Die zwei Querdenker Nahed Hatahet und Marc Pieber haben zwar nicht den Stein der Weisen gefunden, was den digitalen Arbeitsplatz der Zukunft betrifft – doch sie sind offenbar nicht weit entfernt. Über die Alchemie eines erfolgreichen Unternehmens. [...]
Der digitale Wandel hat sehr wenig mit Technik zu tun, aber sehr viel mit der Veränderung des Menschen“, ist eine der Maxime von Nahed Hatahet, Gründer und Geschäftsführer von HATAHET productivity solutions. Dabei handelt es sich nicht um einen smarten Slogan der Marketing-Abteilung, sondern ist die Erkenntnis einer jahrelangen persönlichen wie auch beruflichen Transformation.
Seine Firma hat vor rund 15 Jahren als traditioneller Technologieanbieter begonnen und ist mit seinem hervorragenden Team sehr schnell zu einem der führenden SharePoint-Spezialisten Österreichs aufgestiegen. Für die meisten Unternehmer wäre damit ein wichtiger Meilenstein erreicht, man würde weiter wachsen, die Erfolge feiern und die Verantwortung für Projekte, die nicht so laufen wie geplant, elegant dem Kunden zuschieben, der es scheinbar nicht geschafft hat, die Mitarbeiter von der Genialität der Technik zu überzeugen.
Doch das ist nicht Hatahets Stil. Er nimmt es sehr persönlich, wenn seine Lösungen nicht restlos angenommen werden – und das ist gut so. Denn mit dieser Einstellung beginnen nicht nur spannende Geschichten, sondern man schafft auch die Voraussetzungen für eine erfolgreiche digitale Transformation.
Es geht um die Synapsen
Da Hatahet dorthin blickt, wo es schmerzt, wo sich Theorie und Praxis nicht in Einklang bringen lassen und die Mitarbeiter der Kundenunternehmen auch die besten technischen Lösungen ablehnen, konnte er in den letzten Jahren viel über die menschliche Psyche und die Funktionsweise von Organisationen lernen. Dazu kam die intensive Beschäftigung mit den Neurowissenschaften, die das bestätigen, was er in unzähligen Projekten beobachten konnte. Ob eine Umsetzung erfolgreich ist oder nicht, hängt maßgeblich vom Mindset aller Beteiligten ab – das betrifft unsere Synapsen und Nervenzellen und wie man diese neu vernetzt. „Ich erzähle gerne die Geschichte von dem Auto, in dem man einen Joystick statt dem Lenkrad einbaut. In der Theorie würde jeder damit fahren können, jeder würde die Zertifizierung schaffen, doch in der Praxis würde Chaos ausbrechen, weil unser Gehirn auf die Bedienung des Lenkrads trainiert ist. Es braucht also entsprechende Begleitmaßnahmen, die auf eine Dopamin-Ausschüttung abzielen, die wiederum den Lernprozess erleichtert“, sagt Nahed Hatahet im Gespräch mit transform! Damit hat Hatahet ein klar definiertes Ziel: Es geht bei der Transformation nicht darum, irgendeine Technologie einzuführen, sondern dass die Mitarbeiter mit Freude arbeiten. Menschen, die sich glücklich fühlen, sind produktiver und innovativer, lernen schneller und ziehen die Kollegen mit statt runter.
Kreatives Ökosystem
Ein natürliche Folge dieser Strategie ist, dass sich Nahed Hatahet zunehmend mit Menschen und Partnerfirmen umgibt, die unter anderem darauf spezialisiert sind, Technik mit der Welt der Emotionen zu verbinden. Diese ergänzen sein technisches Kernteam, das es immer wieder schafft, die oft hoch fliegenden Visionen des Chefs auf Schiene zu bringen. Zum erweiterten Ökosystem der Firma HATAHET gehören unter anderem Designer, Visualisierer, Storyteller, Spezialisten für Fragen der Gesundheit und Fitness sowie Experten für Büromöbel und Kunst.
Mit Marc Pieber nahm Hatahet einen Philosophen mit hoher Technikaffinität an Bord, der seit Anfang des Jahres die neu gegründete AI-Abteilung leitet.
Was vor fünf Jahren in der einen oder anderen IT-Firma noch für mitleidsvolle Mienen gesorgt hätte („Aha, Sie sind also Philosoph“), ist heute angesichts der Komplexität des Themas der künstlichen Intelligenz ein vollkommen logischer Schritt: Philosophie beschäftigt sich seit vielen Jahrhunderten mit dem ambivalenten Verhältnis von Mensch und Maschine (siehe dazu auch S. 28) und verleiht ethischen Fragen eine zentrale Bedeutung, was gerade beim Thema der künstlichen Intelligenz eminent wichtig ist.
Permanenter Wandel
Derart umfassend gerüstet gehen Nahed Hatahet und Marc Pieber daran, den Kunden die Aspekte der Unternehmenskultur und ihre Veränderung vor Augen zu führen. „Was wir feststellen, ist, dass das Thema für die meisten Unternehmen nicht greifbar, nicht messbar ist. Unser Job ist es, die Unternehmenskultur zu verändern, indem wir die Menschen direkt ansprechen. Dafür nutzen wir die unterschiedlichsten Methoden und Technologien“, so Hatahet. Dabei sei es wichtig, nicht nur das obere Management zu befragen, sondern auch die Mitarbeiter, denn Führungspersonen haben oft keine konkrete Vorstellung über die wahren Bedürfnisse ihrer Teams. „Wir arbeiten heraus, welche Informationen die Mitarbeiter zu welchem Zeitpunkt und in welcher Form benötigen. Die Ergebnisse gleichen wir anschließend mit der geplanten Unternehmensstrategie ab.“ Entscheidend für eine erfolgreichen Wandel der Unternehmenskultur sei es jedenfalls, dass dieser vom Management vorgelebt wird.
