Bewusst zur KI-Compliance

Der EU AI Act etabliert als weltweit erste umfassende KI-Regulierung ein risikobasiertes Klassifizierungssystem für künstliche Intelligenz. Seit August 2024 gelten erste Bestimmungen dieser Verordnung – im Februar 2025 kam die Schulungspflicht hinzu. Wie lassen sich sie regulatorischen Anforderungen umsetzen, ohne die technologische Weiterentwicklung auszubremsen? [...]

Kevin Vollrath, Sales Leader Corporate & Thomas Schmitz, IT Campus Leader Presales, bei SoftwareOne. (c) SoftwareOne
Kevin Vollrath, Sales Leader Corporate & Thomas Schmitz, IT Campus Leader Presales, bei SoftwareOne. (c) SoftwareOne

Der EU AI Act kategorisiert KI-Systeme nach ihrem Gefährdungspotenzial für Gesundheit, Sicherheit oder Grundrechte. Insbesondere Hochrisiko-Anwendungen unterliegen strengen Qualitäts- und Risikomanagementvorgaben. Bei Verstößen drohen empfindliche Sanktionen von bis zu 35 Millionen Euro oder 7 Prozent des weltweiten Jahresumsatzes. Diese Regelungen zielen auf verantwortungsvolle KI-Nutzung ab und schützen fundamentale Bürgerrechte. Für Unternehmen bedeutet dies eine tiefgreifende Auseinandersetzung mit ihren KI-Systemen, wobei technische, rechtliche und ethische Aspekte gleichermaßen zu berücksichtigen sind. Die frühzeitige Vorbereitung auf die vollständige Umsetzung des EU AI Act schafft Wettbewerbsvorteile und minimiert Compliance-Risiken, während sie gleichzeitig den Grundstein für nachhaltige KI-Nutzung legt.

Schatten-KI aufspüren und kontrollieren

Transparenz über eingesetzte KI-Anwendungen bildet das Fundament jeder Compliance-Strategie. Zahlreiche Unternehmen nutzen bereits KI-Technologien, häufig eingebettet in Standardsoftware, ohne sich dessen vollständig bewusst zu sein. Die Identifikation dieser verborgenen KI-Komponenten verhindert unkontrollierbare Risiken durch sogenannte „Schatten-KI“. Die Herausforderung liegt dabei nicht nur in der technischen Erkennung, sondern auch in der organisatorischen Einordnung dieser Systeme in bestehende Prozesslandschaften.

Eine gründliche Bestandsaufnahme erfordert systematische Scans der IT-Infrastruktur mit spezialisierten Tools, die KI-Aktivitäten aufdecken. Diese Transparenz ermöglicht erst ein wirksames Risikomanagement und die Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen. Unternehmen gewinnen dadurch einen vollständigen Überblick über ihre KI-Landschaft und identifizieren potenzielle Compliance-Lücken frühzeitig. Die Dokumentation dieser Erkenntnisse schafft Nachweisbarkeit gegenüber Aufsichtsbehörden und bildet die Grundlage für ein fortlaufendes KI-Inventar, das kontinuierlich aktualisiert wird und neue Anwendungen erfasst.

Die anschließende Risikobewertung berücksichtigt verschiedene Parameter: den konkreten Anwendungsfall, die verarbeiteten Daten und die erzeugten Ergebnisse. Kritisch erscheinen vor allem Systeme, die personenbezogene Daten verarbeiten und möglicherweise diskriminierende Outputs generieren. Die Zusammenarbeit mit IT-Dienstleistern und Rechtsexperten hilft, die komplexe Risikoklassifizierung rechtssicher durchzuführen und spezifische Anforderungen des EU AI Act richtig zu interpretieren. Dabei empfiehlt sich ein interdisziplinärer Ansatz, der technisches Know-how mit juristischer Expertise und Branchenkenntnissen verbindet, um alle relevanten Aspekte der Risikobetrachtung abzudecken.

Datenhygiene als Compliance-Grundlage

Eine strukturierte Dateninfrastruktur trägt wesentlich zur sicheren KI-Nutzung bei. Unternehmen definieren präzise, welche Datensätze ihre KI-Systeme verwenden dürfen – besonders bei Hochrisiko-Anwendungen. Der EU AI Act verlangt relevante und repräsentative Eingabedaten für den jeweiligen Verwendungszweck. Die Qualität der Daten beeinflusst direkt die Zuverlässigkeit und Fairness der KI-Systeme, weshalb Unternehmen verstärkt in Datenvalidierungsprozesse investieren.

Dies bedingt eine akribische Prüfung aller Datenquellen und strikte Zugriffskontrollen für sensible Informationen. Regelmäßige Aktualisierungen und Genauigkeitsprüfungen wahren die Integrität der KI-Modelle. Datenschutzbeauftragte und IT-Sicherheitsexperten arbeiten hier idealerweise Hand in Hand, um sowohl regulatorische als auch technische Aspekte abzudecken. Die Implementierung automatisierter Datenqualitätsprüfungen reduziert manuelle Fehlerquellen und gewährleistet konstante Überwachung der Datenintegrität, während Audit-Trails die Nachvollziehbarkeit von Datenzugriffen und -änderungen sicherstellen.

Die fortlaufende Überwachung der KI-Anwendungen schützt vor unerwarteten Verhaltensänderungen. Datenmanipulation – sei es versehentlich oder durch gezielte Cyberangriffe – verfälscht KI-Outputs erheblich. Automatisierte Überwachungsmechanismen erkennen Anomalien frühzeitig und ermöglichen schnelle Gegenmaßnahmen. Hochrisiko-Anwendungen profitieren besonders von solchen Frühwarnsystemen, da Fehlfunktionen hier gravierende Folgen nach sich ziehen können. Moderne Monitoring-Lösungen analysieren nicht nur die Ausgabewerte, sondern auch Muster in der Datenverarbeitung und Modellperformance, wodurch subtile Veränderungen im Systemverhalten identifiziert werden, bevor sie kritische Ausmaße annehmen.

