Eine eindeutige Identifikation wird in Zeiten der voranschreitenden Digitalisierung immer wichtiger. Frank S. Jorga, Gründer und Co-CEO der auf digitale Identifizierungsverfahren und Online-Signaturen spezialisierten WebID Solutions, hat Trends für 2022 zusammengefasst. [...]
Ob Finanzdienstleistungen, Gaming, öffentliche Verwaltung, Telekommunikation oder Gesundheitswesen: Die eindeutige Personenidentifikation auf digitalem Wege rückt immer stärker in den Fokus – getrieben durch neue rechtliche Vorgaben ebenso wie durch steigende Kundenanforderungen. Dabei kristallisieren sich einige Trends heraus, die im neuen Jahr besonders im Vordergrund stehen werden.
Trends in der Telekommunikationsbranche
Bereits seit 2017 müssen Telekommunikationsanbieter die Käufer von Prepaid-Karten identifizieren. Hintergrund dieser gesetzlichen Pflicht ist die Minimierung von Terrorrisiken. Bislang erfolgt die Identifikation durch das Video-Ident-Verfahren oder die eID-Funktion des neuen Personalausweises. Am 1. Dezember 2021 trat jedoch eine wenig beachtete Änderung des Telekommunikationsgesetzes (TKG) in Kraft, die im neuen Jahr ihre Wirkung entfalten wird: Die Novelle gibt Telekommunikationsanbietern die Möglichkeit, nun auch automatisierte Identifikationsverfahren mit künstlicher Intelligenz, Biometrie und/oder Hologrammüberprüfung einzusetzen. In Kombination mit Video-Ident lässt sich mit diesem Ansatz ein sicheres Kundenonboarding mit höheren Nutzerquote und zu reduzierten Kosten realisieren.
Trends im Online-Gaming
Online-Gaming boomt. Leider geht diese Entwicklung auch mit einer Zunahme von Cybermobbing und unsportlichen Verhaltensweisen durch Trolle, Cheater und Smurfs einher. Die Anbieter der Branche geraten unter Druck, mobbingfreie und faire Räume anzubieten. Wir können sehen, dass die Spielerverifizierung hier Erfolge zeigt. Sie ist wirksam – denn Mehrfachregistrierung und toxisches Verhalten aus der Anonymität heraus werden effektiv verhindert – und das kommt bei den Spielern gut an. Für 2022 ist zu erwarten, dass sich die gesamte Gaming- und E-Sports-Branche mit entsprechenden Lösungsmöglichkeiten auseinandersetzt, um die Communitys zu schützen und das Gaming-Erlebnis zu verbessern. Dank KI-getriebener Verfahren lassen sich in diesem Bereich schlanke Prozesse für eine Spielerverifizierung realisieren.
Trends in der öffentlichen Verwaltung
Gemäß Onlinezugangsgesetz (OZG) müssen Bund und Länder ihre Verwaltungsleistungen bis Ende 2022 online anbieten. Angesichts des derzeitigen Digitalisierungsgrades der öffentlichen Verwaltung ist bis zu diesem Termin noch erheblicher Handlungsbedarf gegeben. Die eindeutige Personenidentifizierung spielt hierbei eine zentrale Rolle, hat sie doch Relevanz in einer Vielzahl von Verwaltungsvorgängen. Bei jedem Auskunftsersuchen und jeder Beantragung einer Leistung müssen Beamte sichergehen, dass die Person auch wirklich diejenige ist, die sie vorgibt zu sein. In diesem Kontext hat sich das Video-Ident-Verfahren in der Praxis bereits bewährt. Beispielsweise wird es vom Standesamt Wiesbaden für die Anmeldung zur Eheschließung erfolgreich eingesetzt.
Wir gehen davon aus, dass Verwaltungen und Behörden ab 2022 stärker auf Video-Ident setzen werden. Denn das Verfahren ist durch Kontoeröffnungen weitgehend bekannt und zudem niederschwellig, da mit einem simplen Smartphone durchzuführen. Der Einsatz wird auch für die Identifizierung mit der staatlichen eID-Funktion des neuen Personalausweises mehr Akzeptanz schaffen.
Trends im Bereich Banken und Finanzdienstleistungen
2022 könnte für Banken und Finanzdienstleister in Hinblick auf die digitale Identifikation spannend werden. Derzeit ist Know-your-Customer (KYC) durch das Geldwäschegesetz (GwG) streng geregelt. Nur wenige Identifizierungsverfahren werden als sicher genug dafür eingestuft. Aktuell sind dies Video-Ident, Konto-Ident, eID und Post-Ident. Eine vollautomatisierte, rein KI-basierte Lösung wird keine Zulassung erhalten, da diese aller Vorrausicht nach niemals ein ausreichendes Sicherheitslevel erreichen kann. Doch es existiert eine Öffnungsklausel im GwG, nach der neue Verfahren möglich werden könnten. Für das Jahr 2022 sehen wir daher die Chance, dass halbautomatisierte Verfahren zum Einsatz kommen. Teilprozesse könnten hierbei durch KI abgewickelt werden, während die menschliche Nachkontrolle für das notwendige Sicherheitsniveau sorgt. Genau ist diese Entwicklung aufgrund vorherrschender Sicherheitsbedenken jedoch noch nicht vorherzusagen.
Trends im Gesundheitswesen
Im Gesundheitssektor wird die elektronische Patientenakte im Jahr 2022 weiter Fahrt aufnehmen. Die gesetzlichen Krankenkassen werden bei ihren Versicherten vermehrt für diese digitale Lösung werben. Die Akzeptanz der Patienten hängt allerdings stark von der Sicherheit ab – zweifelsohne sind Gesundheitsdaten besonders sensible und schützenswerte Daten, auf die nur Befugte Zugriff haben dürfen. Bei der Freischaltung der elektronischen Patientenakte ist es daher von hoher Bedeutung, dass sichere Identifizierungen gewährleistet sind. Wenn diese online stattfinden, gehen wir vorrangig vom Einsatz der Video-Ident-Methodik inklusive persönlichem Gespräch mit einem Agenten aus. Doch je nach demografischer Gruppe werden KI-getriebene Verfahren, etwa mit Hologrammüberprüfung, ebenfalls eine Nachfrage erfahren.
Fazit: Online-Identifikation wird deutlich zunehmen
Insgesamt wird deutlich: Jeder der oben skizzierten Bereiche hat eigene Ausgangslagen und Anforderungen an eine sichere und eindeutige Personenidentifizierung. Gemeinsam ist ihnen, dass mit dem anhaltenden Ausbau von Online-Angeboten immer mehr Anwendungsfelder hinzukommen. Mittlerweile existiert eine große Vielfalt an Online-Ausweisüberprüfungen, mit denen sich diese Bedürfnisse erfüllen lassen. Im Jahr 2022 werden sich noch deutlich mehr von ihnen im Einsatz befinden. Diese Dynamik wird auch die Entwicklung neuer Identifikationsverfahren beflügeln. Gleichzeitig werden wir eine zunehmende Akzeptanz der digitalen Identifikation erleben.
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