Was passiert eigentlich mit den alten Geräten, wenn Software oder Hardware aufgerüstet werden? Hannes Gredler, Gründer und CTO von RtBrick, hat dazu einen Gastkommentar verfasst. [...]
Seit es das Internet gibt, besteht das Netz aus Software und Hardware, die miteinander verbunden sind. Wie wir wissen, hat die Technologie die Art und Weise, wie wir lernen, einkaufen, uns weiterbilden und arbeiten revolutioniert. Aber sie treibt auch den Bedarf an Netzaufrüstungen voran. Diese Upgrades bedeuten oft, dass neue, schnellere Systeme installiert werden. Aber was passiert mit den alten Geräten, wenn Software oder Hardware aufgerüstet werden?
Die kurze Antwort? Sie werden zu Elektronikschrott. Laut Bundesumweltministerium sind es jährlich 20 Kilo Elektroschrott, die pro Kopf in Deutschland produziert werden. Wird Elektroschrott auf Mülldeponien entsorgt, kann dies verheerende Auswirkungen auf die umliegenden Gebiete haben, da er Blei und andere giftige Chemikalien freisetzt. Außerdem werden wertvolle und nicht erneuerbare Materialien weggeworfen und gehen verloren, wenn sie nicht recycelt werden.
Das Problem des Elektroschrotts hat sich in den letzten Jahren in alarmierendem Tempo verschärft. Zwischen 2014 und 2019 hat die Erzeugung von Elektroschrott weltweit um 21 Prozent zugenommen. Bis 2030 wird erwartet, dass das weltweite Aufkommen an Elektroschrott 74,7 Millionen Tonnen erreichen wird. Zum Vergleich: So viel wiegt nicht einmal die Chinesische Mauer. Leider wird dieses Problem umso dringlicher, je mehr die Technologie im täglichen Leben Einzug hält.
In den letzten Jahren haben verschiedene Faktoren und Branchen die Erzeugung von Elektroschrott vorangetrieben, und die Telekommunikation bildet hier keine Ausnahme. Der Sektor verursacht jedes Jahr beträchtliche Mengen an Elektroschrott, und leider haben die Telekommunikationsanbieter nicht die notwendigen Schritte unternommen, um die Menge zu senken. Und das, obwohl dieser Abfall der Branche keinesfalls unbekannt ist.
Tatsächlich ist die Vorgehensweise der Telekommunikationsanbieter seit mehr als zwei Jahrzehnten unverändert geblieben – mit dem gleichen unflexiblen, teuren und nicht nachhaltigen Ansatz beim Breitbandausbau. Die für die nächsten Jahre prognostizierten Mengen an Elektroschrott sollten daher ein Alarmsignal für die Telekommunikationsbranche sein. Es ist an der Zeit, dass sich die Netzbetreiber zusammenschließen und ihren ökologischen Fußabdruck durch innovative, unkonventionelle Maßnahmen reduzieren.
Welche Faktoren tragen eigentlich dazu bei, dass die Branche so große Mengen an Elektroschrott produziert? Und was können Telekommunikationsunternehmen konkret tun, um diese Mengen zu verringern?
Gründe für die zunehmenden Mengen an Elektroschrott
Altgeräte sind die Hauptverursacher von Elektroschrott. Seit den Anfängen des Internets werden Netzwerksoftware und -hardware von einem einzigen Anbieter als monolithisches System verkauft, d.h. jeder Dienst wird mit einer an die Hardware gebundenen Software entwickelt. Herkömmliche Telekom-Router (insbesondere BNGs) sind groß, sperrig, kostspielig und lassen sich nur mit erheblichem Aufwand aufrüsten. Bei einem unausweichlichen Upgrade der Software wandert die Hardware, an die die alte Software gebunden war, oft in den Müll, wo sie giftige Chemikalien in die Atmosphäre freisetzt und damit die Umwelt erheblich belastet. Außerdem kann jemand, der zu einem neuen Softwareanbieter wechseln will, seine Hardware nicht wiederverwenden. Sie muss komplett ersetzt werden und wird entsorgt.
Es liegt auf der Hand, dass nicht-disaggregierte, veraltete Netzwerke, in denen die Software an die Hardware gebunden ist, erheblich zum heutigen Elektroschrottproblem beiträgt – wenn die Hardware unweigerlich weggeworfen wird. Dies ist ein besonderes Problem bei Telekommunikationsgeräten, da man alte Hardware nicht wirklich für einen anderen Zweck verwenden kann, wie man es mit Computern oder anderen Technologien tun kann. Um den Abfall zu minimieren und ihre eigenen Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, müssen die Netzbetreiber nach alternativen Methoden für den Aufbau ihrer Netze suchen.
