Die Transformation der Arbeitswelt

Die digitale Transformation ändert alles, natürlich auch unsere Arbeitswelt, insbesondere die Art und Weise wie wir arbeiten. Wie sieht der Arbeitsplatz der Zukunft aus und ist die Gesellschaft überhaupt bereit dafür? [...]

"Die Transformation in der Arbeitswelt ist eine große Herausforderung." (c) janeb13/Pixabay
"Die Transformation in der Arbeitswelt ist eine große Herausforderung." (c) janeb13/Pixabay"Die Transformation in der Arbeitswelt ist eine große Herausforderung." (c) janeb13/Pixabay

Wer einen Science-Fiction-Film aus den 1960er Jahren sieht, lernt mehr über die 60er Jahre als über die imaginierte Zukunft. Ähnlich verhält es sich mit Ideen vom Arbeitsplatz der Zukunft.

Der Arbeitsplatz der Gegenwart bedeutet für die meisten Büro- und Wissensarbeiter nach wie vor Computer, Windows und Microsoft Office. Manche sehen deswegen Microsoft Office 365, also die Office-Dienste aus der Cloud, als Arbeitsplatz der Zukunft. Tatsächlich ist das aber bereits Gegenwart.

Kleiner Faktencheck: Laut dem deutschen Branchenverband der Digitalwirtschaft Bitkom hatten 2018 48 Prozent der deutschen Arbeitnehmer einen Bildschirmarbeitsplatz, saßen also den ganzen Tag am PC oder Notebook-Computer, im Finanzbereich waren es gar 89 Prozent. Jeder dritte feste Arbeitsplatz in Deutschland verfügt über ein Mobilgerät mit Inter­net-Zugang. In Österreich verhält es sich ähnlich.

Übrigens gilt auch für Microsoft Office 365 wie für alle anderen Werkzeuge: Die Tools müssen zu den Nutzern passen und nicht die Nutzer zu den Tools.

Laut einer IDG-Umfrage, die Sommer 2018 in der DACH-Region durchgeführt wurde, und in deren Rahmen insgesamt 630 Berufstätige (285 Führungskräfte, 345 Mitarbeiter) befragt wurden, zeigte sich, dass hinsichtlich der Transformation der Arbeit große Unternehmen aufgeschlossener waren als kleine. Für junge Mitarbeiter unter 29 Jahren ist der Arbeitsplatz der Zukunft sehr wichtig – somit ist das Thema New Work auch eine Maßnahme, um dringend benötigte Fachkräfte anzulocken.
Bleibt die Frage: Wie kann der Arbeitsplatz der Zukunft, wie kann „New Work“ aussehen?

Rechtlicher Rahmen vorhanden, aber ausbaufähig

Mobile Work ist in Österreich durch das Telearbeitsgesetz geregelt. Während viele darunter das Home Office verstehen, ist das sicher zu kurz gegriffen – ist doch heute der Arbeitsplatz dort, wo sich ein Mitarbeiter eines Unternehmens mit seinem Laptop, Tablet oder Smartphone niederlässt, seine E-Mails abruft und Büroarbeiten erledigt. Sei es im Kaffeehaus, im Park oder eben zu Hause. In diesem Sinne definiert die Wirtschaftskammer auch Telearbeit folgendermaßen: „Telearbeit ist die regelmäßige Verrichtung von Arbeit außerhalb der betrieblichen Räumlichkeiten des Arbeitsgebers unter Verwendung von Informationstechnologien – zum Beispiel Internet, Telefon.“

Martin Puaschitz, Obmann der Wiener Fachgruppe UBIT (Unternehmensberatung, Buchhaltung und IT) der WKW, sieht die Transformation der Arbeit als große Herausforderung, insbesondere wenn es um flexible Arbeitszeiten und ortsunabhängiges Arbeiten geht. Bei Fragen nach dem modernen Arbeitsplatz ist vieles nicht mehr zeitgemäß, sagt Puaschitz und verweist darauf, dass sich manche „gesetzlichen Vorgaben noch an den Rahmenbedingungen der 1970er Jahre orientieren.“. Er fordert deswegen eine Reduzierung der Bürokratie und der undurchsichtigen KV-Regelungen.

