Alles für den Titel: Die Rolle von Daten im Fußball

Ab dem 14. Juni blickt die Fußballwelt nach Deutschland. 24 Nationalteams werden um den Europameistertitel spielen. In den letzten 20 Jahren hat sich der Sport allerdings stark verändert, besonders abseits vom Spielfeld. Neben Teamgeist, Technik und Taktik wird zunehmend auch Technologie zum Erfolgsfaktor, weiß Uwe Kemmer, Director EMEA Field Engineering bei Western Digital. [...]

Europameisterschaft 2024: Neben Teamgeist, Technik und Taktik wird zunehmend auch Technologie zum Erfolgsfaktor. (c) Tim Fisk / Pexels
Europameisterschaft 2024: Neben Teamgeist, Technik und Taktik wird zunehmend auch Technologie zum Erfolgsfaktor. (c) Tim Fisk / Pexels

Durch moderne Hilfsmittel gewonnene Daten beeinflussen nahezu jeden Aspekt des Profifußballs – von der Entscheidungsfindung während dem Spiel über die Vereinsentwicklung bis hin zu Scouting und individueller Spielerförderung. Ein Überblick.

Abseits oder nicht? Technologische Entscheidungshilfen

Die Zukunft des Fußballs wird von der Technik bestimmt. Eine der einschneidendsten Veränderungen in der jüngeren Geschichte des Sports war ohne Zweifel die Einführung des Video-Assistenten (Video Assistant Referee, VAR). Bei einer Europameisterschaft kam der Videobeweis erstmals 2021 zum Einsatz und auch bei der kommenden EM können strittige Entscheidungen mithilfe zusätzlicher Kameraperspektiven aufgelöst werden. 

Damit ein komplexes System wie der VAR funktioniert, benötigt es unzählige Videos, die eine enorme Menge an Daten produzieren. In der deutschen Bundesliga stehen dem Video-Assistenten Aufnahmen von 19 bis 21 Kameras zur Verfügung. Hinzu kommen pro Spielfeldseite sieben weitere Kameras für die Torlinientechnologie, die selbstständig erkennt, ob der Ball die Linie überschritten hat. 

In einigen Wettbewerben kommt seit 2022 zudem eine halbautomatische Abseitserkennung zum Einsatz. Bis zu zwölf unter dem Stadiondach angebrachte Kameras verfolgen dabei unentwegt die Position des Balles sowie – über Datenpunkte – die Bewegungen der Spieler auf dem Feld. Ein Sensor im Ball sendet 500-mal pro Sekunde ein Signal in den VAR-Raum. So stellt das System nahezu in Echtzeit Daten über mögliche Abseitsstellungen zur Verfügung. 

Immer am Ball: Daten begleiten Vereine durch die Saison

Nicht nur für das Schiedsrichterteam, sondern auch für die Vereine sind Daten ein zentrale Entscheidungsgrundlage. Das beginnt schon am Anfang jeder Saison. Ganz gleich, ob es um die Titelverteidigung, die Teilnahme an einem europäischen Wettbewerb oder einfach nur die Vermeidung des Abstiegs geht – realistische sportliche Ziele kann sich nur setzen, wer Datenmaterial vollständig ausgewertet hat. 

Wie verliefen die vergangenen Spielzeiten? Wie ist die Qualität der Mannschaft einzuschätzen? Wo gibt es das größte Verbesserungspotenzial? Bei der Beantwortung dieser Fragen helfen Statistiken. Viele Werte werden seit Jahrzehnten statistisch erfasst, etwa zu Laufleistung, Zweikampfquote oder Passgenauigkeit der Teams. Die Datenanalyse geht aber längst viel tiefer, beleuchtet jedes kleinste Detail und bedient sich ausgefeilter technischer Methoden. Millionen einzelner Datenpunkte werden in jedem Spiel erhoben. 

So ermittelt beispielsweise das Expected-Goals-Modell in der Bundesliga für jeden Torschuss die Trefferwahrscheinlichkeit, indem es eine Vielzahl an Tracking-Daten wie Distanz oder Bewegungsgeschwindigkeit miteinbezieht. Das ist weit mehr als eine bloße Spielerei für Fans und das Fernsehpublikum. Vereine und Trainerstäbe erhalten dadurch wertvolle Informationen über Leistung und Effizienz ihrer Mannschaft. Solche Daten haben immer größeren Einfluss auf die Saisonplanung, die Taktik und die Trainingsgestaltung– und damit über Erfolg oder Misserfolg.

Startelf oder Bank? Auskunft gibt die Analyse von Leistungsdaten

Auch die Leistung der Spieler wird immer ausgiebiger analysiert. Im Laufe einer Saison entstehen riesige Datenmengen: Erfasst wird, wie schnell und wie weit die Fußballer laufen, wie sie sich bewegen, wie viel sie sprinten, laufen oder gehen, wie viele Torschüsse sie abgeben, wie viele Zweikämpfe sie führen und vieles mehr. 

Die Informationen werden gespeichert und analysiert, um die individuelle Leistung und die Trainingsarbeit zu bewerten, Stärken und Schwächen zu ermitteln sowie Strategien zu optimieren. Die Teams greifen dabei auf Datenbanken wie Videoaufzeichnungen von Spielen und Trainingssessions zurück. 

