröffentlichter Bericht mit dem Titel „Dream Jobs? Teenager’s Career Aspirations and the Future of Work“ zeigt, dass IKT-Fachkraft der zweitbeliebteste Berufswunsch von Jugendlichen in vielen Ländern weltweit ist.

Im Jahr 2020 gaben etwa 6,1 Prozent der befragten Jungen an, dass sie gerne IKT-Fachmann werden wollten, was einem Anstieg von 0,6 Prozent innerhalb von zwei Jahren entspricht. Damit lag diese Berufsgruppe an zweiter Stelle direkt hinter dem Business Manager, den 6,8 Prozent anstrebten. Im Gegensatz dazu möchten nur wenige junge Frauen IT-Spezialistin werden. Deshalb ist der Beruf bei ihnen nicht unter den zehn meistgenannten Traumjobs zu finden, während Lehrerin, Ärztin, Anwältin und Psychologin am häufigsten genannt werden. Doch immerhin 1,5 Prozent der jugendlichen Mädchen streben technische Berufe an, womit der IKT-Bereich insgesamt auf Platz sieben liegt.

IKT auch bei Quereinsteigern mittleren Alters beliebt

Doch die Branche gewinnt nicht nur bei Berufseinsteigern an Beliebtheit. Die Zahl der Quereinsteiger im mittleren Alter, die IKT-Berufe wie Softwareentwickler, Webentwickler oder Softwaretester erlernen wollen, steigt ebenfalls. Die Berufsgruppe ist zwar nicht für jeden geeignet, aber viele Berufstätige zeigen die nötige Motivation und das Engagement, um zu verstehen und zu lernen, wie man mit neuen Technologien im beruflichen Kontext umgeht. Dazu trägt auch das wachsende Angebot an Online-Ressourcen bei. Es bietet gerade älteren Lernenden, die oft viele verschiedene Aufgaben und Verpflichtungen unter einen Hut bringen müssen, die nötige Flexibilität.

Warum werden Arbeitsplätze im IKT-Bereich generell immer beliebter? Die relativ hohen Gehälter sind sicherlich ein Anreiz. So kann ein kompetenter Softwareentwickler mit vier bis fünf Jahren Berufserfahrung in Deutschland durchaus ein jährliches Gehalt von 80.000 Euro erzielen. Aber Geld allein ist bei weitem nicht der einzige Grund, warum sich so viele für eine IKT-Karriere entscheiden. Auch Chancengleichheit spielt eine große Rolle. Außerdem führen die große Nachfrage an IKT-Fachkräften und das relativ geringe Angebot auf dem Arbeitsmarkt zu einer hohen Leistungsdichte in diesem Sektor. Kompetenzen in einem IKT-Bereich sind praktisch ein Garant dafür, dass Sie auch jemand dafür bezahlt – unabhängig von Ihrer Berufsausbildung, Ihrem Alter oder anderweitigen Rahmenbedingungen. 

Ein  weiterer wichtiger Pluspunkt, der Berufstätige zu IKT-Berufen zieht, ist die Zugänglichkeit. Wie bereits erwähnt, gibt es eine Fülle an hochwertigen Online-Lern- und Zertifizierungsprogrammen. Diese kann jeder absolvieren, der die nötige Zeit und Mühe aufbringt. Viele dieser Kurse sind entweder kostenlos oder sehr günstig. Wenn Sie es geschickt anstellen, müssen Sie also keinen Cent ausgeben: Um die nötigen Kenntnisse für eine Einstiegsposition im IKT-Bereich zu erwerben, brauchen Sie lediglich einen Computer oder Laptop und einen Internetzugang.

Digitalisierung und die Vorteile einer hohen Flexibilität

Auch der Standort ist keine oder nur eine sehr geringe Einstiegshürde im IKT-Bereich. Für diejenigen, die lieber von zu Hause aus arbeiten, oder für die das aufgrund ihres Wohnorts praktischer ist, gibt es zahlreiche Remote-Beschäftigungsmöglichkeiten. Die Nachfrage an IKT-Fachkräften ist so hoch, dass in den meisten größeren Städten auch Positionen direkt vor Ort angeboten werden. Die zunehmende Verlagerung des Sektors hin zu Remote- oder Hybrid-Work hat jedoch dazu geführt, dass Menschen aus aller Welt, insbesondere auch aus wirtschaftlich schwächeren Ländern und Regionen, die Chance auf eine gut bezahlte Beschäftigung im IKT-Bereich haben. Auch flexible Arbeitszeiten sind im IKT-Sektor immer häufiger zu finden. Dies spricht oft ältere Berufstätige mit familiären Verpflichtungen an, ist aber auch bei jungen Arbeitnehmern beliebt, die etwa als digitale Nomaden um die Welt reisen möchten. Ebenso attraktiv ist die Möglichkeit, im Rahmen einer sogenannten „Workation“ einfach einen Monat am Meer zu arbeiten oder einen achtstündigen Arbeitstag mit einem Sonnenbad zu unterbrechen.

