Veraltete Softwaresysteme verursachen oft Probleme, weil sie aktuelle Business-Anforderungen nicht mehr ausreichend unterstützen. Bei Kernprozessen stellt das ein geschäftskritisches Risiko dar. Core Software Revival hilft, zentrale Systeme zu modernisieren und an die aktuelle Unternehmensstrategie anzupassen. [...]
Core Software unterstützt die geschäftskritischen Kernprozesse und bildet somit das Rückgrat jedes Unternehmens. In der Praxis fällt die Definition je nach Betrieb und Größe unterschiedlich aus. Applikationen des Fachbereichs Human Ressources etwa bilden keine klassischen Kernprozesse ab. In einem Großkonzern wäre ein Ausfall der zentralen HR-Systeme dennoch fatal, während dies bei einem kleinen Unternehmen meist kein Problem darstellen würde. Core Software ist somit für einzelne Fachbereiche von zentraler Bedeutung. Veraltete Kernsysteme bilden ein Hindernis für die Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit und bergen ein hohes unternehmerisches Risiko. Mit Core Software Revival, also einer Modernisierung der Systeme, lassen sich solche kritischen Altsysteme auf den aktuellen Technologiestand heben.
Analyse der Kernsysteme
Wie aber stellt man fest, ob die businesskritische Unternehmenssoftware noch up to date ist? Zuerst sollte man prüfen, ob die bestehenden Systeme skalierbar sind und Weiterentwicklungen ermöglichen. Wenn Software-Anpassungen sehr lange Vorlauf- und Entwicklungszeiten benötigen, handelt es sich oft um schwer wartbare, gewachsene Systeme. Wenn Kernapplikationen die digitale Transformation des Unternehmens ausbremsen, das Wachstum behindern und etwa der Einführung innovativer, digitaler Produkte, Services und Geschäftsmodelle entgegenstehen, ist der Handlungsbedarf offensichtlich. Das gleiche gilt, wenn die Systeme nicht in der Lage sind, Kundenservices durchgehend digital abzubilden. Solche jederzeit online abruf- und nutzbaren Leistungen sind verstärkt gefragt, setzen aber nahtlose End-to-End-Prozesse voraus. Das macht oft eine Modernisierung in Teilbereichen oder ganzheitlich nötig.
Ist effizientes Arbeiten möglich?
Ein weiteres Thema ist die höhere Automatisierung und Geschwindigkeit von Prozessen, um Mitarbeiter*innen zu entlasten und die Effizienz zu steigern. Veraltete Software wird zur Last, wenn sie den Fachabteilungen keine einfache Nutzung von Daten ermöglicht bzw. die Beschäftigten in ihrer täglichen Arbeit nicht ausreichend unterstützt. Ebenso kann hoher Schulungsaufwand für bestehende Systeme zur Herausforderung für Unternehmen werden. Alte Core-Systeme sind oft nicht intuitiv und einfach bedienbar. Ob eine Teilerneuerung oder kompletter Ersatz notwendig sind, muss jedoch gut analysiert werden, um nicht am Ende ein „rostiges Auto“ zu haben, das nur mit Aufklebern verschönert wurde. Kritisch wird es auch dann, wenn Core-Systeme überproportionale Kosten im Vergleich zum Business-Mehrwert verursachen, etwa durch hohe Lizenz- und Wartungskosten. Auch wenn nur wenige Mitarbeiter*innen die Anwendung betreuen können, ist dringendes Handeln notwendig.
Legacy-Systeme vs. aktuelle IT-Strategie
Die IT-Strategie verbindet Unternehmensstrategie und operatives IT-Management. Sie soll sicherstellen, dass IT-Systeme und -infrastruktur die Geschäftsprozesse optimal unterstützen. Veraltete Softwaresysteme erfüllen diese Anforderung oft nicht mehr und blockieren das Business. Wenn man etwa eine Legacy-Software im Einsatz hat, die nicht zur aktuellen IT-Strategie passt (z.B. Cloud-Strategie oder Cloud-first-Ansatz) und eine Vereinheitlichung der Systeme oder Daten-Austauschplattformen verhindert, dann ist Handlungsbedarf gegeben. Ebenso, wenn Technologien bzw. Software-Bibliotheken im Einsatz sind, die von den Herstellern nicht mehr gewartet werden. Insbesondere gilt es rasch zu handeln, wenn Softwaresysteme im Einsatz sind, die IT-Security-Lücken aufweisen und dadurch das Unternehmen gefährden.