Der Speicherbedarf für die Leistungsanalyse ist enorm. Bei einem Kader von 30 oder mehr Spielern sowie mehreren Jugendmannschaften pro Klub sind Hunderte von Datensätzen zu erfassen. Die Interaktion mit diesen Daten erleichtert die vereinsinterne Zusammenarbeit, erfordert aber zugleich leistungsstarke, hochkapazitäre Speicherlösungen

Das Transfergeschäft verändert sich

Der Wechsel von Spielern zwischen Vereinen ist essenzieller Teil der Fußballwelt. Transfers haben sich jedoch verändert. Sie sind heute sehr viel datenbasierter als früher: Jede Statistik und jeder Aspekt der bisherigen Karriere eines Spielers wird miteinbezogen und beeinflusst Marktwert und Transferentscheidungen. Daten geben Aufschluss über die Leistung eines Spielers, aber auch darüber, ob er zum Spielstil der Mannschaft passt. Ein Stürmer, der in einem bestimmten System viele Tore erzielt, passt nicht unbedingt in eine Mannschaft, die eine andere Spielweise bevorzugt. Einige Vereine treiben die Entwicklung zu datengetriebenem Scouting bereits auf die Spitze und führen Transfers hauptsächlich auf Basis moderner Datenanalyse, KPIs und mathematischer Modelle aus – mit durchaus beachtlichem Erfolg.

Medizincheck auf Datenbasis kann Leben retten

Der datengetriebene Medizincheck stellt sicher, dass ein Spieler fit genug ist, um zu einem neuen Verein zu wechseln. Auch gesundheitliche Probleme, die über die reine Fitness hinausgehen, lassen sich aufdecken. Dies hat in manchen Fällen bereits dazu geführt, dass Spieler wegen Krankheiten behandelt wurden, von denen sie bis dato noch nichts wussten. Dies kann lebensrettend, aber auch im Alltag hilfreich sein: Jedes Match, in dem ein wichtiger Spieler verletzungsbedingt fehlt, kann den Verlauf einer Saison mitbestimmen. Dementsprechend erfolgskritisch ist es für Vereine, dass Spieler schnell wieder ihre volle Leistungsfähigkeit erreichen. Medizinische Daten helfen, die Ausfallzeiten verletzter Spieler zu prognostizieren. Sie sind der Schlüssel, um langwierige Verletzungen zu behandeln, geeignete Reha-Maßnahmen einzuleiten und eine vollständige Genesung zu ermöglichen. In Idealfall lassen sich Verletzungspausen deutlich verkürzen und das Risiko einer erneuten Verletzung reduzieren.

Alles für den Torjubel: So viele Daten fallen beim Fußball an

Ein Blick auf verschiedene Bereiche der Fußballwelt verdeutlicht exemplarisch die riesigen Datenmengen, die in und neben dem Feld entstehen:

  • VAR: Bei der vergangenen Weltmeisterschaft 2022 hatte das VAR-Team Zugriff auf 42 Kameras, von denen acht in Superzeitlupe und vier in Ultrazeitlupe arbeiteten. Werden solche Aufnahmen mit 800 Bildern pro Sekunde (800 fps) oder mehr für „nur“ drei Tage gespeichert, können bereits Datenmengen von bis zu 26 Terabytes (TB) pro Spiel entstehen. 
  • Datenbasierte Arbeit im Fußballverein: Um Spiel- und Trainingsanalysen durchführen zu können, nutzen Bundesligavereine häufig sogenannte JBOD-Systeme (Just a Bunch of Disks), als Speicherort für die notwendigen Bild- und Videodaten. Solche skalierbaren Speichersysteme werden gut und gerne mit einer Gesamtspeicherkapazität von über einem Petabyte (=1000TB) ausgeliefert.
  • Offizielle Spielstatistikdaten der Bundesliga: 3,6 Millionen Positionsdatenpunkte und 1.600 Spielereignisse wie Tore, Torschüsse, Fouls oder Pässe in den Ereignisdaten werden durchschnittlich pro Bundesliga-Partie erfasst. Das sind etwa 65 Millionen Datenpunkte für die 1. und 2. Fußball-Bundesliga, was rund 2,3TB reine Statistikdaten pro Saison entspricht. 
  • Video- und Fotoshooting für Werbung: 12.000 Videodateien, 28.500 Bilder und über 20 TB Datenmaterial wurden bei den Media Days 2022 / 2023 der DFL (Deutsche Fußball Liga e. V.) produziert. Eine Bild- und Videoproduktion mit mehr als 1.200 Spielern und Club-Mitarbeitenden. Sie ist die Grundlage für zahlreiche Foto- und Filmbeiträge, die von TV-Sendern, Streaming-Anbietern, DFL-Partnern, Clubs und der DFL im Laufe der Saison auf verschiedenen Kanälen ausgespielt werden.

Mit moderner Datenspeicherung das Spiel gewinnen

Uwe Kemmer, Director EMEA
Field Engineering, Western
Digital (c) Western Digital

In allen Bereichen der Fußballwelt wachsen die Datenmengen. Sie sind ein integraler Bestandteil des Fußballs und tragen dazu bei, die Saison bzw. das Turnier erfolgreich abzuschließen, Titel zu holen aber auch Spieler, Vereine und den Sport selbst besser zu vermarkten. Dafür sind moderne Speicherlösungen gefragt, die strukturierte und unstrukturierte Daten in verschiedenen Formaten wie Bilder, Texte, Audio und Video in Echtzeit bereitstellen. 

Den Sieg fest vor Augen, können so Trainer wie auch Spieler auf umfassende Analysen und Statistiken zurückgreifen, um bessere Leistung auf den Platz zu bringen, Abläufe zu optimieren und fundierte strategische Entscheidungen zu treffen. Der Gewinner der bevorstehenden Europameisterschaft in Deutschland wird zwar erst im Endspiel am 16. Juli gekrönt, doch eines steht bereits fest: Die Finalisten werden in den letzten Monaten alle möglichen Datenquellen ausgeschöpft haben, um sich im entscheidenden Moment einen Vorteil auf dem Platz zu verschaffen.

*Der Autor Uwe Kemmer ist Director EMEA Field Engineering bei Western Digital.


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