"No Time To Die" heißt das neueste Abenteuer des britischen Super-Agenten James Bond. Doch wie zeitgemäß ist 007 noch? Und kann man von diesem eigenwilligen fiktiven Charakter mehr mitnehmen als ein paar unterhaltsame Kinostunden? Confare-Geschäftsführer Michael Ghezzo ist bekennender Bond-Aficionado, also haben wir ihm dazu ein paar kritische Fragen gestellt. [...]
Gender-Diversity, Online-Spionage, eine komplexe Welt ohne klare Schwarz-Weiß-Grenzen – wie zeitgemäß ist die Fiktion rund um den britischen Geheimagenten?
Ich selbst bin seit meiner Kindheit James-Bond-Fan, wobei mich vor allem das Geheimnisvolle der Spionage-Welt, der Style und der Science-Fiction-Aspekt sowie die Filmmusik angesprochen haben. In jungen Jahren habe ich die Bücher verschlungen. Die Filme selbst sind oft eher von nostalgischer Bedeutung. Ich denke, es ist eine der ganz großen Herausforderungen dieser Filmreihe, für jüngere Zuseher relevant zu bleiben. Die Bond-Filme funktionieren als Genre-Filme, indem sie immer wiederkehrende Muster aufgreifen, sich selbst zitieren und auf sich selbst referenzieren. Diese Muster stammen zum großen Teil aus den 60ern. Für junge Menschen wirkt das Frauenbild zu Recht mittelalterlich, die Zurschaustellung teurer Statussymbole und luxuriöser Autos anachronistisch und auch die technologischen Gadgets haben ein Ablaufdatum. Die Welt hat sich verändert. Spionage ist zu einem sehr technischen Unterfangen geworden. Handfeste Verfolgungsjagden und Faustkämpfe spielen dabei weniger eine Rolle als die Auswertung von Kommunikations- und Transport-Daten. Größere Welteroberungspläne sind da nur schwer umzusetzen.
Daneben ist die Blockbuster-Konkurrenz mittlerweile erdrückend. Die James-Bond-Filme tun sich schwer damit, als DIE Referenz für „State of the Art“-Action-Kino zu funktionieren, neben all den Superhelden, Fast and the Furios etc. Und traurigerweise hat auch die Filmmusik an Relevanz verloren. Der von John Barry kreierte James-Bond-Sound war über das berühmte Thema von Monty Norman hinaus ein echtes Markenzeichnen, das die Filme geprägt hat. John Barrys Nachfolger haben nur bedingt den besonderen Sound aufleben lassen können, der seine Wurzeln ebenfalls in der Filmmusik der 60er hat.
Den Machern der Filme ist durchaus bewusst, dass sie einige Anstrengungen unternehmen müssen, um neue Generationen anzusprechen. Die jüngeren Filme waren schon erfolgreicher darin, den Figuren mehr Relevanz und der Geschichte mehr emotionale Tiefe zu geben. Man hat mittlerweile weniger das Gefühl, einer Nummern-Revue zu folgen, die ohne tieferen Sinn von einem Schauplatz zum nächsten taumelt mit ein paar halblustigen Kalauern zwischendrin. Die Bösewichte und ihre finsteren Pläne sind realistischer und weniger hirnverbrannt. Am Werk sind echte Filmemacher, die durch gekonnte Inszenierung die Actionszenen glaubwürdig und die Handlung nachvollziehbar machen. Man darf nicht vergessen, dass hier massive unternehmerische Interessen daran liegen, den Anforderungen eines neuen Publikums gerecht zu werden. Das hat man nun schon seit sechzig Jahren immer wieder geschafft. Insofern bleibt die Spannung auch weiterhin groß, wenn ein neuer Film in die Kinos kommt, welchen Pfad das Unternehmen James Bond nehmen wird.
Du kennst die James-Bond-Reihe ja sehr gut. Haben die Filme technische Innovationen im richtigen Leben inspiriert? Welche Auswirkungen hat die aktuell stattfindende digitale Transformation Deiner Ansicht nach umgekehrt auf die James-Bond-Filme?
Tatsächlich gibt es eine über Jahrzehnte gepflegte Tradition, dass sich die Filmemacher sehr eng an aktuellen Erfindungen orientieren und diese in ihrer praktischen Anwendung vorausdenken. Das hat schon mit Goldfingers Laser begonnen, einer Technologie, die erst kurz vor dem Drehstart entstanden ist. Dabei ist man oft genau so weit gegangen, dass es gerade noch nicht Realität war. Die realitätsnahe Annahme dahinter ist die, dass der militärische Industriekomplex immer einen Schritt weiter ist, wenn es um die Adaption von Technologie geht. In einer Zeit, in der jedes Smartphone schon ein Superrechner ist, verliert das jedoch an Bedeutung. Die Abteilung Q kann nur mehr beschränkt Innovationen anbieten, die nicht schon von irgendeinem Startup global vermarktet werden.
Die Allmacht der Informationstechnologie birgt eine große Herausforderung für die 007-Autoren. Da wird schon mal die technische Realität der Handlung zuliebe ignoriert. Ein Beispiel: Wenn die angreifenden Hacker in Skyfall den MI6 attackieren und über einen infizierten Rechner gleich den gesamten Hochsicherheitsbereich im Zugriff haben, müssen die verantwortlichen IT-Manager wohl ganz schön geschlampt haben. Diese Art von Netzen haben in Realität schlicht keine Schnittstellen nach außen. Ihrer Zeit voraus zu sein gelingt den neuen James-Bond-Filmen nur mehr schwer. Die lange Wartezeit auf den neuen Film hat zum Beispiel dazu geführt, dass Szenen nachgedreht wurden, in denen sonst veraltete Smartphones zu sehen gewesen wären.
