„KI im BI-Bereich ist ein Game Changer“

Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz bietet im Bereich der Business Intelligence enorme Potenziale. Im Rahmen des Roundtable „BI: Mit KI die eigenen Daten optimal nutzen“ sprach die ITWelt.at mit Nikolaus Marek,Technical Sales Leader bei IBM Österreich, der Datenqualität, Governance und domänenspezifisches Wissen sowie realistische Erwartungen als entscheidend erachtet, um Vertrauen und nachhaltigen Mehrwert zu schaffen. [...]

Nikolaus Marek,Technical Sales Leader bei IBM Österreich (c) timeline/Rudi Handl
Nikolaus Marek,Technical Sales Leader bei IBM Österreich (c) timeline/Rudi Handl

Wo stehen wir mit KI im BI-Bereich? 

Wie in vielen Bereichen ist KI auch in der BI ein Game Changer. Laut Studien setzt sich ungefähr nur ein Viertel der Mitarbeitenden in den Unternehmen aktiv mit der Nutzung von BI-Systemen auseinander. Das ist relativ wenig, wenn man bedenkt, dass es darum geht, Entscheidungen basierend auf einer soliden Datenbasis zu treffen. KI eröffnet heute die Möglichkeit, direkt mit Daten zu interagieren. Das ist für die Nutzer ein großer Vorteil. Anstatt lange nach Dashboards zu suchen, können Anwender Fragen in natürlicher Sprache stellen und erhalten sofort Insights. Dies demokratisiert den Zugang zu Daten und schafft neue Entscheidungsmöglichkeiten.

Wie wichtig ist es, Domänenwissen in die KI-Anwendungen einzubinden?

Sehr wichtig. Denn ein produzierendes Unternehmen ist nicht gleich ein produzierendes Unternehmen: Während der eine Betrieb Stahlträger fertigt, stellt ein anderer Medikamente her. Diese Unterschiede müssen sich in der Datenbasis widerspiegeln. Jedes Unternehmen hat spezifische Begrifflichkeiten und Prozesse. Deshalb braucht es ein Business-Glossar, das schafft einheitliche Begrifflichkeiten im Unternehmen und stellt sicher, dass identische Werte auch identisch interpretiert werden. Nur so können auf dieser Grundlage konsistente und fundierte Entscheidungen getroffen werden. In unserer Lösung watsonx BI adressieren wir diesen Bedarf durch einen Governed Semantic Layer, der die Basis für einheitliche Dateninterpretationen bildet.

Mithilfe von KI können Daten zunächst automatisiert analysiert und mit ersten Schlagworten versehen werden. Diese Beschlagwortung ist jedoch nur der Ausgangspunkt. Entscheidend ist die Erweiterung und Anreicherung um relevante fachliche Kontexte, sodass daraus geschäftsrelevante Insights generiert werden können. Auf diese Weise entsteht nicht nur ein Effizienzgewinn durch schnelle Exploration, sondern vor allem ein nachhaltiger Nutzen: Die Daten werden in der jeweiligen Unternehmensdomäne strategisch verwertbar.

Ein weiterer Mehrwert liegt in der Operationalisierung der Ergebnisse: Aus explorativen Analysen lassen sich Dashboards erstellen, die anderen Fachbereichen zur Verfügung stehen. Denn niemand möchte täglich dieselbe Konversation mit den Daten führen; vielmehr braucht es verdichtete, jederzeit verfügbare Informationsinstrumente.

Ein anschaulicher Vergleich ist das Autofahren: Fahrerinnen und Fahrer erwarten, zentrale Informationen wie Geschwindigkeit, Tankfüllstand oder – im Fall von Elektrofahrzeugen – die verbleibende Reichweite direkt im Blick zu haben. Niemand möchte sein Auto jedes Mal explizit danach fragen. Übertragen auf Business Intelligence bedeutet das eine Verbindung aus klassischen Dashboards und explorativen Analyseansätzen – jedoch stets ergänzt durch das domänenspezifische Wissen, das die Ergebnisse überhaupt erst nutzbar und strategisch relevant macht.

Warum ist es bei Künstlicher Intelligenz wichtig, Vertrauen und Nachvollziehbarkeit zu schaffen? Und wie kann man verhindern, dass KI „halluziniert“?

Unser Ansatz bei IBM ist es, kleinere Modelle zu verwenden, die ausschließlich mit kuratierten Enterprise-Daten trainiert werden. So lassen sich bessere und verlässliche Ergebnisse im Business-Kontext erzielen. Ein Beispiel dafür sind unsere Granite-Modelle, die integrativer Bestandteil von watsonx BI sind.

