Die Corona-Krise hat die Industrie mit voller Wucht getroffen, gleichzeitig aber in vielen traditionellen Produktionsbetrieben für einen gewaltigen Digitalisierungsschub gesorgt. [...]
Fast die Hälfte der deutschen Industrieunternehmen hat ihre Produkte und Dienstleistungen im vergangenen Jahr an die durch die Pandemie gravierend veränderten Marktbedingungen angepasst und neue Lösungen eingeführt und knapp 42 Prozent haben ihre Geschäftsmodelle geändert, wie aus einer aktuellen Aussendung des Branchenverbandes Bitkom hervorgeht.
Auch in Österreich gibt es ein Prime-Beispiel wie radikal Digitalisierung neu gedacht werden muss, um unter disruptiven Marktbedingungen erfolgreich sein zu können. Das Anlagenbauunternehmen Ebner Industrieofenbau GmbH hat mit der Entwicklung seiner „Dating-Plattform für Maschinen“ gezeigt, wie durch Digitalisierung erfolgreich ganz neue Ansätze verfolgt werden können: „Wir haben die weltweite, pandemiebedingte Krise genutzt, um Digitalisierung proaktiv voranzutreiben und konkreten Kundennutzen zu stiften“, erläutert Stephan Puxkandl, Geschäftsführer der CATCH.direct GmbH, die im Zuge der Projektumsetzung gegründet worden ist, um die Innovation global zu vermarkten.
Volatiler, dynamischer Absatzmarkt als digitale Herausforderung
Anlagenbauer Ebner, einer der Weltmarktführer bei Industrieöfen zur Wärmebehandlung von Metallen, bedient einen sehr volatilen Markt von etwa 1000+ Kunden, welche permanent vor der Herausforderung der Optimierung ihrer Produktionsprozesse sowie der Auslastung ihrer Maschinenparks stehen. Durch diese Marktdynamik kommt es häufig auch zur Nachfrage nach kleineren Produktionschargen, ohne gleich groß in neue Produktionskapazitäten investieren zu müssen.
Die Idee zu einer Auktionsbörse, auf der Produktionsbetriebe ihre freien Kapazitäten anbieten und potenzielle Kunden ihren Bedarf einmelden können, entstand im Zuge der Digitalisierungsstrategie von Ebner. Mit ihr sollte das Sales Stammgeschäft durch innovative, intelligente Marktplatzleistungen zur Unterstützung der Kunden beim Ausbau ihrer Leistungsportfolios langfristig flankierend abgesichert und der anvisierte Wandel zu einem echten digitalen Industrie 4.0 Champion erfolgreich vollzogen werden.
Neues Mindset, digitale Kompetenzen und Technologien
Disruptive Innovationen erfordern ein neues holistisches Mindset von Digitalisierung, welches im Unternehmen Top down über alle Unternehmensbereiche von der Strategie, über das Produktmanagement bis hin zum Vertrieb implementiert und gelebt werden muss. Erfolgreiche Digitalisierung entsteht, wenn entwickelte Werkzeuge und aufgesetzte Prozesse umfassend verstanden und durch kompetente Endanwender richtig genutzt werden. Mit dem Fortschreiten der Digitalisierung verändern sich dann auch sukzessive die Spielregeln für effektive Kommunikation und Zusammenarbeit.
Der zweite große Puzzlestein im digitalen Change Prozess des Anlagenbauers betrifft den Aufbau von digitalem Know-how und die Beherrschung digitaler Technologien. Den Ausgangspunkt bildete eine Innovationspartnerschaft mit dem AIT Austrian Institute of Technology, dem Digitalisierungsspezialisten X-Net, und der Johannes Kepler-Universität Linz (JKU) , wie sie im Rahmen des FFG-Förderprogramms „Produktion der Zukunft – Agile und integrierte Produkt- und Prozessentwicklung“ zusammenfand.
Auf Basis dieses Forschungsprojektes konnte das für die Umsetzung der komplexen Lösung erforderliche Knowledge-Pooling über Abklärung grundlegender technologischer Fragestellungen im Bereich Data Science wie z.B. Quanten-Computer sichere Verschlüsselungstechnik, Verarbeitung verschlüsselter Daten und Match-Making Algorithmen auf Produktionsdatenebene realisiert werden.
Zur Realisierung der „Blind Auction“-Plattform wurden 3 innovative Kerntechnologien implementiert: Automatisiertes M2M Match-Making auf Basis einer verschlüsselten dezentralen Datenhaltung in der Cloud, Multi Party Computation und Integration von Blockchain-Technologie.
Um die Vorzüge des digitalen Industrie 4.0-Projektes wie die Realisierung des neuen Geschäftsmodells „Vom Verkauf von Maschinen zum Verkauf von Auslastung“ oder die Produktionsflexibilisierung auf Seite der Kunden voll zur Geltung bringen zu können, wurde im Dezember 2019 mit der CATCH.direct GmbH konsequenterweise ein eigenes Unternehmen gegründet, um das neue Service als unabhängiger Anbieter am Markt zu platzieren.
Für den IT-Dienstleister X-Net ist diese österreichische digitale Erfolgsgeschichte nicht nur aus Industrie 4.0-Perspektive einzigartig, sondern auch im Hinblick auf Nachhaltigkeit und faires globales Wirtschaften ein Vorzeigeprojekt: „Mit der Dating-Plattform für Maschinen haben wir auf Basis engster Zusammenarbeit im Konsortium auch die Sicherheit der Kommunikation in einer vernetzten Ökonomie, den Schutz der Privatsphäre bei Mensch-Maschine Interaktionen und die Förderung regionaler Entwicklungen zukunftsfähig neu ausgerichtet“, gibt sich Nikolaus Dürk von X-Net Services GmbH überzeugt.
Innovative digitale Kommunikationsplattform errang Platz 3 beim „Digital Leader Award“: Die hochkarätige Jury des renommierten deutschen Digitalisierungspreises „Digital Leader Award“ (DLA) hat die österreichische Einreichung „CATCH.direct“ – Dating-Plattform für Maschinen“ 2020 mit Platz 3 in der Kategorie „Projekte“ ausgezeichnet.
Dieser Preis bestätigt unseren Weg. Wir hoffen, dass wir mit unserer aktiven Digitalisierungsstrategie vielen anderen Unternehmen Mut machen konnten, den digitalen Wandel ebenso beherzt in Angriff zu nehmen.
*Stephan Puxkandl ist Senior Vice President bei Ebner Industrieofenbau und Geschäftsführer von CATCH.direct. Mehr zum Thema Digitalisierung in Österreich lesen Sie in der kommenden Ausgabe von transform!
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