Die Zukunft der KI ist offen

Open Source basiert auf Zusammenarbeit und Transparenz. Dank dieser beiden unbestreitbaren Vorteile haben Open-Source-Lösungen das Potenzial, die Art und Weise zu revolutionieren, wie KI-Systeme entwickelt und eingesetzt werden. [...]

Jan Wildeboer, EMEA Evangelist bei Red Hat, erklärt, warum ein offener Ansatz für Künstliche Intelligenz unerlässlich ist. (c) Red Hat
Jan Wildeboer, EMEA Evangelist bei Red Hat, erklärt, warum ein offener Ansatz für Künstliche Intelligenz unerlässlich ist. (c) Red Hat

Obwohl Künstliche Intelligenz noch weit von der technologischen Singularität entfernt ist, hat ihr Einfluss spätestens mit dem Aufkommen der großen KI-Modelle, den sogenannten Foundation Models, Industrie und Gesellschaft spürbar verändert. Das Training dieser Modelle erfordert jedoch enorme Datenmengen und leistungsfähige Rechenzentren, über die in der Regel nur die wirklich großen Marktteilnehmer verfügen. Auf der anderen Seite lassen sich die Foundation Models relativ einfach an geschäftliche Anforderungen anpassen, was die Kosten für das initiale Modelltraining senkt und die Zeit bis zur Wertschöpfung verkürzt. Domänenspezifische KI eröffnet somit einer wesentlich breiteren Anwendergruppe den Zugang zu einer neuen Welt. Monopolisierung erfordert jedoch immer ein Gegengewicht – in diesem Fall einen stärkeren Open-Source-Ansatz. Denn offene Technologien bieten viele Vorteile, darunter mehr Transparenz, Innovation und Sicherheit. 

Vertrauen durch Transparenz

Die AI Alliance, an der unter anderem IBM, Intel, Red Hat und die TU München beteiligt sind, hat sich zum Ziel gesetzt, durch einen offenen Wissens- und Technologietransfer der Künstlichen Intelligenz mehr Transparenz zu verschaffen und damit das Vertrauen von Wirtschaft und Gesellschaft in die Möglichkeiten der Technologie zu stärken. Parallel dazu arbeitet die Open Source Initiative (OSI) an einer gemeinsamen Arbeitsdefinition. Bislang gehen die Meinungen darüber, wann KI offen ist und wann nicht, weit auseinander. Unabhängig davon profitiert die Künstliche Intelligenz, wenn Schlüsselkonzepte aus der Open-Source-Welt übertragen werden. Offener Quellcode ermöglicht es den Nutzern, die Funktionsweise von KI-Algorithmen und die verwendeten Quellen besser zu verstehen und zu überprüfen, was das Vertrauen in die Technologie stärkt. Dies ist besonders wichtig in Bereichen wie dem Gesundheits- und Finanzwesen, in denen Vertrauen durch Transparenz von entscheidender Bedeutung ist.

Innovation durch Zusammenarbeit

KI-Modelle auf Open-Source-Basis ermöglichen es Entwicklern, auf bestehenden Frameworks sowie Architekturen aufzusetzen und so die rasche Entwicklung und Iteration neuer Modelle voranzutreiben. Das heißt, Unternehmen können innovative Anwendungen realisieren, ohne das Rad jedes Mal neu erfinden zu müssen. Denn wenn mehr Akteure Zugang zu den Rohmaterialien haben, können sie die unterschiedlichsten Ideen verfolgen und wirklich kreative Projekte umsetzen. Im besten Fall wird Open-Source-Software zum Industriestandard: Unternehmen bauen ihre Lösungen auf Grundlage des Stacks der großen Anbieter. Diese wiederum profitieren, indem sie die Verbesserungen der anderen in ihre KI integrieren. Das Ergebnis ist ein Katalysator für mehr Wettbewerb und Innovation, von dem auch kleinere Marktteilnehmer profitieren.

