Geschäftskritische Applikationen in die Cloud zu migrieren ist wie Räder an einem fahrenden Auto zu wechseln, heißt es oft. Es gibt allerdings viele Best Practices und Beratungsunternehmen mit Expertise, die bei der ERP-Cloud-Migration helfen. [...]
Eines gleich vorweg: Der übliche Lift & Shift-Ansatz ist nicht der richtige Weg, wenn man das ERP-System in die Cloud heben will. Stattdessen müssen zuerst die Geschäftsprozesse auf den Prüfstand und die Applikationen ins Refactoring, um die Vorteile der Cloud vollumfänglich erschließen zu können. Es reicht also nicht aus, die alten Prozesse einfach in eine cloudbasierte Umgebung zu schieben, sondern es gilt vorrangig, die Prozesse zu hinterfragen und gegebenenfalls neu aufzusetzen.
Umdenken notwendig
Die größten Hürden bei der Migration von ERP in die Cloud existieren in den Köpfen der Entscheidungsträger. Ein neues Mindset ist notwendig – weg von Fachbereichen und hin zu Prozessen, die nicht nur das ERP betreffen, sondern über mehrere Systeme laufen. Dabei gilt es auch, die strategischen Aufgaben zu machen und Antworten auf folgende Fragen zu definieren: Wohin geht die Reise des Unternehmens? Wie sieht das „Big Picture“ aus? Welche Voraussetzungen braucht es dafür – etwa im Hinblick auf Personalressourcen? Die technischen Herausforderungen sind meist überschaubar, darunter fallen Schnittstellen zu On-Premise-Lösungen oder spezifische, einmalige Anpassungen der IT.
Die Zukunft heißt Cloud
Fest steht, dass für Business-Anwendungen kein Weg vorbei an der Cloud führt. Die großen Softwareanbieter geben hier klar die Richtung vor, nicht zuletzt, weil die Vorteile im Vergleich zu On-Premises-Lösungen klar überwiegen. So bietet die Cloud maximale Flexibilität und Skalierbarkeit, integrierte Schnittstellen zu Fremdsystemen, Orts- und Plattformunabhängigkeit sowie hohe Datenqualität. Außerdem ermöglichen cloudbasierte, leistungsstarke Systeme moderne Anwendungen wie Künstliche Intelligenz und Vorhersagemodelle. Effizientes, kollaboratives Arbeiten im Homeoffice ist ohne Cloud auch nur stark beschränkt möglich. Nicht zuletzt bietet die Wolke eine zentrale, sichere Ablage für Dokumente oder geschäftskritische Informationen wie Stammdaten. Für die Umsetzung bietet sich erfahrungsgemäß ein schrittweises Vorgehen an:
- Als erstes gilt es, die Unternehmensziele und -strategie definieren, um daraus einen Leitfaden für die Prozesse und IT zu entwickeln.
- Im zweiten Schritt heißt es, die Prozesse zu analysieren, optimieren und anzupassen, um eine möglichst hohe Release-Fähigkeit erzielen. Hier gilt es beispielsweise auch, Produktionsabläufe zu digitalisieren und bei Unternehmen mit mehreren Standorten die Prozesse zu vereinheitlichen.
- Big Picture zeichnen: Wie sehen eine Integration bzw. Schnittstellen zu Fremdsystemen aus? Beispiele dazu: Field Services (Servicemanagement) für die Anbindung von Servicetechniker an das ERP, mobile Apps zum Erfassen der Anlagendaten von Kunden oder Produktionsdaten, Kommunikation über Webservices, Auswertungen mit Anwendungen wie Power BI, Anbindung von Kunden und Lieferanten über EDI, Archivierung von Dokumenten im DMS, Anbindung von Produktionsmaschinen, Einbindung von Urlaubskalendern über SharePoint.
- Eigene Infrastruktur anpassen: Hier gilt es, von Terminal Servern zu browserbasierten, plattformunabhängigen Lösungen und lokalen PCs bzw. Laptops umzusiedeln.
- Stammdaten müssen überarbeitet und gewartet werden, damit man Auswertungen und Analysen, etwa mit KI, durchführen kann. Oft haben sich über viele Jahre alte Kundendaten und überflüssiger Datenmüll angesammelt, der nicht in die Cloud übernommen werden soll. Daher gilt es, die Stammdaten zu bereinigen, Artikeldaten zu vereinheitlichen und eine Produktkonfiguration einzuführen.
- Abschließend stehen Schulungen am Plan, um die User bzw. Mitarbeiter an Bord zu holen und mit den Vorteilen des neuen Systems vertraut zu machen.
- Jetzt folgt die Migration aller notwendigen Informationen (z.B. bereinigte Stammdaten) ins Cloudsystem und die Entwicklung neuer Applikationen mit Hilfe agiler Methoden. Dann sollten Tests mit Key Usern gefahren werden, danach kann das go-live erfolgen.
- Schließlich die Optimierungsphase: Digitalisierung aller Unternehmensprozesse, z.B. Eingangsrechnungsprozess, Einführung von CRM-System sowie Einbindung mobiler Apps, um Mitarbeiter und Prozesse im Unternehmen digital einzubinden.
*Der Autor Mario Lehner ist Geschäftsführer der insideAx GmbH.
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