KI in der Videoüberwachung: Potenziale, Herausforderungen und ethische Fragen

Künstliche Intelligenz verändert die Videoüberwachung grundlegend und könnte künftig nicht nur die Sicherheit und Effizienz verbessern, sondern auch neue Formen der Geschäftsanalyse ermöglichen. ITWelt.at hat sich die Studie angesehen. [...]

Verantwortungsvolle KI ist laut Studie keine Option, sondern eine Notwendigkeit – insbesondere im sensiblen Bereich der Überwachung. (c) Pexels
Verantwortungsvolle KI ist laut Studie keine Option, sondern eine Notwendigkeit – insbesondere im sensiblen Bereich der Überwachung. (c) Pexels

Die Studie „The State of AI in Video Surveillance“ von Axis Communications basiert auf über 5.800 Umfrageteilnahmen weltweit sowie auf elf ausführlichen Interviews mit ausgewählten KI-Expertinnen und -Experten aus dem Partnernetzwerk des Unternehmens. Sie analysiert aktuelle Entwicklungen im Bereich KI-gestützter Videoüberwachung und zeigt zentrale Trends, Chancen und Risiken auf. Dabei werden neben technologischen Aspekten auch ethische und regulatorische Rahmenbedingungen beleuchtet.

KI im Fokus von Sicherheitsverantwortlichen

Die Studienautoren stellen fest, dass Cybersicherheit, Datenschutz und Risiken im Zusammenhang mit der Nutzung von KI aktuell oberste Priorität bei Endkunden und Vertriebspartnern genießen. 61 Prozent der befragten Endkunden und 62 Prozent der Partnerunternehmen nennen diese Themen als zentrale Herausforderungen. Ebenso bedeutsam werden KI und insbesondere generative KI-Technologien eingestuft – jeweils 34 Prozent der Endkunden und 62 Prozent der Partner sehen darin einen relevanten Trend für ihre Branche. Auch sogenannte „Analytics & Actionable Insights“, also nutzbare Datenanalysen, werden von rund der Hälfte der Befragten als wichtige Entwicklung genannt.

Auffällig ist, dass insbesondere Führungskräfte auf Seiten der Vertriebspartner KI und generative KI mit großer Relevanz verknüpfen: Zwei Drittel der Manager sehen darin den wichtigsten Treiber für Veränderungen im Bereich Videoüberwachung.

Regionale Unterschiede bei der KI-Einführung

Ein zentrales Ergebnis der Experteninterviews ist, dass das Interesse an KI in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat. Dennoch befindet sich die praktische Umsetzung vielerorts noch im Anfangsstadium. Märkte wie die USA, Japan, Singapur sowie einzelne europäische Länder gelten als Vorreiter – dort sind Kunden eher bereit, in KI-gestützte Lösungen zu investieren. Entscheidend für den Fortschritt sind laut Studie neben der technologischen Reife auch regulatorische Rahmenbedingungen und die Investitionsbereitschaft.

Hybride Architekturen aus Edge und Cloud setzen sich durch

Die Transformation von lokal betriebenen Serversystemen hin zu hybriden Architekturen mit Cloud- und Edge-Komponenten schreitet weiter voran. Während Edge-KI, also KI-Anwendungen direkt auf Kameras oder lokalen Geräten, eine schnelle Verarbeitung und geringe Latenz ermöglichen, bietet die Cloud Vorteile bei Skalierbarkeit und Verwaltung komplexer Installationen. Die Kombination beider Ansätze gilt mittlerweile als bevorzugte Strategie vieler Unternehmen.

Durch die Verarbeitung von Daten nahe an der Quelle lassen sich Bandbreitenanforderungen reduzieren und Echtzeitanwendungen wie die Sicherheitsüberwachung effizienter gestalten. Die hybride Architektur wird daher als wegweisend für die zukünftige Entwicklung der Videoüberwachung bewertet.

Multimodale Datenanalyse für bessere Entscheidungen

Ein weiteres zentrales Thema ist die Integration verschiedener Datenquellen. KI-Systeme, die nicht nur Video-, sondern auch Audio-, Umwelt- und Bewegungsdaten auswerten, können laut Studie ein umfassenderes Lagebild liefern. Dies soll nicht nur die Reaktionsfähigkeit im Notfall verbessern, sondern auch präzisere Vorhersagen und fundierte Entscheidungen ermöglichen.

Insbesondere in kritischen Situationen wie Evakuierungen könnten solche Systeme durch die Kombination visueller und auditiver Daten Vorteile bieten. Die Studienautoren sprechen in diesem Zusammenhang von einem „menschenähnlichen“ Analyseansatz, der der menschlichen Wahrnehmung nachempfunden sei.

Gesichtserkennung auf dem Prüfstand

Gesichtserkennung zählt zu den am weitesten verbreiteten KI-Anwendungen in der Videoüberwachung – insbesondere in asiatischen Ländern. In Europa, Nordamerika sowie Australien und Neuseeland gestaltet sich der Einsatz hingegen zurückhaltender. Der Grund: striktere Datenschutzvorgaben und öffentliche Skepsis.

Trotz dieser Unterschiede prognostiziert die Studie einen zunehmenden Einsatz weltweit. Entscheidend sei dabei die transparente und regelkonforme Anwendung. Die Interviewpartner betonen, dass Gesichtserkennung mit den richtigen Rahmenbedingungen verantwortungsvoll eingesetzt werden könne – etwa durch klare Anwendungsrichtlinien und transparente Kommunikation.

