Die Unternehmensintegration ist auf dem Vormarsch 

Shawn McAllister, CTO bei Solace, erläutert in seinem Gastbeitrag für IT WELT.at, wie ein ereignisgesteuerter Integrationsansatz die Unternehmensführung voranbringen kann, indem er eine Integration auf Mikroebene ermöglicht und IoT-Geräte, SaaS-Anwendungen, Legacy-Anwendungen und mobile Geräte miteinander verbindet, um Ereignisse nahtlos und in Echtzeit auszutauschen. [...]

Shawn McAllister, Chief Technology Officer und Chief Product Officer bei Solace. (c) Solace
Shawn McAllister, Chief Technology Officer und Chief Product Officer bei Solace. (c) Solace

Die reale Welt ist stark vernetzt, aber die Unternehmen sind es noch nicht. Das zeigen die globalen Auswirkungen des jüngsten Crowdstrike-Computerausfalls, des Wassermangels im Panamakanal und anderer Unterbrechungen wichtiger Schifffahrtsrouten. Nur 12 % der Unternehmen verfügen über integrierte Datensysteme, sie arbeiten lediglich auf einer Makroebene der Datenintegration und haben nur ein unvollständiges Bild der Ereignisse. Geschäftsprozesse laufen immer noch in Silos ab, Niederlassungen auf der ganzen Welt sind immer noch in Silos untergebracht und, was noch wichtiger ist, Daten werden immer noch in Silos vorgehalten.

Große multinationale Unternehmen nutzen in der Regel Tausende von Anwendungen, deren Daten aus hybriden und Multi-Cloud-Umgebungen, IoT- und Mobilgeräten und verteilten Umgebungen stammen. 

Diese Datenereignisse finden naturgemäß in Echtzeit statt – ein Kunde bestellt online, ein Lieferant aktualisiert seinen Lagerbestand, ein Passagier scannt seine Bordkarte, ein Sensor registriert eine plötzliche Temperaturschwankung. Diese Ereignisse erfolgen nicht synchron und sie lösen Folgeaktionen aus, die sich auf verschiedene Abteilungen und Prozesse eines Unternehmens auswirken.

Die riesigen Informationsmengen, um die es hier geht, enthalten Daten, die für den täglichen Betrieb eines Unternehmens von entscheidender Bedeutung sind. Sie verdeutlichen den dramatischen Wandel in der Art und Weise, wie die zunehmend globalisierten Geschäftssysteme miteinander integriert sind.

Die alten Integrationsmethoden werden den Anforderungen der heutigen Echtzeit-Geschäftswelt nicht mehr gerecht

Traditionelle Methoden wie iPaaS und ESB werden nach wie vor eingesetzt, um in komplexen Netzwerken Daten unterschiedlicher Systeme zusammenzuführen. Sie können jedoch mit den Anforderungen der heutigen datengesteuerten Systemlandschaften nicht mehr Schritt halten. Denn synchrone Punkt-zu-Punkt-Lösungen sind einfach nicht in der Lage, die ständig wachsenden Mengen an Echtzeitdaten zu verarbeiten, die in modernen Unternehmen in immer mehr Anwendungen fließen. Herkömmliche Integrationsmethoden führen zu einem komplexen Netzwerk von Verbindungen, das schwer zu verstehen ist, Datenspitzen nicht bewältigen kann und auf Störungen und Ausfälle nicht robust genug reagiert. Die Folge sind längere Laufzeiten der Anwendungen und eine schlechtere Benutzererfahrung. Um die Integration zu vereinfachen, immer mehr in Echtzeit zu arbeiten und besser vernetzt zu sein, müssen Unternehmen einen „ereignisgesteuerten“ Ansatz einführen.

Ereignisgesteuerte Daten erfordern eine ereignisgesteuerte Integration

Ereignisgesteuerte Integration bietet einen neuen, innovativen Ansatz für die Verbindung von Systemen – durch den Austausch von Ereignissen in Echtzeit. Dabei wird bei jedem Ereignis, das in einem System eintritt, eine Nachricht an einen zentralen Knotenpunkt – den Event-Broker – gesendet. Andere Systeme abonnieren diesen Broker oder ein Netzwerk von Event-Brokern, ein sogenanntes Event-Mesh, und erhalten die Nachrichten in Echtzeit, um entsprechend reagieren zu können. Wie wir in der realen Welt sagen, sind sie damit alle auf dem gleichen Informationsstand! Dieser On-Demand-Ansatz von „Data as a Service“ ermöglicht ein Maß an Flexibilität und Skalierbarkeit, das weitaus dynamischer, reaktionsfähiger und zeitnaher ist als bei herkömmliche Methoden.