Entscheidend ist für uns außerdem Flexibilität: Wir verlassen uns nicht nur auf ein einzelnes Modell, sondern prüfen auch Open-Source-Modelle. Wenn ein Open-Source-Modell bessere Resultate liefert und sich einfacher mit unserer Business-Logik trainieren lässt, setzen wir es ein. Darum haben wir watsonx BI auf unserem AI-Stack und nicht auf Basis von Cognos aufgebaut. Damit können wir Modelle austauschen und weiterentwickeln – ein wichtiger Baustein für vertrauenswürdige KI. 

Derzeit stellen wir unsere Modelle und Llama-Modelle zur Verfügung. In Zukunft kann man auf Basis watsonx.ai Open Source-Modelle, die auf Hugging Face zur Verfügung stehen, verwenden. Also Flexibilität im Enterprise-Kontext.

Nikolaus Marek im Gespräch
mit der ITWelt.at.
(c) timeline/Rudi Handl

Wie schnell kann man denn so ein Modell auswechseln? 

Das kann ich nicht genau sagen. Das ist davon abhängig wie weit die Modelle bereits integriert sind und auch von der Performance des neuen Modells. Grundsätzlich geht es aber relativ rasch. Wichtig ist, die Ergebnisse gründlich zu testen, bevor man endgültig umstellt. In der Praxis tauschen wir Modelle regelmäßig, weil sich die Technologien so schnell weiterentwickeln.

Wie sieht die Rolle des Menschen hinsichtlich KI aus?

Ich glaube, der Mensch wird immer der Entscheider bleiben. Wir betrachten die KI als Partner, der beratend unterstützt. Dazu gehört vollständige Transparenz über die Schritte, die ein System durchführt: Welche Frage hat die KI interpretiert? Auf welches Datenset greift sie zu? Welche Query wird ausgeführt? So kann der Nutzer den gesamten Prozess nachvollziehen.

Diese Partnerschaft zwischen Mensch und KI führt auch dazu, dass sich die Rollen in Unternehmen verändern. Es braucht Data Stewards, die Datenqualität sichern, ebenso wie Mitarbeitende, die zielgerichtete Fragen stellen, um das Business voranzubringen. Data Teams müssen anders zusammenarbeiten als bisher, weil im Unternehmen ein anderer Zugriff auf die Daten möglich ist. 

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist Governance. Unsere Strategie basiert auf kontinuierlichem Monitoring von KI-Modellen: Entwickeln sie Bias? Gibt es Drifts? Wie wird die regulatorische Nachvollziehbarkeit gewährleistet, etwa im Hinblick auf den EU-AI-Act oder die DSGVO? Gerade in regulierten Branchen, wo viele unserer Kunden herkommen, ist es unverzichtbar, dass Unternehmen jederzeit berichten können, auf welcher Basis Entscheidungen zustande gekommen sind.

Fazit: Die Zusammenarbeit wird sich in den Unternehmen bis zu einem gewissen Grad ändern müssen – und wir müssen aus den Silos herauskommen.

Kann Compliance auch als Vorteil und Investitionssicherheit betrachtet werden?

Ja, definitiv. Für Investoren bedeutet Compliance Investitionssicherheit, weil sie auf klaren Regeln basiert. Wenn Unternehmen den EU-AI-Act in ihre BI-Strategien integrieren, erfüllen sie die regulatorischen Anforderungen und schaffen damit einen Wettbewerbsvorteil. Eine zertifizierte Lösung kann in Europa nicht nur bestehen, sondern auch verkauft werden. Damit wird Compliance vom Kostenfaktor zum echten Benefit.

Wie verhält es sich mit internationalem Wettbewerb?

Hier wird es spannend. Wenn Unternehmen aus Übersee Lösungen anbieten, die technisch überlegen wirken, entsteht ein Spannungsfeld: europäische Anbieter müssen trotz strenger Compliance mit Innovation und Qualität überzeugen.

Wirtschaftlichkeit ist ein zentrales Kriterium. Wie misst man den Erfolg von KI- und BI-Initiativen und worin zeigt er sich konkret?

Der Erfolg lässt sich aus zwei Blickwinkeln betrachten. Erstens geht es um Effizienzsteigerung. Diese erreichen wir etwa durch die Automatisierung von Abfragen oder die Verkürzung der time-to-insight. Self-Service-BI ermöglicht es zudem, dass Fachabteilungen schneller auf relevante Erkenntnisse zugreifen können, was das Unternehmen insgesamt agiler macht.

Zweitens sehe ich den strategischen Nutzen. Datenbasierte Entscheidungen beschleunigen nicht nur Prozesse, sondern verändern auch die Art, wie Organisationen arbeiten. Ein Beispiel: Wenn ich erkenne, dass eine Produktlinie nicht erfolgreich ist – sei es wegen der falschen Farbe oder ineffizienter Lagerhaltung – kann ich daraus unmittelbar bessere Geschäftsentscheidungen ableiten. Effizienzgewinne und strategische Neuausrichtung sind daher die beiden Eckpfeiler zur Bewertung des Erfolgs.


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