Amazon-CEO Andy Jassy präsentiert seinen zweiten Aktionärsbrief. Darin blickt er auf 2022 als eines der "schwierigsten makroökonomischen Jahre der jüngeren Vergangenheit" zurück und nennt Strategien, mit denen er Amazon zukunftssicher aufstellen will. [...]
„Der Wandel steht immer vor der Tür. Manchmal lädt man ihn proaktiv ein, und manchmal klopft er einfach an. Aber wenn man ihn kommen sieht, muss man ihn annehmen“.
Andy Jassy blickt in seinem jährlichen Aktionärsbrief, seinem bisher zweiten als CEO, auf die vergangenen Jahre, vor allem aber das Jahr 2022 zurück, das eines der schwierigsten makroökonomischen Jahre der jüngeren Vergangenheit gewesen sei. Trotz operativer Herausforderungen sei es Amazon aber dennoch gelungen, die Nachfrage zu steigern.
Man habe dafür Geschäftsbereiche sondiert, verschlankt und wisse nun, mit welchen Zielen und Produkten man in die Zukunft gehe.
„In den letzten Monaten haben wir das gesamte Unternehmen gründlich unter die Lupe genommen, Geschäftsbereich für Geschäftsbereich (…) und uns gefragt, ob wir von dem langfristigen Potenzial der einzelnen Initiativen überzeugt sind und genügend Umsatz, Gewinn, freien Cashflow und Rendite auf das investierte Kapital erzielen“, so Jassy.
Eingestellt wurden im Zuge dessen beispielsweise Konzepte für physische Geschäfte wie die Bookstores und die sogenannten „4 Star Stores“, ebenso wie die Sub-Unternehmen Amazon Fabric und Amazon Care. Insgesamt wurden 27.000 Menschen entlassen.
Herausforderungen: Fulfillment
Eine Herausforderung bleiben die steigenden Fulfillment-Kosten. Aufgrund der wachsenden Nachfrage in Corona-Zeiten waren die Kosten für den Ausbau der Fulfillment Center in den vergangenen zwei Jahren nahezu verdoppelt worden; zudem musste das Transportnetz für die letzte Meile schnell ausgebaut werden.
Hier habe man in den vergangenen Monaten nun „jeden Prozesspfad in unseren Fulfillment-Zentren und unserem Transportnetzwerk unter die Lupe genommen und eine Vielzahl von Prozessen und Mechanismen neu gestaltet, was in den letzten Quartalen zu stetigen Produktivitätssteigerungen und Kostensenkungen geführt hat.“
Ein Ergebnis davon ist beispielsweise auch die Entscheidung, in den USA von einem nationalen Fulfillment-Netzwerk, das den Bestand über das ganze Land an die Fulfillment-Zentren verteilte, in einen regionalisierten Netzwerkmodus zu schalten. Das führte zu kürzeren Transportwegen, geringeren Lieferkosten, einer geringeren Umweltbelastung und zu einer schnelleren Auslieferung der Bestellungen. 2023 will man nun die „schnellsten Prime-Liefergeschwindigkeiten aller Zeiten“ erreichen.
Hoffnungsträger
Amazons Cloud-Computing-Sparte AWS befände sich noch in den Anfängen seiner Entwicklung und habe die Chance auf ein „außergewöhnliches Wachstum im nächsten Jahrzehnt“.
Hoffnungsträger sei auch der Bereich Advertising. Der Werbeumsatz wachse weiterhin schnell (23 Prozent im 4. Quartal 2022, 25 Prozent im Gesamtjahr 2022 bei einer Umsatzbasis von 31 Milliarden US-Dollar), auch wenn sich das Wachstum der meisten großen Advertiser in den letzten Quartalen verlangsamt habe.
Darüber hinaus sei auch Amazon Business ein Bereich, in dem man in Sachen E-Commerce- und Logistik-Kompetenz gut aufgestellt sei, um das Marktsegment zu bedienen. Amazon Business wurde 2015 eingeführt und erzielt heute einen jährlichen Bruttoumsatz von rund 35 Milliarden US-Dollar. Mehr als sechs Millionen aktive Kunden würden das Angebot nutzen.
Hoffnungsträger in den USA ist für Jassy das D2C-Angebot „Buy with Prime„. Online-Händler können mit der Funktion einen „Buy with Prime“-Button in ihre Shops integrieren und ihre Bestellungen via Amazon in Prime-Qualität abwickeln lassen – also mit kostenloser 24-Stunden-Lieferung und Rücksendung.
Die Option steht seit Anfang des Jahres allen US-Händlern zur Verfügung, und bisher habe Buy with Prime die Konversionsrate der Käufer auf Shopping-Websites von Drittanbietern um durchschnittlich 25 Prozent erhöht.
Künstliche Intelligenz
Nicht schwer zu erahnen ist, dass auch der KI-Bereich zu den großen Zukunftsvisionen des Amazon-CEO gehört. Vor allem investiere man in Large Language Models („LLMs“) und generative KI. Generative KI basiert auf sehr großen Sprachmodellen (die mit bis zu Hunderten von Milliarden Parametern trainiert werden, Tendenz steigend), die sich auf umfangreiche Datensätze stützen, und verfügt über weitreichende Abruf- und Lernfähigkeiten.
Amazon nutze maschinelles Lernen seit 25 Jahren und setzt es in allen Bereichen ein, von personalisierten E-Commerce-Empfehlungen über Kommissionierung im Fulfillment Center und Drohnen für Prime Air bis hin zu Alexa und AWS. „Wir arbeiten schon seit einiger Zeit an unseren eigenen LLMs und sind davon überzeugt, dass sie praktisch jedes Kundenerlebnis verändern und verbessern werden, und wir werden weiterhin erheblich in diese Modelle für alle unsere Verbraucher-, Verkäufer-, und Markenerlebnisse investieren“, so Jassy.
Darüber hinaus demokratisiere man diese Technologie, wie man es bei AWS schon seit Jahren tue, damit Unternehmen jeder Größe die generative KI nutzen können.
„Ich bin fest davon überzeugt, dass wir unsere besten Tage noch vor uns haben, und ich freue mich darauf, mit meinen Teamkollegen bei Amazon daran zu arbeiten“, schließt Andy Jassy ab. Er sei optimistisch, dass man aus der Krise stärker hervorgehe als man sie begonnen habe.
Dafür seien vor allem zwei Entwicklungen relevant. Erstens verlagere sich der Handel weiter zunehmend ins Web und zweitens wandern IT-Infrastrukturen zunehmend in die Cloud. Zwei Bereiche, in denen Amazon passenderweise ein Wörtchen mitzureden hat.
*Susanne Gillner ist Chefredakteurin der INTERNET WORLD. Sie begleitet die Marke seit über zehn Jahren und schreibt über Themen wie E-Commerce, Online Marketing und Social Media.
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