Welche Fragen die moderne Technik hinsichtlich der Arbeitsgesetze aufwirft, ist vielen gar nicht klar, erzählt Franz Kühmayer, Trendforscher am Zukunftsinstitut in Frankfurt am Main und geschäftsführender Gesellschafter der Managementberatung KSPM. Auf einer Konferenz in Dresden wurde beispielsweise der Frage nachgegangen, ob eine VR- bzw. AR-Brille ein Bildschirmarbeitsplatz sei. Nach einem anfänglichen Überraschungsmoment stellte er fest, dass diese Frage durchaus berechtigt ist.

Ergebnis ist wichtiger als Anwesenheit

Gegenwärtig herrscht in den meisten Unternehmen nach wie ein arbeitszeitorientiertes statt ein zielorientiertes Beschäftigungsmodell vor. Doch es gehe darum, Präsenzkultur durch eine Ergebniskultur zu ersetzen, sagt Christoph Kränkl, Geschäftsführer von SAP Österreich. Sein Unternehmen ging mit der Neugestaltung der SAP-Niederlassung in Wien neue Wege, das gemeinsam vom Grazer Architekturbüro Innocad und dem Zukunftsforscher und Managementberater Franz Kühmayer umgesetzt bzw. beratend begleitet wurde. Dabei zeigte sich: Es geht um mehr als den Arbeitsplatz, um mehr als das Büro, es geht um die Arbeitswelt – und damit auch den Arbeitgeber der Zukunft. Im Übrigen streben nach der bereits erwähnten IDG-Befragung eine Mehrheit der Mitarbeiter durchaus über die klassischen Arbeitsmuster hinausgehende Beschäftigungsmodelle an, um mehr Freiheit zu erlangen. Change Management ist dabei sehr wichtig, insbesondere das frühzeitige Einbinden der Mitarbeiter in den Transformationsprozess, da sonst erst recht am Bestehenden festgehalten werde. SAP hat genau das getan und es zeigte sich, dass die auch mobilen Mitarbeiter gerne einen festen Arbeitsplatz im Unternehmen haben (was organisatorisch nicht notwendig gewesen wäre). So wurde es umgesetzt und die Mitarbeiterzufriedenheit ist dementsprechend hoch.

Die Work-Life-Balance zwischen ständiger Verfügbarkeit und möglicher Überwachung durch den Arbeitgeber bleibt für den mobilen Mitarbeiter eine Herausforderung, weswegen dies auch gesetzlich geregelt ist.

Den Trend, die Mitarbeiter länger auf dem Unternehmensgelände zu halten, so wie es beispielsweise Google mit einem verlockenden Angebot an Freizettäigkeiten und Annehmlichkeiten für die eigenen Angestellten versucht, sieht Franz Kühmayer äußerst kritisch. „Das sieht zwar auf den ersten Blick sehr verlockend aus. Aber wenn die Unternehmer ihre Mitarbeiter möglichst viel Zeit im Unternehmen halten wollen, bildet sich eine Blase: Die Mitarbeiter verlieren den Bezug zur Außenwelt. Aber erst durch den Kontakt mit der Außenwelt werden Menschen stimuliert und inspiriert, zwei notwendige Faktoren, um innovativ zu sein.“ Alle Art von Rückzug und Leben in einer Blase sei nicht gut, ist der Zukunftsforscher und Unternehmensberater überzeugt.