Sicherheit durch „Vier-Augen-Prinzip“

Mit dem rasanten Aufstieg von generativer KI nehmen auch die Diskussionen über die Gefahren dieser Technologie zu. Schließlich können die Systeme missbraucht werden, um mit Hilfe von manipulierten Aussagen, Bildern oder Videos Falschmeldungen zu verbreiten oder betrügerische Aktivitäten zu starten. Es stellt sich daher die Frage, ob durch einen Open-Source-Ansatz – das heißt, wenn auch Kriminelle Einblick in die Funktionsweise von KI-Algorithmen erhalten – die Risiken nicht unkontrollierbar werden. In der Regel verfügen offene Systeme über Sicherheitsvorkehrungen beziehungsweise Richtlinien zur verantwortungsvollen Nutzung. Sobald jedoch ein KI-Modell frei verfügbar ist, kann jeder die Sicherheitsmaßnahmen selbst verändern. Wie bei jeder anderen Technologie gilt auch hier: Wer Schaden anrichten will, findet einen Weg – ob nun Open Source oder proprietär. Offenheit und Transparenz werden jedoch dazu beitragen, die Sicherheit der KI zu erhöhen. Wenn die Software offen ist, können mehr Menschen sie testen, um mögliche Probleme zu erkennen und zu beheben. Darüber hinaus können Entwickler, Forscher und Firmen aus den unterschiedlichsten Bereichen gemeinsam an Lösungen arbeiten, um Risiken zu minimieren. Gleichzeitig muss die Technologiegemeinschaft Richtlinien und Mechanismen festlegen, die eine ethische Entwicklung der KI fördern.  

Demokratisierung durch freien Zugang

Dank all dieser Vorteile trägt der Open-Source-Gedanke zur Demokratisierung der Künstlichen Intelligenz bei. Indem Werkzeuge und Ressourcen prinzipiell allen zur Verfügung stehen, können auch alle davon profitieren. Mit zunehmender Bedeutung der Technologie ist dieser Gedanke wichtiger denn je: Da KI in Zukunft nahezu alle Bereiche der Gesellschaft beeinflussen wird, sollte die Macht darüber nicht in den Händen weniger liegen. Der Open-Source-Ansatz eröffnet Menschen mit den unterschiedlichsten sozioökonomischen Hintergründen die Möglichkeit, sich an der Entwicklung der Technologie zu beteiligen und so eine gerechtere KI zu gestalten. Hinzu kommt: Der steigende Wettbewerbsdruck durch Globalisierung, kürzere Produktlebenszyklen und der damit verbundene höhere Innovationsdruck verstärken die Notwendigkeit, Prozesse zu öffnen und damit zu optimieren. Vielen Unternehmen fehlen schlicht die finanziellen Mittel für bahnbrechende Neuentwicklungen, aber auch das Know-how im eigenen Haus. Daraus ergibt sich fast automatisch die Notwendigkeit, sich mit Partnern, Zulieferern oder eben anderen Unternehmen zusammenzuschließen. 

Fakt ist: KI ist die Schlüsseltechnologie schlechthin. Um tragfähige KI-Modelle zu entwickeln, Trainingsdaten einer breiteren Nutzergruppe zur Verfügung zu stellen und drängende ethische Fragen zu klären, ist ein funktionierendes Ökosystem unabdingbar. Auch wenn nicht jede KI auf Open-Source-Prinzipien basieren wird, ist die Kombination aus der gemeinsamen Nutzung vortrainierter Modelle durch die Community und der Einschränkung des Zugangs zu den Trainingsdaten eine Alternative zu proprietären Ansätzen. KI sollte als Schwarmintelligenz verstanden werden. Alle Partner, die ihr Wissen in den Schwarm einbringen, können voneinander lernen, ohne automatisch sensible Informationen preisgeben zu müssen. Schwarmintelligenz ist auch in dem Sinne relevant, dass domänenspezifische KI-Modelle zunehmend an Bedeutung gewinnen.

*Der Autor Jan Wildeboer ist EMEA Evangelist bei Red Hat.


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