Elektromobilität: Erfolgsfaktor Energieeffizienz 

Für Elektroautos gibt es bisher kein standardisiertes Energiemanagement. Dabei könnte ein einheitliches Vorgehen eine der großen Herausforderung der Branche lösen. Wie ein solcher Standard aussehen kann und was dieses Thema mit der Rolle von Frauen in der IT zu tun hat, verrät Rebeca Delgado, Chief Technology Officer & Principal AI Engineer, Intel Automotive, im Gastkommentar. [...]

Rebeca Delgado, Chief Technology Officer & Principal AI Engineer, Intel Automotive (c) Intel Corporation
Rebeca Delgado, Chief Technology Officer & Principal AI Engineer, Intel Automotive (c) Intel Corporation

Eine nachhaltige globale Elektrifizierung der Mobilität – das ist das große Ziel, dem wir uns im Automotive-Sektor verschreiben müssen und wollen. Doch auf diesem Weg gibt es noch einige Schwierigkeiten zu überwinden. Eine der aktuell größten Baustellen: die Energieeffizienz von Elektrofahrzeugen. Die Ladezeiten und Reichweiten der Akkus lassen noch immer zu wünschen übrig. Zudem sind die Batterien zu schwer und zu teuer.

Eine Lösung gibt es aus meiner Sicht aber bereits: Ein branchenweit einheitlicher Standard für das Energiemanagement würde dafür sorgen, dass Innovationen gemeinsam vorangetrieben und beschleunigt werden. Proprietäre Silolösungen angesichts immer komplexerer Fahrzeugstrukturen sind nicht mehr zeitgemäß. Autos bestehen aus unzähligen elektronischen Komponenten und Steuergeräten verschiedener Anbieter, die den Energieverbrauch des Gesamtsystems in die Höhe treiben.

Standard nach dem Vorbild der PC-Industrie

Energieeffizienz mittels intelligentem Energiemanagement und Standardisierung sind für Intel bestimmende Faktoren der Elektromobilität. (c) Intel Corporation

Vor diesem Hintergrund setzen wir bei Intel uns stark für eine Batteriemanagement-Standardisierung in der Automobilindustrie ein. Aktuell arbeiten wir federführend an einer neuen internationalen SAE-Norm – mit dem Ziel, Batterien effizienter und damit perspektivisch auch kleiner, leichter und kostengünstiger zu machen.

Als Vorbild lohnt dabei ein Blick auf die PC-Industrie. Mithilfe eines offenen Standards, des Advanced Configuration and Power Interface (ACPI), gelang es in 1990er Jahren, den Stromverbrauch von CPUs um 60 Prozent zu reduzieren. Erfolgsgeheimnis war die zentrale Steuerung des Energiemanagements auf Betriebssystemebene. Das ermöglichte abgestufte Energiezustände je nach Bedarf. Analog dazu wird es beim Auto möglich sein, ähnliche große Effizienzgewinne zu erzielen, wenn einzelne „Energiefresser“ auf Fahrzeugebene effektiver gesteuert werden.

Intelligentes einheitliches Energiemanagement

Eine Kernidee des neuen Standards ist deshalb die Definition eines zentralen Energie-Arbiters. Dieser legt dann fest, wann jedes Steuergerät in einen niedrigen oder hohen Energiezustand übergehen soll – immer im Gesamtkontext der Fahrzeug-Plattform und abhängig von Fahrbedingungen, Umweltfaktoren und Sicherheitsvorkehrungen. Dadurch lässt sich der Stromverbrauch jeder einzelnen Komponente optimal konfigurieren.

Ein intelligentes Energiemanagement soll also sicherstellen, dass Steuergeräte, die gerade gar nicht benötigt werden, nicht mit vollem Energielevel laufen. Vordefinierte Einsatzprofile könnten beispielsweise dafür sorgen, dass Fahrassistenzsysteme in einen Zustand niedrigen Stromverbrauchs wechseln, sobald das Auto anhält. Solche Profile lassen sich zudem kontinuierlich weiter verbessern dank der Telemetriedaten, die der Arbiter zu allen Komponenten sammelt. 

Ein weiterer Ansatzpunkt zur Energieeinsparung ist die elektrische Spannung. Unabhängig von der aktuellen Diskussion um die Einführung von 48-Volt-Bordnetzen (statt der bisherigen 12-Volt-Systeme) wird es zunehmend auf eine dynamische variable Spannung ankommen. Dabei wird die aus der Batterie entnommene Energiemenge je nach Bedarf angepasst. Überschüssige Energie bleibt in der Batterie gespeichert.  

Eine Standardisierung, die an diesen Hebeln ansetzt, macht Elektroautos effizienter, ohne dass Fahrzeugleistung und -sicherheit darunter leiden. Und sie ist die Grundlage dafür, dass Lösungen nicht veralten. Mit gemeinsamer Anstrengung und gebündelter Innovationskraft ist die Branche auf künftige technologische Sprünge – etwa im Bereich neuer Akkutechnologien – gut vorbereitet.