Analysten unterstützen das Konzept

Führende Analysten sehen in der ereignisgesteuerten Integration eine Schlüsselkomponente, um Echtzeitbewegungen geschäftskritischer Daten zu optimieren. Gartner hat diesen Trend in der Entwicklung von IT-Systemarchitekturen identifiziert und damit eine „ereignisbasierte“ Denkweise eingeleitet, die IT-Systeme nicht mehr als „Datenspeicher“, sondern als das „Nervensystem“ eines Unternehmens betrachtet. Genauer gesagt: „Daten in Bewegung“ werden im Gegensatz zu ruhenden Daten als die eigentliche Quelle effektiver Entscheidungsfindung angesehen.

Der Ansatz der ereignisgesteuerten Integration lässt sich hervorragend mit der bestehenden „Integration Platform as a Service“ (iPaaS) eines Unternehmens kombinieren. Wenn iPaaS durch eine ereignisgesteuerte Plattform ergänzt wird und beide Systeme Hand in Hand arbeiten, können IT-Teams die Informationsflüsse nach und nach auf eine ereignisgesteuerte Plattform migrieren und die wichtigsten Geschäftsprozesse schrittweise implementieren.

Das hat auch IDC kürzlich in seinem IDC Market Glance – Connectivity Automation, 2Q24 (Shari Lava und Andrew Gens, Juni 2024) festgestellt: „Ein weiterer Trend, der das Wachstum der ereignisgesteuerten Architektur (EDA) vorantreibt, ist die Möglichkeit, EDA in Verbindung mit iPaaS zu nutzen, um Warteschlangen aufzuteilen, Engpässe zu vermeiden und die Arbeitslast und den Datenverkehr asynchron zu managen. Mit einer Event-Broker-Schicht kann ein Unternehmen zudem sicherstellen, dass es den Status von Nachrichten in der Warteschlange auch bei einem Sendefehler einsehen kann.“

Die Integration auf den Kopf stellen

Ein „ereignisgesteuerter“ Ansatz bedeutet, dass Integration überdacht und völlig neu gestaltet werden muss. In den letzten 20 Jahren war die Integration eher zentralisiert, mit monolithischen Anwendungen und zahlreichen Abhängigkeiten. Bei den aktuellen Integrationsansätzen sind die Integrationskomponenten in den Datenpfad, also in den Kern, integriert. Integration, ob in Echtzeit oder als Batch, erfordert jedoch Konnektivität und Transformation. 

Die Herausforderung bei zentralisierten Integrationsansätzen besteht darin, dass sie Konnektoren, Transformationen, Mappings und potenziell transaktionalen Kontext in einer Laufzeitumgebung vereinen, durch die alle Daten synchron fließen müssen. Dadurch kann die Integrationskomponente zum Flaschenhals werden und unter ähnlichen Problemen leiden wie monolithische Anwendungen. Ereignisgesteuerte Integration kehrt diesen Ansatz um.

Integrationen und Konnektoren werden an den Rand verlagert, während der dezentrale Echtzeit-Datenfluss und die Ereignisse im Zentrum stehen. Das Ergebnis ist eine Anwendungs- und Integrationsarchitektur, die agiler, skalierbarer, robuster und echtzeitfähiger ist – ähnlich wie ereignisgesteuerte Microservices. 

Die Anwendungsfälle von heute erfordern eine Integrationsarchitektur, die sowohl Datenverkehrsspitzen als auch langsame/abgeschaltete Verbraucher ohne Leistungseinbußen verarbeiten kann. Sie muss skalierbar sein, um eine Zunahme an Verbrauchern, Produzenten und Datenmengen zu bewältigen, und sie muss die Lieferung von Daten auch an Verbraucher gewährleisten, die vorübergehend nicht verfügbar sind. Darüber hinaus ist eine Architektur erforderlich, die das einfache Hinzufügen von Verarbeitungskomponenten und Verteilungsmechanismen ermöglicht, ohne das Gesamtdesign zu beeinträchtigen, und mit der man sogar neue Technologien einführen kann, an die man vorher nicht einmal gedacht hat, wie GenAI-Agenten und LLMs.  