Schluss mit Unmengen an Elektroschrott
Nachhaltigkeit steht zunehmend im Vordergrund der Unternehmensziele. Das Bewusstsein für die negativen Auswirkungen von Technologie auf den Planeten ist größer denn je. Wie viele andere muss sich auch die Telekommunikationsbranche diesem Problem stellen und die negativen Auswirkungen minimieren.
Glücklicherweise werden bereits entsprechende Maßnahmen ergriffen. Die Betreiber beginnen, von traditionellen monolithischen Routing-Systemen auf offene Bare-Metal-Switches umzusteigen, die eine praktischere, umweltfreundlichere und kostengünstigere Form von Hardware darstellen.
In der Vergangenheit wurden Systeme mit vielen voneinander abhängigen Teilen in einem Gehäuse gebaut. Wenn ein Teil veraltet war und aufgerüstet werden musste, landete unter Umständen das gesamte System im Müll. Dank der Disaggregation können offene Bare-Metal-Switches jetzt je nach Bedarf stückweise ersetzt werden, wobei sogar Teile verschiedener Hersteller ausgetauscht werden können.
Außerdem ist nachhaltige Bare-Metal-Hardware im Gegensatz zu herkömmlichen Systemen wiederverwendbar und hat eine längere Lebensdauer. Sie kann umprogrammiert werden und mit einer anderen Software eine neue Funktion erhalten – landet also nicht ohne weitere Verwendung auf dem Müll.
Weniger Elektroschrott und gesenkter Stromverbrauch
Obwohl Elektroschrott ein dringendes Problem ist, ist es nicht das einzige, das ein Unternehmen bewältigen muss. Telekommunikationsunternehmen sind auch immer auf der Suche nach Möglichkeiten, den Stromverbrauch zu senken.
Bare-Metal-Switches verwenden Silizium, das ein bis zwei Jahre schneller auf den Markt kommt als proprietäre Systeme, so dass sie auch in Bezug auf den Stromverbrauch bei gleicher Leistung fortschrittlicher sind. Die Hardware kann mit einer Reihe von Betriebssystemen betrieben werden, was den Übergang zu dieser Art von Technologie kostengünstiger und flexibler macht. Zudem ist das zugrundeliegende Silizium, das von offenen Switches verwendet wird, auch sehr energieeffizient, da es in der Regel eine Generation weiter ist als das proprietäre Silizium, das in herkömmlichen Switches und Routern verwendet wird. Angesichts des jüngsten Anstiegs der Stromkosten kann dies den Netzbetreibern noch größere Kostensenkungen sowie eindeutige Nachhaltigkeitsvorteile bringen.
Allerdings ist dieser Ansatz zur Bekämpfung des Elektroschrotts noch nicht zum Mainstream geworden. Es muss noch mehr Arbeit geleistet und Aufklärung betrieben werden. Der Austausch von Hardware ist zwar relativ einfach, erfordert aber von den Telekommunikationsunternehmen ein Umdenken und die Bereitschaft, neue Wege beim Aufbau von Netzwerken zu beschreiten – ein Prozess, der sich seit über 20 Jahren nicht wesentlich verändert hat. Dies könnte bedeuten, dass das operative Wissen aus den proprietären Betriebssystemen der Anbieter übernommen und auf offene Systeme umgestellt werden muss. Es kann auch erforderlich sein, dass sie prüfen, ob einige alte Funktionen noch unbedingt erforderlich sind, da sie in modernen disaggregierten Alternativen möglicherweise nicht verfügbar sind.
Fazit
Auch wenn eine vollständige Abfallvermeidung vorerst nicht möglich sein wird, kann die Telekommunikationsbranche bereits jetzt offensive Maßnahmen ergreifen, um die Menge von Altgeräten, die auf dem Müll landet, zu verringern. Ein wichtiger Teil davon ist, dass die Entscheidungsträger in den Telekommunikationsunternehmen damit beginnen, neue Technologien wie offene Bare-Metal-Switches einzubinden, um ihren CO2-Fußabdruck zu verringern.
In der Telekommunikation müssen wir immerzu sicherstellen, dass wir sowohl technologisch als auch in Bezug auf die Nachhaltigkeit auf dem neuesten Stand bleiben. Wir dürfen Nachhaltigkeit nicht länger als ein Innovationshemmnis verstehen. Wir können innovativ sein, ohne einen großen Haufen ausgedienter Geräte zu hinterlassen. Wir müssen Wege finden, um die Menge des anfallenden Elektroschrotts zu verringern und alte Geräte zu recyceln.
Da die Nachhaltigkeit und die Minimierung der Umweltauswirkungen zunehmend zu einem Hauptziel der Telekommunikationsbranche werden, müssen die Netzbetreiber die Art und Weise, wie sie ihre Netze aufbauen, neu überdenken – andernfalls werden die Fortschritte leider nicht schnell genug erreicht werden.
*Der Autor Hannes Gredler ist Gründer und CTO von RtBrick.
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