Das Jahr 2023 ist ein Intelligenztest für KI

Bernd Greifeneder, Gründer und CTO von Dynatrace, nennt in seinem Gastkommentar vier Observability-Trends, die IT-Verantwortliche im Zusammenhang mit Künstlicher Intelligenz auf dem Radar haben sollten. [...]

Bernd Greifeneder, Gründer und CTO von Dynatrace (c) Thomsen

Automatisierung in der IT ist eine Notwendigkeit geworden und Künstliche Intelligenz schickt sich an, einige Versprechungen zu erfüllen. In Kombination haben sie eine technologische Dynamik geschaffen, die man jetzt für Effizienzgewinne und Kostenreduktion nutzen muss. Dazu zwingen steigende Energiekosten und Inflationsraten. Gleichzeitig nimmt der Wettbewerbsdruck weiter zu. 

Innovation ist der Treibstoff für digitalen Erfolg. Für IT-Führungskräfte ist es eine Schlüsselaufgabe geworden, die richtige Balance zu halten zwischen Effizienzsteigerungen und Kostenreduktion einerseits sowie Investitionen in technologische Weiterentwicklungen andererseits. Vor diesem Hintergrund stelle ich meine Prognosen für die wichtigsten Observability-Trends vor, welche die Agenda von IT-Führungskräften in den nächsten Monaten bestimmen werden.

1. Trend: Künstliche Intelligenz muss vertrauenswürdig werden 

Unternehmen sind gefordert, mit weniger Aufwand mehr zu erreichen, um trotz des makroökonomischen Gegenwinds voranzukommen. Automatisierung wird ein entscheidender „Game changer“ dafür sein. Sie spielt qualifizierte Fachkräfte für kreative Aufgaben und Entwicklungsprojekte frei. Immer wieder wird das wachsende Bewusstsein für den potenziellen Bias von Künstlicher Intelligenz dabei allerdings zum Hindernis für die weitere Automatisierung in der IT. Das Beispiel ChatGPT zeigt, dass KI nicht zwangsläufig präzise und sachlich richtige Antworten liefert. Organisationen können sich nicht darauf verlassen, automatisierte Abläufe mit KI zu steuern, wenn diese Symptome und Ursachen verwechselt, Themen mit hohem Geschäftsrisiko falsch priorisiert oder fehlerhafte Lösungswege einschlägt. 

Ohne vertrauenswürdige KI braucht es weiterhin menschliche Aufpasser. Das macht Effizienzgewinne zunichte, die man sich durch Automatisierung von Geschäfts-, Entwicklungs-, Security- und Betriebsprozessen erhoffte. Mit einer KI, die Entscheidungen lediglich auf Basis statistischer Vermutungen trifft, bleiben wir in dieser Sackgasse. Deshalb muss sie für diese Anwendungsfälle von einer vertrauenswürdigen KI abgelöst werden, die präzise arbeitet, kausale Zusammenhänge mit Hilfe von eingebettetem Expertenwissen versteht, und somit nachvollziehbare und erklärbare Antworten liefert. Das bringt jene Vertrauenswürdigkeit mit sich, auf die man digitale Ökosysteme bauen kann.

2. Trend: Observability, Security und Business Analytics werden zusammenwachsen, um die Datenexplosion zu bewältigen 

Wer jemals versucht hat, sich einen Überblick über all die Daten zu verschaffen, die in komplexen Cloud- und Cloud-native Umgebungen sowie in den einzelnen Elementen des Technologie-Stacks gesammelt werden, fühlt sich an das Sprichwort „Den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen“ erinnert. Die Lösung für dieses Komplexitätsproblem sind moderne unternehmensübergreifende KI-Analyseplattformen, wie zum Beispiel die neuen „Data Lakehouses“ (eine Kombination von Data Lake und Data Warehouse), die mit tausenden Computern parallel arbeiten (massive parallel processing) und sämtliche digitale Prozesse im Blick haben. Sie können eine Vielzahl von isolierten Monitoring-Tools oder selbstgebaute Lösungen ersetzen, deren Einsatz nur Einblicke in einen schmalen Bereich des Technologie-Stacks bietet oder nur isolierte Anwendungsfälle unterstützt. Diese isolierten Tools machen es unmöglich, den Gesamtkontext der gesammelten Daten zu bewahren und ihren Mehrwert zu erschließen. Ihr Einsatz führt darüber hinaus zu Abteilungs-Silos, da sich jedes Team nur auf seinen Teil des Puzzles konzentriert, anstatt die Daten zu kombinieren, um das digitale Gesamtbild zu sehen. 