Herausforderung Komplexität

Genauso wenig wie der Mensch den raschen Anstieg exponentieller Reihen abschätzen kann, so schlecht kann er auch er Folgen und Auswirkungen komplexer System abschätzen. Um bei dem eingangs gebrachten Beispiel der Science-Fiction-Filme aus den 1960er Jahren zu bleiben: Wer hätte Google, Amazon oder Facebook vorhersagen können, geschweige denn ihre Wirkung auf unsere Wirtschaftswelt. Arbeitspläze wurden vernichtet und geschaffen, wobei Amazon wahrscheinlich mehr Jobs vernichtet und Google mehr geschaffen hat. Facebook und sogenannte soziale Medien veränderten die Art wie wir kommunizieren und mobile Apps schufen eine völlig neue Industrie, die unmittelbare Auswirkungen auf bestehende Branchen hat (z. B. Hotellerie → AirBnB; Taxiunternehmen → Uber etc.). Jetzt ist nicht nur der Mensch schon ein komplexes System, sondern auch die Arbeitswelt wird immer komplexer. Doch während in den vergangenen industriellen Revolutionen ein Mehr an Bildung vor Jobverlust durch Automatisierung und Rationalisierung schützte, verliere diese Regel in der aktuellen vierten Revolution zunehmend an Gültigkeit, sagt Kühmayer. „Wir können nicht mehr schneller oder besser denken als Maschinen und auch nicht mehr schneller oder besser lernen als Algorithmen.“ Bildung als Ausbildung gehe an den Anforderungen des Wandels vorbei. Kühmayer: „Wenn die Maschinen immer bessere Maschinen werden, müssen wir Menschen immer bessere Menschen werden.“ Der Mensch als soziales und kreatives Wesen müsse Kompetenzen wie kritisches Denken, Kommunikation, Kreativität, Initiative, aber auch soiale Kompetenz, Empathie und Vertrauen betonen. Tätigkeiten, die diese Skills erfordern, werden überleben, so Kühmayer. „Das wird auch zu einer gesellschaftlichen Neubewertung von Arbeit führen. Uns geht nämlich nicht die Arbeit aus, sondern maximal die bezahlte Erwerbsarbeit, wie wir sie heute kennen.“ Kühmayer prognostiziert: „Das Morgen wird sich in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik so sehr vom Heute unterscheiden, wie die monarchischen Agrargesellschaften vor der ersten industriellen Revolution von der proletarischen Industriegesellschaft danach.“ Für Unternehmen bedeutet das Mut zur Improvisation, zum Experimentieren und mehr Agilität.

Rechtlicher Rahmen für mobiles Arbeiten

Freiwilligkeit: Mitarbeiter müssen die Telearbeit wollen und zustimmen. Ein Arbeitsvertrag muss vorliegen. Die arbeitsrechtliche Stellung des Mitarbeiters ändert sich durch Telearbeit/mobiles Arbeiten nicht.

Beschäftigungsbedingungen: Es gilt der Kollektivertrag und alle gesetzlichen Bestimmungen (z.B.: Angestelltengesetz, Gleichbehandlungsgesetz, Urlaubsgesetz, Arbeitsgesetz)

Arbeitsmittel: Der Arbeitgeber muss dem Mitarbeiter alle Arbeitsmittel zur Verfügung stellen, warten und ihm die Kosten, wie zum Beispiel Telefon und Internet erstatten.

Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz: Der Arbeitgeber ist für Gesundheitsschutz und Sicherheit des Telearbeiters am Telearbeitsplatz verantwortlich. Er muss die Mitarbeiter zum Beispiel über gesundheitliche Auswirkungen von Bildschirmarbeit informieren.

Arbeitsorganisation: Auch für die Arbeit des Telearbeiters gelten Arbeitszeit- und Arbeitsruhegesetze. Zudem muss der mobile Mitarbeiter die Möglichkeit haben, regelmäßig seine Kollegen zu treffen.

Betriebsrat: Der Betriebsrat muss über die Einführung von Telearbeit/mobiles Arbeiten informiert und angehört werden. Die Kommunikation mit dem Betriebsrat, die Teilnahme und Bewerbung bei Betriebsratswahlen sowie die Teilnahme an Betriebsversammlungen muss den mobilen Mitarbeitern möglich sein.

