AR hat den Gimmick-Status längst verlassen. Die hochmoderne Erweiterung der individuellen Realitätswahrnehmung durch computerunterstützte Verbindungen setzt dabei neue Maßstäbe für die Digitalwirtschaft. Nur welchen Mehrwert bietet die Technologie wirklich? [...]
Internationale Recherche-Häuser prognostizieren bereits heute ein kontinuierliches Wachstum der Augmented Reality. Beispielsweise Grand View Research aus Kalifornien, rechnet bis 2030 mit einem Marktvolumen von ca. 600 Milliarden US-Dollar. In der Praxis reduzieren sich Anwendungsbeispiele nicht nur auf Entertainment, Medizinforschung oder Telekommunikation. Urlaubsvideos durch die AR-Brille oder Echtzeitdiagnosen in der Medizin, sind nur einige unter vielen Möglichkeiten. Business-Teams können sich virtuell treffen, Produkte im AR-Showroom von allen Seiten betrachtet und sogar das technische Innenleben kann in Augenschein genommen werden, ohne vom Schreibtisch aufstehen zu müssen. Architekten, Künstlern und Forschern ebnen sich Mehrwerte, bessere Einblicke und spannende Cross-Over-Effekte.
Zeitgleich wirft der Faktor Anwenderkosten ein zumindest temporäres Fragezeichen hinter AR-Anwendungen. Vor allem sind es Summen für Herstellung und Wartung, die die gegenwärtigen finanziellen Aufwendungen für Unternehmen oder Verbraucher perspektivisch in die Höhe treiben.
Bislang können Nachfragen für Produktion oder Reparatur einzig von extrem geschulten Fachleuten bedient werden. Solange nur eine geringe Anzahl an IT-Spezialisten mit AR umgehen kann, werden entsprechende Preise für Unternehmen und Verbraucher hoch bleiben. Da, Stand August 2023, AR- und VR-Anwendungen (Bsp. Mixed-Reality Brillen) noch bei weitem nicht als Massenware eingeführt wurden, kann kurzfristig nicht mit erschwinglichen Preisen gerechnet werden.
Mit Sicherheit in das AR-Zeitalter? Worauf Unternehmen und Verbraucher achten müssen
Doch bei aller berechtigten Produkteuphorie gilt: Der Erfolg derart nischiger Innovationen wird auch anhand der digitalen Resilienz gemessen. Schließlich vertraut niemand – ganz egal ob Privatperson oder Unternehmen – einer Anwendung, die permanente Sicherheitsrisiken in sich verbirgt und Datendiebstahl, Social Engineering oder Man-in-the-Middle-Angriffen schutzlos ausgeliefert ist. Genau dies sind potenzielle Angriffsarten, anhand derer AR-Tools potenziell gehackt werden könnten, sollte der IT-Schutz nicht angemessen sein.
Ist zum Beispiel der Zugriff auf ein Endgerät sowie dessen Kamera, inklusive Standort und Sensordaten, erstmal geglückt, können deutlich mehr Privatdaten über Nutzer gesammelt werden als beispielsweise über Social Media. Infos zu bevorzugten Medienkanälen im täglichen Gebrauch, aber auch höchstsensibles Fotomaterial und sogar Einblicke in private Räumlichkeiten der AR-Nutzer, können bei einem erfolgreichen Hack missbraucht werden.
Regelmäßig aktualisierte Passwörter und agile Security-Lösungen, die betroffene Netzwerke vor illegitimen Traffic schützen, müssen dabei zwingend beachtet werden. So können Mindeststandards für einen sicheren Gebrauch eingehalten werden.
Außerdem sollten Fans der Technologie Awarness dafür haben, dass unbekannte Technologien auch teilweise unbekannte Sicherheitsrisiken mit sich bringen. Heißt auch: Der aktuelle Wissensstand von Securityplattformen muss nicht automatisch sämtliche potenzielle Vektoren rund um AR berücksichtigen. Bildet sich durch die erweiterte Realität ein unbekannter Vektor, müsste die Securitybranche erst darauf reagieren.
Sind Angreifer, die sich auf diese neue Technologie fokussieren, denkbar schnell identifiziert und neutralisiert, kann der Einstieg in das AR-Zeitalter weitestgehend ohne Sicherheitsrisiken beginnen.
Weiteres Entwicklungspotenzial – AR mit hohem Energieverbrauch
Abschließend kommt hinzu, dass AR auf Business- und Konsumentenseite mit dem jetzigen Stand der Entwicklung meist nur unter Verwendung aktueller und enorm leistungsfähiger Hardware läuft. Insbesondere die Rechenleistung zur Erzeugung virtueller Realitäten sorgt neben der Datenspeicherung für einen sehr hohen Energiebedarf. Selbst wenn sowohl die Rechenzentren in der DACH-Region als auch AR-Endgeräte stetig energieeffizienter werden, liegt eine große Herausforderung auf dem Weg zur Normalisierung von AR auf der Hand. Je nachhaltiger große Zukunftstechnologien betrieben werden, auf desto mehr Akzeptanz stoßen sie dann in der Regel auch.
Während AR für private Zwecke eher spontan und daher unregelmäßig genutzt wird, bräuchten Firmen perspektivisch eine konstante und regelmäßige Energiezufuhr innerhalb ihrer Arbeitszeiten für den Betrieb von AR.
Daher sollten neben der Sicherheit auch Einspar- und Kompensationsoptionen berücksichtigt werden. Denn selbst wenn durch virtuelle Meetings energieintensive Reisen ersetzt werden können, müssen Anwender die enormen Strommengen für die Praxis mit einkalkulieren.
Fazit: Wie AR normalisiert werden kann
Die Zeiten, in denen AR als reiner Gimmick angesehen wurde, sind vorbei. Unternehmen aus den USA setzen dabei neue Maßstäbe, indem sie hochmoderne AR-Technologien in ihre Produkte integrieren. Diese Technologie eröffnet disruptive Möglichkeiten für sowohl Verbraucher als auch Unternehmen. Die Herausforderung besteht darin, diese Technologie sicher und widerstandsfähig gegenüber möglichen Bedrohungen zu gestalten, um das volle Potenzial von AR auszuschöpfen.
Mit dem heutigen Wissensstand wird schnell klar: AR-Technologien haben kaum eine Zukunft, wenn sie alleine durch ein perfektioniertes Nutzererlebnis begeistern sollen. Erst wenn AR ohne Sicherheitsrisiken vollendet ist und der Energiebedarf für die Nutzung optimiert wurde, kann auch das komplette Potenzial ausgeschöpft werden.
*Der Autor Markus Cserna ist CTO bei cyan Digital Security.
Be the first to comment