Schulungsverantwortung der Unternehmen

Neben technischen Vorkehrungen tragen organisatorische Maßnahmen zur Risikominimierung bei. Verbindliche KI-Richtlinien regeln den Einsatz entsprechender Tools und legen Verantwortlichkeiten fest. Diese Richtlinien passen sich kontinuierlich an neue Entwicklungen an und berücksichtigen aktuelle Erkenntnisse aus der Praxis. Die Einbindung von Fachbereichen in die Richtlinienerstellung fördert die Akzeptanz und praxisnahe Umsetzbarkeit der Vorgaben. Regelmäßige Audits überprüfen die Einhaltung dieser Richtlinien und identifizieren Verbesserungspotenziale im operativen Betrieb.

Der EU AI Act verpflichtet Unternehmen zudem ab Februar 2025 zu KI-Schulungen ihrer Mitarbeiter. E-Learning-Programme, wie der KI-Führerschein von SoftwareOne, vermitteln flexibel technisches Wissen sowie ethische und rechtliche Grundlagen. Die Schulungen fördern ein umfassendes Verständnis der Technologie und schaffen Bewusstsein für potenzielle Risiken im täglichen Umgang mit KI-Systemen. Zielgruppenspezifische Schulungskonzepte berücksichtigen unterschiedliche Vorkenntnisse und Anwendungsbereiche, wodurch eine bedarfsgerechte Kompetenzentwicklung gewährleistet wird. Praxisnahe Fallbeispiele und interaktive Elemente erhöhen die Lerneffektivität und fördern den Wissenstransfer in den Arbeitsalltag.

Die erfolgreiche KI-Einführung verknüpft rechtliche Anforderungen mit wirtschaftlichen Zielen. Erfahrene Partner unterstützen bei dieser Transformation und helfen, das volle Potenzial der Technologie auszuschöpfen. Durchdachte Planungsprozesse und begleitendes Change Management sorgen für reibungslose Implementierungen. Klare Zieldefinitionen und ausreichende Ressourcenbereitstellung bilden die Basis für nachhaltige KI-Strategien. Die Etablierung eines KI-Governance-Frameworks integriert Compliance-Anforderungen in die Unternehmensstrategie und schafft klare Strukturen für Entscheidungsprozesse. Pilotprojekte ermöglichen kontrolliertes Lernen und die schrittweise Skalierung erfolgreicher Ansätze, während kontinuierliche Erfolgsmessung die Wertschöpfung transparent macht und Optimierungspotenziale aufzeigt.

Innovation & Compliance verknüpfen

Die risikobasierte Klassifizierung von KI-Systemen nach dem EU AI Act stellt Unternehmen vor komplexe Aufgaben. Ein strategischer Ansatz vereint Compliance und Innovationsfähigkeit. Wer KI-Implementierungen sorgfältig plant und Risiken systematisch adressiert, nutzt die Chancen dieser Technologie ohne Gefährdung von Sicherheit oder Grundrechten. Die beschriebenen Maßnahmen schaffen nicht nur Rechtssicherheit, sondern stärken auch das Vertrauen in KI-gestützte Geschäftsprozesse.

*Die Autoren: Thomas Schmitz, IT Campus Leader Presales, & Kevin Vollrath, Sales Leader Corporate, bei SoftwareOne.


Mehr Artikel

News

Produktionsplanung 2026: Worauf es ankommt

Resilienz gilt als das neue Patentrezept, um aktuelle und kommende Krisen nicht nur zu meistern, sondern sogar gestärkt daraus hervorzugehen. Doch Investitionen in die Krisenprävention können zu Lasten der Effizienz gehen. Ein Dilemma, das sich in den Griff bekommen lässt. […]

Maximilian Schirmer (rechts) übergibt zu Jahresende die Geschäftsführung von tarife.at an Michael Kreil. (c) tarife.at
News

tarife.at ab 2026 mit neuer Geschäftsführung

Beim österreichischen Vergleichsportal tarife.at kommt es mit Jahresbeginn zu einem planmäßigen Führungswechsel. Michael Kreil übernimmt mit 1. Jänner 2026 die Geschäftsführung. Maximilian Schirmer, der das Unternehmen gegründet hat, scheidet per 14. April 2026 aus der Gesellschaft aus. […]

News

Warum Unternehmen ihren Technologie-Stack und ihre Datenarchitektur überdenken sollten

Seit Jahren sehen sich Unternehmen mit einem grundlegenden Datenproblem konfrontiert: Systeme, die alltägliche Anwendungen ausführen (OLTP), und Analysesysteme, die Erkenntnisse liefern (OLAP). Diese Trennung entstand aufgrund traditioneller Beschränkungen der Infrastruktur, prägte aber auch die Arbeitsweise von Unternehmen.  Sie führte zu doppelt gepflegten Daten, isolierten Teams und langsameren Entscheidungsprozessen. […]

News

Windows 11 im Außendienst: Plattform für stabile Prozesse

Das Betriebssystem Windows 11 bildet im technischen Außendienst die zentrale Arbeitsumgebung für Service, Wartung und Inspektionen. Es verbindet robuste Geräte, klare Abläufe und schnelle Entscheidungswege mit einer einheitlichen Basis für Anwendungen. Sicherheitsfunktionen, Updates und Unternehmensrichtlinien greifen konsistent und schaffen eine vertrauenswürdige Plattform, auf der sowohl Management als auch Nutzer im Feld arbeiten können. […]

Be the first to comment

Leave a Reply

Your email address will not be published.


*