Modernisierung: Angst vor dem Scheitern
Die Erneuerung von Core Software ist herausfordernd, weil ein großer Teil des Business von der Verfügbarkeit dieser Kernsysteme abhängt. Deshalb scheuen Verantwortliche große Umstellungen von Kernsoftware. Zudem sind Modernisierungen oft mit hohen Investitionen, aber auch mit Umstellungen für die Nutzer verbunden. Aus diesem Grund ist es wichtig, alle Betroffenen ins Boot zu holen. Ihr Know-how wird für eine erfolgreiche Modernisierung dringend gebraucht. Zu den technischen Herausforderungen zählen begleitende Infrastruktur-Erneuerungen, etwa der Umzug mehrerer Systeme in die Cloud oder der Aufbau einer echtzeitfähigen Architektur für automatisierte Datenübertragung bzw. eines Data Lakehouse für Reporting, Analyse und KI-Integration. Bei älteren Core-Systemen werden zudem gewachsener Code, mangelnde Modularisierung der Businesslogik, fehlende technische Dokumentationen oder inkonsistente Datenbestände zu Stolperfallen bei der Modernisierung.
In Schritten zum Erfolg
Als Grundrezept für Core Software Revival hat sich ein dreistufiges Vorgehensmodell bewährt. In der ersten Phase wird der konkrete Modernisierungsbedarf durch Analyse der Prozesse, Systeme und Mitarbeiterbedürfnisse erhoben. Bereits hier ist entscheidend, alle Beteiligten abzuholen und mit ins Boot zu nehmen. Darauf aufsetzend folgen in Stufe zwei die Entwicklung von Modernisierungsszenarien sowie eine Strategie-Empfehlung für die Entscheider zur Ableitung von Investments und Freigabe nächster Schritte. Hier ist auch das Entwickeln einer künftigen technischen Zielarchitektur, aufbauend auf der IT-Strategie, sowie eines passenden Umsetzungsplans inkl. Migration und notwendiger Investitionen zentral.
In der letzten und längsten Phase geht es an die schrittweise Umsetzung. Das bedeutet, Prozesse oder Funktionalitäten nach Priorisierung abzulösen und diese nach und nach live zu schalten. Im Fokus steht immer die Business-Kontinuität und ein „Business Value first“-Ansatz. Dadurch lässt sich das Risiko minimieren und der Business Mehrwert sicherstellen, damit sich die Investition schon frühzeitig lohnt. Zudem kann nach jedem Modernisierungsschritt das Ergebnis geprüft und bei Bedarf angepasst werden. Wichtig ist ein zielstrebiges Voranschreiten, um mit jedem Zwischenschritt dem Gesamtziel der Modernisierung näher zu kommen.
Welches Modernisierungsmodell passt?
Abhängig davon, ob Prozesse oder Technik Haupttreiber für eine Modernisierung sind, gibt es unterschiedliche Ablöse- oder Veränderungsmodelle. Letztere kommen meist bei technisch notwendigen Modernisierungen zum Einsatz, etwa Lift & Shift als Plattformwechsel. Ein anderer Ansatz ist Transpile, also das toolunterstützte Transformieren eines Systems von einer Programmiersprache in eine andere, z.B. von Cobol in Java. Beide Ansätze verfolgen die Idee einer 1:1-Migration bei gleichbleibenden Prozessen. Will man nur Teile eines Systems verändern, kommt Refactoring ins Spiel. Daneben gibt es Ablösemodelle, die man vor allem bei größeren Prozessänderungen einsetzt, wie dem teilweisen oder kompletten Austausch eines Legacy-Kernsystems durch eine Standardsoftware oder Rewrite, also das Neuschreiben des Alt-Systems in einer modernen Programmiersprache und entsprechender Enterprise- und Softwarearchitekturprinzipien. Alternativ oder ergänzend kann auch der Einsatz von Low-Code Technologien für einzelne Prozesse oder Schritte sinnvoll sein.
Fazit
In der Praxis zeigt sich, dass es nicht nur ein richtiges Modernisierungsmodell gibt, sondern üblicherweise Mischformen zur Ablöse eines Systems sinnvoll sind. Beispielsweise können Teile durch Standardsoftware abgedeckt, andere mit Low-Code-Plattformen umgesetzt und wieder andere komplett neu entwickelt werden, weil z.B. Prozesse neu und anders implementiert werden sollen. In jedem Fall empfiehlt es sich, Core Software Revival Projekte rechtzeitig zu starten, sowohl Mitarbeiter einzubinden als auch erfahrene Partner an Bord zu holen. Die richtige Modernisierungsstrategie und eine professionelle, schrittweise Vorgehensweise mit einem „Business Value first“-Ansatz führen zum Erfolg.
*Die Autoren Michael Geramb und Roland Bäck sind als Senior Solutions Architect bzw. Senior Business Consultant bei DCCS tätig.
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