KI als Katalysator für Effizienz und Geschäftsanalyse

Netzwerkkameras entwickeln sich zunehmend zu datengenerierenden Sensoren. Durch die Integration von KI-fähigen Edge-Geräten mit Cloud-Ressourcen entsteht laut Studie ein neues Paradigma in der Videoüberwachung. Die Anwendungen reichen von der Optimierung von Verkaufsflächen über die Analyse von Besucherströmen bis hin zur Verwaltung von Ressourcen und Assets in Echtzeit.

Neben Effizienzgewinnen durch Prozessautomatisierung und besserer Ressourcenzuteilung wird auch ein Rückgang der Betriebskosten erwartet. Vor allem in Bereichen wie Einzelhandel, Logistik und Produktion scheinen KI-gestützte Videosysteme bereits heute einen spürbaren Mehrwert zu liefern.

Zwischen Anspruch und Realität: Herausforderungen bei der Integration

Trotz des wachsenden Interesses bleibt die technische Integration von KI eine große Herausforderung. Häufig besteht eine Diskrepanz zwischen Kundenanforderungen und den tatsächlichen Leistungsfähigkeiten der Systeme. Ein Beispiel: Anwendungen wie Kennzeichenerkennung oder Anomaliedetektion liefern oft eine Genauigkeit von 85 bis 95 Prozent – viele Kunden erwarten jedoch fehlerfreie Ergebnisse.

Die Auswahl geeigneter Hard- und Softwarelösungen sowie deren Kompatibilität mit bestehenden Systemen gestaltet sich komplex. Insbesondere bei der Gesichtserkennung oder Bewegungsanalyse sei es entscheidend, Erwartungen realistisch zu steuern und Vertrauen durch offene Kommunikation zu schaffen.

Zusammenarbeit als Erfolgsfaktor

Ein zentrales Ergebnis der Interviews ist, dass Partnerschaften auf Augenhöhe, bei denen ethische Werte und Zielvorstellungen übereinstimmen, für eine verantwortungsvolle KI-Nutzung entscheidend sind. Entwickler, Integratoren und Endanwender sollten von Beginn an gemeinsam an Lösungen arbeiten, um sicherzustellen, dass die Technologien zweckdienlich, verständlich und ethisch vertretbar sind.

Ein Beispiel hierfür sind kollaborative Überwachungsprojekte, bei denen Kunden aktiv in Design und Weiterentwicklung eingebunden sind. Diese enge Abstimmung soll nicht nur die Akzeptanz erhöhen, sondern auch die Praxistauglichkeit der Lösungen verbessern.

Verantwortung und Ethik im Zentrum

Verantwortungsvolle KI ist laut Studie keine Option, sondern eine Notwendigkeit – insbesondere im sensiblen Bereich der Überwachung. Die größten Risiken sehen die Befragten in verzerrten Entscheidungsgrundlagen (Bias), Datenschutzverletzungen und der potenziellen Fehlanwendung sensibler Technologien.

Die Entwicklung solcher Systeme sollte daher von Beginn an Prinzipien wie Fairness, Transparenz und Datenschutz folgen. Die EU-KI-Verordnung wird in der Studie als wegweisend bezeichnet – viele Teilnehmer begrüßen die Regulierung, weil sie Klarheit schafft und verantwortliche Nutzung fördert. Gleichzeitig fordern einige eine stärkere Regulierung auch außerhalb Europas.

Transparenz – etwa darüber, wie eine KI Entscheidungen trifft oder welche Daten verarbeitet werden – gilt als zentrales Mittel zur Vertrauensbildung. Ebenso wichtig sei der sogenannte “Human-in-the-Loop”-Ansatz: KI soll Menschen unterstützen, nicht ersetzen. Entscheidungsprozesse – vor allem in sicherheitskritischen Kontexten – müssen menschlich überwacht bleiben.

Wohin entwickelt sich KI in der Videoüberwachung?

Trotz der rasanten Entwicklung bleiben die künftigen Trends schwer vorhersehbar. Die Studie skizziert jedoch drei wahrscheinliche Richtungen:

  • 1. Generative KI: Diese Systeme könnten künftig komplexe Prozesse automatisieren, Sicherheitsvorfälle simulieren oder bei der Planung und Konfiguration von Überwachungssystemen helfen. Erste Anwendungen zur Verbesserung der Situationswahrnehmung existieren bereits.
  • 2. Effizientere KI-Pipelines: Der Fokus verschiebt sich laut Studie weg von immer größeren Modellen hin zu intelligenteren, ressourcenschonenderen Architekturen. Dies könnte insbesondere für Edge-Anwendungen relevant werden.
  • 3. Konvergenz von KI und IoT: Die Kombination aus Video-, Audio-, Bewegungs- und Temperatursensoren ermöglicht laut Studie eine intelligentere, proaktivere Überwachung. Diese Systeme könnten komplexe Sicherheitslagen in Echtzeit erfassen und darauf reagieren.

Das Fazit der ITWelt-Redaktion

Die Studie zeigt eindrucksvoll, wie vielfältig und weitreichend die Einsatzmöglichkeiten von KI in der Videoüberwachung sind. Sie verdeutlicht jedoch auch, dass technologische Machbarkeit allein nicht ausreicht – vielmehr braucht es klare ethische Leitlinien, verlässliche Partnerschaften und regulatorische Rahmenbedingungen. Besonders wichtig ist der verantwortungsvolle Umgang mit sensiblen Technologien wie der Gesichtserkennung, bei der Transparenz und Datenschutz im Vordergrund stehen müssen.

Für Unternehmen, die in KI-gestützte Videoüberwachung investieren wollen, bietet der Bericht eine fundierte Orientierung über aktuelle Entwicklungen und potenzielle Stolpersteine. Die zunehmende Integration von generativer KI, multimodalen Datenquellen und IoT-Technologien dürfte die Branche in den kommenden Jahren weiter transformieren.

Die Studie kann hier heruntergeladen werden.


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