Zahlreiche Interessierte streben eine Karriere als IKT-Fachkraft an – von Schülern und Studenten bis hin zu Berufstätigen mittleren Alters, die sich neu orientieren möchten. Wir haben einen ehemaligen Basketballprofi und heutigen Webentwickler gefragt, wie er zu seinem ersten Job gekommen ist. Er erzählt uns von seinen ersten Schritten, welche Kenntnisse er sich aneignen musste, wie lange der Lernprozess insgesamt dauerte und wie er seine Karriere von der ersten Juniorposition an fortsetzte.  

Vom Basketballprofi zum Junior-Webentwickler

Bogdan Pogăcean aus dem rumänischen Cluj-Napoca hat einen ungewöhnlichen Weg zu seiner Karriere als professioneller Softwareentwickler hinter sich. Heute verfügt er über sieben Jahre Berufserfahrung, kann sich seine Projekte als Experte selbst aussuchen und wird dafür auch gut bezahlt. Für seine Arbeit muss er in kein Büro: Er kann von zu Hause aus arbeiten – oder von wo aus auch immer er möchte. Doch noch vor wenigen Jahren war Pogăcean ein professioneller Basketballspieler ohne technische Ausbildung und ohne jegliche Kenntnisse in der Softwareentwicklung. Als Absolvent einer Sportuniversität wurde er Profisportler und interessierte sich zunächst kaum für Technik. Doch dann zog er sich eine schicksalshafte Verletzung zu. Sie war nicht karrierebedrohend, aber schwer genug, um den Basketballprofi eine Zeit lang außer Gefecht zu setzen. Da er anfangs nicht sonderlich mobil war, blieb er während der Genesung weitgehend auf sein Bett und Sofa beschränkt. Zu dieser Zeit stieß er beim Surfen im Internet auf ein von Microsoft veröffentlichtes YouTube-Video. Es handelte sich um ein Tutorial zur Websiteerstellung für Einsteiger. Drei Stunden später hatte er eine einfache statische Website bei einem kostenlosen Hosting-Dienst eingerichtet – und war Feuer und Flamme.

Auch nach seiner Verletzungspause setzte Pogăcean sein Selbststudium fort, eignete sich grundlegende Programmierkenntnisse an und brachte sich HTML sowie CSS bei. Ein Jahr und drei Monate lang lernte er autodidaktisch, während er weiterhin professionell Basketball spielte. Im Durchschnitt verbrachte er damit drei bis vier Stunden pro Tag zwischen den Trainingseinheiten. Sein gesamter Lernprozess geschah über YouTube-Kanäle und preisgünstige Kurse auf Plattformen wie Udemy.  Etwas mehr als ein Jahr nach dem Beginn seines Selbststudiums in der Webentwicklung bewarb sich Pogăcean für seine erste Junior-Stelle bei einem lokalen Unternehmen, das Websites für schwedische KMUs erstellt. Zusammen mit etwa 50 bis 60 anderen Kandidaten wurde er zu einem Auswahltest eingeladen. Da die meisten seiner Mitbewerber junge Informatik-, Ingenieur- und Mathematikabsolventen waren, schätzte er seine Chancen wenig optimistisch ein. Doch zu seiner Überraschung und Freude gehörte er zu den besten Kandidaten und erhielt umgehend sein erstes Angebot als Junior-Webentwickler. Von diesem Moment an hieß es für ihn: „Game on, ich gebe jetzt Vollgas beim Programmieren!“

In nur 3 Jahren zum Senior: Der Schlüssel zum Erfolg

Was war nach insgesamt sieben Jahren der Schlüssel zu Pogăceans Erfolg, der ihm nicht nur die erste Berufschance als IKT-Fachmann verschaffte, sondern auch seine Karriere seither vorantreibt? Für den ehemaligen Basketballprofi war es wichtig, konsequent dran zu bleiben – auch nachdem er seinen Job als Webentwickler angetreten hatte. Er lernte von erfahreneren Arbeitskollegen und setzte seinen autodidaktischen Ansatz in seiner Freizeit fort. Der wichtigste Aspekt für ihn persönlich war die Disziplin, die der jahrelange Sport ihm vermittelt hat. Nicht jeder verfügt über die angeborene Fähigkeit, ein guter „ITler“ zu werden. Aber Pogăcean ist davon überzeugt, dass sich jeder mit einer problemlösenden Denkweise eine erste Junior-Position sichern kann, wenn er ein oder zwei Jahre lang konsequent daran arbeitet. Von da an ist der Aufstieg zu einer Senior-Tätigkeit mit höheren Verdienstmöglichkeiten nur noch eine Frage der kontinuierlichen Weiterbildung.

Pogăcean vergleicht die Leistungsgesellschaft in der IT- und Softwareentwicklungsbranche mit derjenigen im Profisport. Wer gute Arbeit macht, wird auch entsprechend dafür entlohnt. Man kann sich nirgendwo verstecken, sondern wird nach der Beständigkeit und Qualität der Leistung beurteilt und bezahlt. Auf die Frage, ob es außer der notwendigen harten Arbeit und Kontinuität noch etwas gibt, das dem Lernprozess hin zum guten Webentwickler im Wege stehen könnte, antwortet er ohne zu zögern: „Die Arbeit muss Sie wirklich interessieren. Sie müssen Spaß am Lernen und am Tun haben.“ Wenn dies nicht der Fall ist, kann die Perspektive eines guten Gehalts allein langfristig wohl kaum eine ausreichende Motivation sein.


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