Was erwartest Du Dir vom kommenden James-Bond-Film und wie wird es mit dieser Figur nach der Daniel-Craig-Ära weitergehen?
Bewusst vermeide ich alle Trailer. Ich erwarte immer wieder den Casino-Royal-Effekt – da hat mich der Film wirklich umgehauen. Der Film hat sehr davon profitiert, dass er sich über lange Stellen stark am Fleming-Roman orientiert hat. Mit dem Reboot ist man einen sehr mutigen Schritt gegangen, den man aber nicht ständig wiederholen kann. Da ich also versuche, so wenig wie möglich vorne weg von „No Time To Die“ mitzukriegen, kann ich zum neuen Film nur wenig sagen, außer dass die wenigen Szenen und Bilder, die ich gesehen habe, sehr stylisch und intensiv rüberkommen. Gespannt bin ich darauf, was Hans Zimmer als Filmkomponist zur Reihe beiträgt. Ich habe das als Risiko gesehen, da es wieder einen Schritt der Bond-Reihe Richtung 08/15-Blockbuster darstellt. Man kann sich schwer von den anderen großen Filmen unterscheiden, wenn genau dieselben Leute am Werk sind. Deshalb würde es auch keinen Zweck haben, Christopher Nolan oder Quentin Tarantino an den Regiestuhl zu lassen.
Es hat sich aber immer wieder bewährt, bewusst und gewagt Publikumserwartungen zu ignorieren. Es wird mutige Schritte der Filmemacher brauchen, um sich auf diesem Parkett weiter zu behaupten. Die meisten Darsteller, die als Daniel-Craig-Nachfolger gehandelt werden, erscheinen mir zu prominent. Ich denke, man wird eher jemanden aus dem TV-Umfeld holen, vielleicht bewusst eine jüngere Person. Man müsste es dabei schaffen, die Anachronismen der Figur als wertvolle Exzentrik darzustellen, und man könnte sich durchaus erlauben, das Zusammentreffen mit der realen Welt zu inszenieren. Wenig halte ich von den Anliegen zu den humoristischeren Einlagen einer Roger-Moore-Ära zurückzukehren. Die James-Bond-Filme sind generell nicht ernst genug gemeint, um als Parodie wahnsinnig gut zu funktionieren.
Welche Lektionen können Führungskräfte aus den Bond-Filmen mitnehmen?
Eine schwierige Frage. Denn die drei wichtigsten Aspekte, die James Bond auszeichnen und ihn in seiner Welt so erfolgreich machen, sind eigentlich nicht gerade zeitgemäß:
- Die wichtigste Methode, die James Bond anwendet, ist Provokation. Er ist kein Detektiv, der ermittelt, sondern er setzt darauf, dass sich die Feinde zu erkennen geben, wenn man ihnen nur nah genug auf die Pelle rückt und intensiv genug auf das Wespennest einschlägt.
- James Bond ist eigentlich kein Teamplayer. Hin und wieder setzt er auf Zusammenarbeit mit Freunden und Mitarbeitern, aber in der Hitze des Gefechts steht er meistens alleine da und ist auf sich selbst gestellt. (Was ihn zum Beispiel deutlich von den Geheimagenten aus Mission Impossible unterscheidet, die mit starker Aufgabenteilung und gemeinsam operieren.)
- Als Einzelkämpfer beachtet James Bond keine Regeln und Vorschriften. Der militärische Rang und das professionelle Auftreten kaschieren nur wenig, dass Insubordination tief in der Psyche dieser Figur verankert ist.
Für Managerinnen und Manager sind das nur schwer nützliche Eigenschaften – wir hätten hier also eine Führungskraft, die nicht im Team funktioniert, ein Compliance-Risiko darstellt und ständig allen auf den Schlips tritt. Aber wenigstens ist Bond gut angezogen.
Aber betrachten wir es mal positiv und lassen allzu ausgeprägte Verhaltensstörungen außer Acht, dann lässt sich daraus durchaus etwas ableiten, was in der modernen Unternehmensführung Sinn macht. Diese „James Bond“-Management-Methode würde also folgende Aspekte umfassen:
- 001: Provokation ist ein Weg aus der Mittelmäßigkeit. Viel zu oft geben wir uns mit halbgaren Ausreden und Bequemlichkeit zufrieden. Es ist durchaus lohnend, hin und wieder den Finger auf Wunden zu legen, unausgesprochene Übereinkünfte zu hinterfragen und dort lästig zu sein, wo es unangenehm ist. Sonst bleiben die Leichen im Keller und die Performance am Boden. Als Manager kann man lernen, lästige Fragen zu stellen, Missstände anzusprechen und so Fortschritte zu erzielen und am Markt mit provokanten Aussagen zu punkten statt mit glattgeschliffenen Allerwelts-Aussagen.
- 002: So wichtig es ist zusammenzuarbeiten und als Team zu performen, so wichtig ist es auch, eigenverantwortlich und mutig zu sein. Das Credo „Schuld sind immer die anderen“ ist nicht nur im unternehmerischen Handeln bedenklich. Man reduziert sich schnell auf die Opferrolle. Daher bin ich selbst am liebsten „selber schuld“, denn dann habe ich es auch in der Hand, etwas zu ändern.
- 003: Regelbruch ist zu einem entscheidenden Werkzeug für Innovation im digitalen Zeitalter geworden. Erfolgreich wird man nicht mehr dadurch, indem man die Dinge so macht wie sie gehören. Differenzierung ist im Zeitalter des Hyper-Wettbewerbs und gesättigter Märkte wichtiger als je zuvor.
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