Ein weiterer Aspekt der Bewusstmachung gilt der Definition von digitaler Transformation: „Diese ist für uns kein Projekt, sondern die Etablierung eines Wandlungsprozesses, der die Transformation permanent begleitet. Tatsache ist, dass sich die Welt ständig ändert. Das sieht man auch an den Business-Modellen. Viele Unternehmen sind wie riesige Ozeandampfer unterwegs, die auf Veränderungen nur schwer reagieren können. Sinnvoller wäre es, den Dampfer in viele kleine Motorboote aufzuteilen, die wesentlich agiler und flexibler sind. Das ist auch in der IT möglich: Tools, die sich gleichsam biegen und an die DNA des Unternehmens und der einzelnen Mitarbeiter anpassen lassen. Damit betreten wir das Universum von künstlicher Intelligenz und Bots“, sagt Nahed Hatahet.
AI als logische Ergänzung
Der AI-Spezialist Marc Pieber weist darauf hin, dass wir eine Welt geschaffen haben, in der sich der Mensch der Technik unterworfen hat. „AI gibt uns etwas an die Hand, das wir in den Jahrtausenden der Technikgeschichte noch nie hatten: Zum ersten Mal müssen wir nicht lernen, wie wir Maschinen bedienen, sondern die Maschine lernt von uns, damit sie uns bestmöglich bei der Arbeit unterstützt. Das heißt, dass wir uns menschlich verhalten können, ohne uns verbiegen zu müssen. Das hat eine komplett neue Qualität.“ Natürlich gebe es die Angst vor dem Unbekannten und die möglichen negativen Folgen neuer Technologien, ergänzt Pieber. Dies gehöre auf politischer und gesellschaftlicher Ebene diskutiert. „Deshalb muss man nicht gleich das Ende der Menschheit voraussagen.“
Marc Pieber erinnert daran, dass sich das Rad nicht mehr zurückdrehen lässt, wenn Technologien einmal etabliert sind. „Daher müssen wir uns einmal mit den Benefits, die etwa AI bietet, auseinandersetzen und erkennen, dass die Transformation es tatsächlich geschafft hat, den Menschen in den Fokus zu stellen.“ Als Beispiel nennt er das Verschwinden der traditionellen Interfaces, für die sich der User verbiegen muss. „Statt mit Tastatur und Maus werden wir mit Computern in natürlicher Sprache oder Gestik kommunizieren. Wir werden finden statt suchen und das Terminmanagement während unseres Morgenlaufs erledigen lassen.“
Nahed Hatahet ergänzt den Vorteil der Inklusion: „Intelligente Computersysteme werden kognitive Schwächen ausgleichen können. Oder Schwerhörige profitieren heute schon davon, dass Videos mit automatisiert erstellten Untertitel ausgeben werden können. Computersysteme werden es außerdem schaffen, die dummen, einfachen Arbeiten zu übernehmen.“
Diese Mehrwerte, die der digitale Arbeitsplatz der Zukunft jedem einzelnen Mitarbeiter bietet, gilt es laut Hatahet und Pieber herauszustreichen, um einen erfolgreichen Kulturwandel anzustoßen. Dazu kommen flankierende Maßnahmen wie Storytelling, die alle ein Ziel haben: Glückliche Mitarbeiter, die ihren Job gerne machen.
„Die Maschine wird zum Kollaborationspartner“
HATAHET hat seine AI-Division vor kurzem als natürliche Erweiterung des digitalen Arbeitsplatzes der Zukunft ins Leben gerufen. Geleitet wird sie von Marc Pieber, der mit breitgefächerter Expertise in den Bereichen Philosophie, Soziologie und digitaler Transformation punktet. Sein Credo: »Künstliche Intelligenz wird das Verhältnis des Menschen zur Technik fundamental verändern. Die Maschine verliert ihren instrumentellen Charakter und wird zum Kollaborationspartner.« Weitere Experten des AI-Teams sind Michael König und Georg Selig.
Das AI-Portfolio der Fa. HATAHET deckt angesichts der Komplexität des Themas ein großes Spektrum ab: Es reicht von strategischer Unternehmensberatung und Schulungen bis zur technischen Umsetzung.
Angesichts der aktuellen Unsicherheit, der hohen Komplexität des Themas und der zahlreichen Missverständnisse, die heute mit dem Thema AI verbunden sind, nimmt Consulting naturgemäß eine wesentliche Rolle ein: „Wir klären durch Workshops bei unseren Kunden vor Ort darüber auf, was AI überhaupt ist. Dabei beleuchten wir neben Entscheidungsgrundlagen, strategischen Themen bei AI-Projekten und ethischen Fragen auch Methoden für Transformations-Management, internes Marketing, Storytelling und Datenschutz.“ Die Entwicklung von intelligenten Tools runden das Angebot ab.
Der Artikel ist in transform! 01/2019 erschienen.
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