Neue Denkweisen für eine Branche im Wandel

Die Parallelen zur PC-Industrien verdeutlichen einmal mehr: Für Autoingenieure kommt es in Zukunft in erster Linie auf IT-Expertise und weniger auf Mechanik an. Und sie zeigen auch, dass sich die Branche komplett wandeln und neu erfinden muss. Mit dem Übergang zu E-Fahrzeugen und software-defined Vehicles werden Themen wie das Batteriemanagement – anstelle von klassischen Faktoren wie Motorenleistung oder Spritverbrauch – zu den bestimmenden Merkmalen und Differenzierungskriterien. Für diese Transformation braucht die Autoindustrie ganz neue Sichtweisen und Out-of-the-Box-Denken.

Dazu kann – und dieser Aspekt wird meiner Meinung nach noch viel zu wenig diskutiert – auch Vielfalt in den Unternehmen maßgeblich beitragen. Ich bin der festen Überzeugung, dass erst in einer vielfältigen und inklusiven Arbeitsumgebung das volle Potenzial technologischen Fortschritts entfaltet werden kann. Frauen bringen neue Denkweisen in eine Branche, die bislang stark männlich geprägt ist. Studien zeigen: Nachhaltigkeit und Elektromobilität sind Themen, die Frau oft stärker am Herzen liegen als Männern. Frauen sind also prädestiniert dafür, den Wandel mitzuprägen.

Ich hoffe und glaube deshalb, dass schon bald der Frauenanteil in der IT und in der Automobilindustrie deutlich zunehmen wird. Dazu braucht es jedoch noch einige Kraftanstrengung, sei es durch einen Kulturwandel in den Unternehmen oder die aktive Förderung von Frauen in MINT-Berufen. Für beides setze ich mich seit vielen Jahren auch persönlich ein.

*Rebeca Delgado ist Chief Technology Officer & Principal AI Engineer bei Intel Automotive.

(c) Intel Corporation
(c) Intel Corporation

INFO: Intel übernimmt Silicon Mobility

Silicon Mobility SAS ist ein Anbieter von Halbleiter- und Softwarelösungen für die Automobilindustrie ohne eigene Fabriken, der Systems-on-a-Chip (SoC) für das Energiemanagement von Fahrzeugen entwirft, entwickelt und implementiert. Die SoCs von Silicon Mobility verfügen über marktführende Beschleuniger, die speziell für die Energieversorgung konstruiert und mit hochentwickelten Software-Algorithmen kombiniert werden, um die Energieeffizienz von Fahrzeugen deutlich zu verbessern.
Das Technologieportfolio von Silicon Mobility erweitert die Bandbreite an Intel-Lösungen für höchste Rechenleistung in Fahrzeugen um intelligente und programmierbare Stromversorgungsgeräte.


Mehr Artikel

News

KI ist das neue Lernfach für uns alle

Die Mystifizierung künstlicher Intelligenz treibt mitunter seltsame Blüten. Dabei ist sie weder der Motor einer schönen neuen Welt, noch eine apokalyptische Gefahr. Sie ist schlicht und einfach eine neue, wenn auch höchst anspruchsvolle Technologie, mit der wir alle lernen müssen, sinnvoll umzugehen. Und dafür sind wir selbst verantwortlich. […]

Case-Study

Erfolgreiche Migration auf SAP S/4HANA

Energieschub für die IT-Infrastruktur von Burgenland Energie: Der Energieversorger hat zusammen mit Tietoevry Austria die erste Phase des Umstieges auf SAP S/4HANA abgeschlossen. Das burgenländische Green-Tech-Unternehmen profitiert nun von optimierten Finanz-, Logistik- und HR-Prozessen und schafft damit die Basis für die zukünftige Entflechtung von Energiebereitstellung und Netzbetrieb. […]

FH-Hon.Prof. Ing. Dipl.-Ing. (FH) Dipl.-Ing. Dr. techn. Michael Georg Grasser, MBA MPA CMC, Leiter FA IT-Infrastruktur der Steiermärkischen Krankenanstaltengesellschaft m.b.H. (KAGes). (c) © FH CAMPUS 02
Interview

Krankenanstalten im Jahr 2030

Um sich schon heute auf die Herausforderungen in fünf Jahren vorbereiten zu können, hat die Steiermärkische Krankenanstaltengesellschaft (KAGes) die Strategie 2030 formuliert. transform! sprach mit Michael Georg Grasser, Leiter der Fachabteilung IT-Infrastruktur. […]

News

Risiken beim Einsatz von GenAI in vier Schritten senken

Die Themen Datenschutz und Modellverwaltung sind in der Datenwissenschaft zwar nicht neu, doch GenAI hat ihnen eine neue Dimension der Komplexität verliehen, die Datenschutzbeauftragte vor neue Herausforderungen stellt. Die Data-Science-Spezialisten von KNIME haben die Potenziale und Risiken der KI-Nutzung beim Einsatz bei der Datenarbeit zusammengefasst und empfehlen vier Schritte zur Risikominimierung. […]

Be the first to comment

Leave a Reply

Your email address will not be published.


*