Mit ganzheitlichen Plattformen erhalten Geschäfts-, Entwicklungs-, Security- und Betriebsteams genau jene verwertbaren Informationen über das digitale Gesamtbild ihres Unternehmens, die sie brauchen. Dadurch werden bisher unerkannte Zusammenhänge, Schwachstellen und ungenutzte Effizienzpotenziale sichtbar. Das wird dazu beitragen, die Datenexplosion in den Clouds zu bewältigen und deren volles Potenzial zu heben. Intelligente Automatisierung – von der Cloud-Modernisierung über die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften bis zur Cyberforensik – kann so vorangetrieben werden.

3. Trend: Risikomanagement wird von der Kür zur (Versicherungs-)Pflicht

Versicherungen erwarten sich, dass digitale Innovationen gegen Cyberrisiken bestmöglich abgesichert werden. Unternehmen, die Cyber-Versicherungspolicen abschließen, müssen nachweisen können, dass alle Innovatoren im Unternehmen in der Lage sind, ihre Sorgfaltspflichten zu erfüllen und potenzielle Sicherheitsrisiken zu managen. Damit wird IT-Security zur gemeinsamen Verantwortung. Es wird ein wachsender Fokus auf Lösungen gelegt, die es Unternehmen ermöglichen, ihre DevOps (die Zusammenarbeit von Development und Operations) sowie BizDevOps ­(DevOps um die Zusammenarbeit mit Business erweitert) Strategien zu noch ganzheitlicheren Ansätzen weiterzuentwickeln. 

SecDevBizOps kombiniert in einem holistischeren Ansatz Entwicklungs-, Betriebs- und Businessaufgaben mit Sicherheitsaspekten (Security). Diese komplexe Aufgabe wird zu verstärkten Investitionen in Observability-Plattformen führen, die den Schutz sowie wie die Immunisierung gegen Gefahren von innen heraus durchführen, und end-to-end Daten für schnellere und präzisere Bedrohungsanalyse, Risikoabschätzung und Forensik nutzen. Nur so kann sichergestellt werden, dass den verantwortlichen Teams sämtliche Informationen zur Verfügung stehen, die sie benötigen, um Innovationen sicher und verantwortungsvoll voranzutreiben. 

4. Trend: Datenkontextbasierte Automatisierung wird AIOps auf ein neues Level bringen

Um effektiv zu sein, müssen Unternehmen jene Plattformen, die sie für automatisierte Software Delivery Pipelines und für AIOps (Artificial Intelligence for IT Operations) einsetzen, auf Datenkontextsteuerung umstellen. Das bedeutet, dass Daten und ihr Kontext in einer einzelnen Informationsquelle vereinheitlicht werden müssen, um intelligente Automatisierung umsetzen zu können. Die eingesetzte KI muss es ermöglichen, zwischen Ursache und Wirkung von potenziellen Problemen oder Gefahren zu unterscheiden, um intelligente und rasche Entscheidungen zu treffen. Das Ziel von Unternehmen muss es sein, AIOps zu deutlich präziseren AISecOps (AI for Security and Operations)weiterzuentwickeln. 

Getrieben wir diese Entwicklung von einem Trend: Die wachsende Komplexität durch dynamische Cloud-Architekturen und das Nebeneinander von isoliert agierenden Monitoring-Tools lässt die Nachfrage nach Plattformen mit fortschrittlichen AISecOps steigen. Diese AISecOps-Plattformen erlauben es, die Barrieren zwischen Observability-, Geschäfts- und Sicherheitsdaten zu durchbrechen und sie mit Topologie- und Abhängigkeitsmapping zu kombinieren. Als Ergebnis werden Teams in der Lage sein, die Beziehung zwischen Datenströmen im Auge zu behalten. Der praktische Nutzen: Der Gesamtkontext von Observability-, Geschäfts- und Sicherheitsdaten wird sichtbar und verwertbar. Dies ist die Basis, um leistungsstärkere und präzisere Automatisierung zu ermöglichen und nahtlose digitale Geschäftsprozesse zu ermöglichen.

*Der Autor Bernd Greifeneder ist Gründer und CTO von Dynatrace.


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