Die Transformation der Integration eröffnet völlig neue Perspektiven 

Eine optimale ereignisgesteuerte Integration implementiert man nicht über Nacht. Es handelt sich um einen evolutionären Prozess, der aus vier Transformationsstufen besteht:

Aufbrechen von Datensilos

Herkömmliche Systeme schaffen häufig Datensilos, die den Datenzugriff und eine fundierte Entscheidungsfindung behindern. Die ereignisgesteuerte Integration fördert die Transparenz und Verfügbarkeit von Informationen, so dass Unternehmen problemlos auf die benötigten Daten zugreifen können, wann immer sie diese benötigen.

Umgang mit Schwankungen im Datenaufkommen

Die Entkopplung der Komponenten dient als „Stoßdämpfer“, der unerwartete Schwankungen im Datenverkehr, wie z.B. plötzliche Nachfragespitzen, die zu einem starken Anstieg des Auftragsvolumens führen, problemlos bewältigt. Die Entkopplung sorgt auch für eine robustere Infrastruktur, die toleranter gegenüber Störungen und Ausfällen ist und Fehlerkaskaden verhindert.

Beschleunigte Innovation

Die ereignisgesteuerte Integration optimiert den Prozess, neue Anwendungen und Dienste zu integrieren. Damit ermöglicht sie es Unternehmen, Innovationen schneller zu implementieren und einen Vorsprung zu erzielen. Wenn Sie heute bereits ereignisgesteuerte Integration einsetzen würden, könnten Sie Ihre GenAI-Anwendungen schneller und einfacher mit Geschäftskontext in Echtzeit ausstatten, indem Sie diese neuen Komponenten einfach zu Ihrer bestehenden Ereignisverteilungsarchitektur hinzufügen.

Optimierte Nutzererlebnisse

Datenintegration in Echtzeit bietet den Benutzern eine konsistente, stets aktuelle Sicht auf die Informationen, was zu einer reibungsloseren und effizienteren Arbeitsweise führt.

Ereignisgesteuerte Integration in der realen Welt: Unternehmen, die über den Tellerrand der herkömmlichen Integration hinausblicken 

Unternehmen in Branchen wie Finanzdienstleistungen, Fertigung, Einzelhandel und anderen Sektoren haben begonnen, ereignisgesteuerte Anwendungsfälle zu implementieren. 

So hat Heineken im Rahmen seiner Vision, der am stärksten vernetzte Bierbrauer der Welt zu werden, eine ereignisgesteuerte Strategie umgesetzt, bei der Ereignisse in der Produktionslinie in Echtzeit Bestandsaktualisierungen und eine automatische Auftragsabwicklung im Vertrieb auslösen – und das für 350 globale und lokale Bier- und Apfelweinmarken, die in über 190 Ländern verkauft werden.

Die führende deutsche Lebensmittelkette EDEKA nutzt einen ereignisgesteuerten Ansatz, um ihre Lieferketten- und Warenwirtschaftssysteme zu modernisieren, indem sie synchrone Batch-Updates zwischen isolierten Systemen durch einen Datenaustausch in Echtzeit ersetzt. Mit einem kontinuierlichen, ereignisgesteuerten Informationsfluss unterstützt EDEKA nun ein besseres Einkaufserlebnis für seine Kunden.

Ein IDC Infobrief berichtete vor Kurzem, dass 82 Prozent der Befragten entweder mit der Implementierung von zwei bis drei ereignisgesteuerten Anwendungsfällen begonnen haben oder dies für die nahe Zukunft planen. 

Neugestaltung der Integrationsarchitektur, um den heutigen Anforderungen gerecht zu werden

Wachsende Datenmengen und zunehmende Konnektivität sowie sich wandelnde  Nutzungsmuster und Kundenerwartungen verändern die Art und Weise, wie große Unternehmen ihren internen Informationsfluss organisieren müssen. Herkömmliche Integrationsansätze sind nicht mehr in der Lage, Unternehmen zu unterstützen, die den Anforderungen von Kunden, Mitarbeitern und Lieferanten in Echtzeit gerecht werden müssen.

Die ereignisgesteuerte Integration bietet multinationalen Unternehmen die Möglichkeit, ihre Integrationsstrategie zu modernisieren und ihr Unternehmen in einer zunehmend digitalisierten, in Echtzeit ablaufenden Welt anpassungsfähiger, skalierbarer und robuster zu machen.

*Der Autor Shawn McAllister ist Chief Technology Officer und Chief Product Officer bei Solace.


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