Privatsphäre: Der Arbeitgeber hat die Privatsphäre des Telearbeitnehmers zu respektieren. Wird ein Überwachungssystem eingeführt und dadurch die Menschenwürde berührt, ist eine Betriebsvereinbarung notwendig. In betriebsratslosen Betrieben ist dafür eine Einzelvereinbarung mit dem Telearbeitnehmer abzuschließen. Wichtig: Die Kontrolle des Home Offices ist nur mit Zustimmung des Mitarbeiters möglich. Das gilt für Arbeitgeber, die Arbeitnehmervertreter sowie das Arbeitsinspektorat gleichermaßen.

Aus und Weiterbildung: Diese muss für Telearbeiter/mobile Mitarbeiter genau so zur Verfügung stehen wie für vergleichbare Mitarbeiter. Für Tele­arbeitnehmer gelten dieselben Beurteilungskriterien wie für andere Arbeitnehmer, die keine Telearbeit verrichten.

Datenschutz: Der Arbeitgeber muss geeignete Maßnahmen treffen, dass für berufliche Zwecke verarbeitete Daten bei mobiler Arbeit geschützt sind und zudem muss er den Telearbeiter über die Pflicht zur Einhaltung des Datenschutzes informieren.

Interview mit Martin Puaschitz, Obmann der der Wiener Fachgruppe UBIT der WKW

Können die rechtlichen Rahmenbedingungen in Österreich mit den dramatischen Veränderungen noch mithalten?

Martin Puaschitz: Die Transformation in der Arbeitswelt ist eine große Herausforderung. Vor allem, wenn es um flexible Arbeitszeiten und ortsunabhängiges Arbeiten geht. Wir sind nicht mehr im Fabrikzeitalter. Auch die Unterscheidung zwischen Werkvertrag und Dienstvertrag ist ein Thema, da sich hier die gesetzlichen Vorgaben noch an den Rahmenbedingungen der 1970er Jahre orientieren. Eines der wichtigsten Betriebsmittel ist Knowhow. Wir müssen den Menschen moderne Arbeitsbedingungen bieten und – wenn die Mitarbeiter zustimmen – auch in der IT-Branche eine Beschäftigung außerhalb der regulären Arbeitszeiten ermöglichen.

Was tun mit den zunehmend autonom agierenden Arbeitnehmern?

Wir müssen die Innovationskraft und den Wirtschaftsstandort stärken. Dem darf die Bürokratie nicht im Wege stehen. Starke Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter suchen eigene Lösungen – das kostet jedoch Zeit und Kraft. Besser wären flexible Rahmenbedingungen, die auf den echten Interessen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter basieren und nicht nur auf den Ideen der Berufs- und Gewerkschaftsfunktionäre und -funktionärinnen.

Ist Teleworking (also das Home Office) wirklich die alleinseligmachende Alternative für den „Mobile Worker“?

Die Möglichkeit zum Teleworking soll ein Zusatzangebot sein, nicht das Konzept an sich. Ein bis zwei Tage konzentriertes Arbeiten bei flexibler Zeiteinteilung für die Familie bietet für alle Betroffenen Vorteile. Es ist besser, wenn man zum Beispiel sein Kind vom Kindergarten oder der Schule abholen kann, um Zeit gemeinsam zu verbringen, als einander den ganzen Tag nicht zu sehen. Dafür sollte dann eben abends die Möglichkeit bestehen, noch ein bis zwei Stunden E-Mails zu beantworten. Teleworking allein wäre unlogisch und sogar ungesund. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fordern gerade die Abwechslung und Flexibilität. Das macht auch die Attraktivität eines Arbeitsplatzes aus.

Welche alternativen Arbeitsmodelle schlägt die WKO vor?

Wir fordern eine Neubewertung von Werkverträgen und Dienstverträgen, flexible Arbeitszeiten wie etwa den 12-Stunden-Tag und wieder verstärktes Investieren in die duale Ausbildung. Zudem müssen Bürokratie und KV-Regelungen, die teilweise absolut undurchsichtig sind, reduziert werden.

Der Artikel ist in transform! 01/2019 erschienen.


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