KI-Washing: Softwareanbieter pimpen ihre Produkte und bedienen den Hype

Nahezu jeder Softwareanbieter heftet heute seinen Produkten das Label KI an. Gartner moniert, die Anwender würden oft getäuscht. Der Fokus müsse auf konkrete Problemlösungen im Business gelegt werden. [...]

Die Analysten prognostizieren, dass Technologien rund um künstliche Intelligenz (KI) bis 2020 Teil fast jedes neuen Softwareprodukts oder -service sein werden. Der Hype um das Thema sowie das wachsende Interesse vieler Anwenderunternehmen bringen etablierte Softwareanbieter dazu, KI in ihre Produktstra­tegie zu integrieren. Doch dabei entsteht erhebliche Verwirrung, konstatieren die Experten des IT-Research- und Beratungsunternehmens.
„Viele Softwareanbieter wollen ihren Claim im größten Goldrausch der letzten Jahre abstecken“, sagt Jim Hare, Research Vice President bei Gartner. Die künstliche Intelligenz biete tatsächlich spannende Möglichkeiten, doch leider konzentrierten sich die meisten Anbieter nicht darauf, die Bedürfnisse, den potenziellen Nutzer und den Mehrwert für ihre Kunden zu identifizieren. Lieber bauten sie einfach irgendwelche auf KI-basierenden Produkte, um auf der Hype-Welle mitzusurfen.
Interesse der Anwender
Das Interesse am Thema KI sei geradezu explodiert – Gartner erkennt das auch an den Sucheingaben auf der eigenen Website. Tauchte der Suchbegriff „Artificial Intelligence“ im Januar noch nicht einmal unter den 100 häufigsten Suchbegriffen auf, rangierte er im Mai 2017 bereits auf Platz sieben. Die Marktauguren werten diese Entwicklung als Hinweis, dass die Anwenderunternehmen verstehen wollen, welche Rolle KI im Rahmen ihrer digitalen Transformation spielen kann oder sollte. Gartner geht davon aus, dass KI bis zum Jahr 2020 für rund ein Drittel aller CIOs weltweit unter den obersten fünf Investitionsprioritäten zu finden sein wird.
Damit Anwender aber die Chancen wirklich ergreifen können, muss sich die Art und Weise ändern, wie die Anbieter an den Markt herangehen, fordern die Analysten. Mehr als 1.000 Hersteller von Applikationen und Softwareplattformen bezeichnen sich heute als KI-Anbieter oder behaupten, ihre Produkte enthielten KI, so die Marktforscher. Dieses plötzliche Aufkommen angeblicher Experten, die KI-Produkte im Portfolio zu haben behaupten, nerve die Anwender zusehends. Dazu komme, dass viele Hersteller das Label willkürlich und unüberlegt an ihre Produkte hefteten.
Begriff KI sorgfältig verwenden
„Es wäre gut, wenn die Anbieter den Begriff KI in ihren Vertriebs- und Marketing-Unterlagen sorgfältiger verwendeten“, empfiehlt Gartner-Analyst Hare. Aus den Produktbeschreibungen müsse klar hervorgehen, was die jeweilige KI-Komponente ausmache, welches Problem sie löse und wie sie sich von konkurrierenden Produkten unterscheide. Geschürt werde die Verunsicherung im Markt auch dadurch, dass weitere Buzzwords wie beispielsweise Deep Learning ebenfalls um sich griffen. Auch hier machten die Hersteller nicht verständlich, worin der Mehrwert dieser Technologien liege.
Unternehmen suchen heute vor allem nach KI-Lösungen, die Geschäftsentscheidungen unterstützen und Prozesse automatisieren, will Gartner im Rahmen einer Umfrage herausgefunden haben. Dabei bevorzugen sie integrierte Lösungen beziehungsweise speziell für bestimmte Problemstellungen geschnürte Pakete. Softwareanbieter sollten sich daher darauf konzentrieren, mit ihren KI-Lösungen konkrete Business-Probleme anzugehen, statt nur irgendwelche technischen Highlights herauszustellen, rät Hare.
* Martin Bayer ist stellvertretender Chefredakteur der Computerwoche. 

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