Generative künstliche Intelligenz (GenAI) ist gekommen, um zu bleiben. Die Frage ist, wie Unternehmen die Voraussetzungen für die Einführung schaffen. Meist fehlt es an Fachkenntnissen und geeigneneten Datenmodellen. Ein exklusiver Gastbeitrag von Mohammed Brückner. [...]
Seit Anfang 2023 findet künstliche Intelligenz zunehmend Anwendung im Geschäftsalltag. Vor allem generative künstliche Intelligenz (GenAI) hat sich seitdem in Unternehmen etabliert. Nicht mehr nur ideenreiche Köpfe aus der IT-Abteilung beschäftigen sich mit solchen Tools – in neun von zehn deutschen Großunternehmen wird GenAI bereits in der strategischen Ausrichtung berücksichtigt, wie die neueste Studie Generative KI beschleunigt die Business Transformation von Ascent und techconsult – Teil der heise group – zeigt.
Dabei setzen rund 39 Prozent diese Technologie unternehmensweit ein; weitere knapp 50 Prozent verwenden sie zumindest in einigen Bereichen als strategisches Element. Der Führungsebene von Unternehmen ist mittlerweile bewusst geworden, dass großes Potenzial in GenAI steckt, das ausgeschöpft werden muss, um effizient arbeiten und wettbewerbsfähig bleiben zu können.
Immer mehr Firmen setzen gezielt auf generative künstliche Intelligenz, um automatisiert verschiedene Textinhalte zu erstellen und die Erfassung sowie Verarbeitung einer Vielzahl von Dokumenten effizienter zu gestalten. Dazu gehören beispielsweise die Erstellung generischer Anschreiben, Vertragsentwürfe und die semantische Analyse von Dokumenten. Die Einsatzgebiete sind vielseitig und zahlreichen Unternehmen gelingt damit die digitale Transformation.
Generative KI verbessert nicht nur die Content-Erstellung, sondern entfaltet auch enormes Potenzial im Kundensupport und der Prozessoptimierung. KI-basierte Chatbots und virtuelle Assistenten ermöglichen es Unternehmen, rund um die Uhr auf Kundenanfragen zu reagieren, häufig gestellte Fragen zu beantworten und personalisierte Angebote in Echtzeit zu erstellen.
Im Finanz- und Versicherungssektor beschleunigt GenAI die Bearbeitung von Versicherungsfällen durch automatische Schadensbewertung und Klassifizierung. Zudem optimiert sie Prozesse wie Kreditantragsbearbeitung, Risikobewertung und Betrugserkennung. Dadurch werden Bearbeitungszeiten verkürzt und Mitarbeitende können sich auf komplexere Aufgaben konzentrieren.
Während die Marschrichtung klar scheint, wissen viele Business- und IT-Entscheider, dass ihr Unternehmen noch nicht optimal auf eine intensive GenAI-Nutzung vorbereitet ist. Firmen, die bereits eine Strategie für den Einsatz von GenAI entwickelt haben, sehen die größten Hürden im Mangel an Expertise und Fachkenntnissen, zu geringen finanziellen Mitteln und einem nicht absehbaren Return of Investment sowie in der Knappheit geeigneter Daten für KI-Modelle. Bei Unternehmen ohne spezifische Strategie mangelt es oft an den Basics: Fehlende Zuständigkeiten, Kapazitätenmangel (zum Beispiel Zeit) und technische Einschränkungen sind dann wesentliche Hürden.
Veraltete IT-Architektur: Häufiger Engpass für Innovationen
Viele Unternehmen stehen vor Herausforderungen wie einer unzureichenden IT-Infrastruktur oder veralteten IT-Architektur. Denn wird künstliche Intelligenz im gesamten Unternehmen angewandt, muss die IT-Architektur dafür optimiert sein. Hier zeigt sich noch ein großer Aufholbedarf. Nur sechs Prozent der Befragten vermeldeten, dass ihre IT-Architektur optimal auf die Anforderungen von KI-Projekten ausgelegt ist. Die Hälfte gab an, dass die IT-Architektur nur begrenzt dafür gerüstet ist. 30 Prozent sehen Herausforderungen hinsichtlich Ressourcen, Technologie oder Integration. 13 Prozent bringen noch keine Voraussetzungen für die Entwicklung und Implementierung von KI-Projekten mit.
Viele Unternehmen kämpfen mit veralteten Datenarchitekturen, oft in Verbindung mit einem Mangel an qualifiziertem Personal zur Verwaltung komplexer KI-Systeme. Ein weiterer kritischer Punkt ist die komplizierte Integration bestehender Systeme und Datenquellen in eine nahtlose Plattform für maschinelles Lernen und Analysen. Zudem sind Governance-Richtlinien oft unterentwickelt, was dazu führt, dass Datenschutz- sowie Sicherheitsaspekte bei vielen Implementierungen vernachlässigt werden. Schließlich erfordert eine erfolgreiche Umsetzung auch ein kulturelles Umdenken hin zu datengetriebenen Entscheidungsprozessen.
Cloud-Technologie als Gatekeeper
Wer Generative KI unternehmensweit einsetzen will, kommt an einer zeitgerechten Cloud-Infrastruktur nicht vorbei. Diese eröffnet den Zugang zu leistungsfähigen KI-Modellen, wie 42 Prozent der im Rahmen der Studie befragten Personen angaben. Auch die Kosteneffizienz (39 Prozent) und Netzwerkeffekte (32 Prozent) wurden als Vorteile genannt.
Eine optimale KI-orientierte Cloud-Lösung sollte Skalierbarkeit bieten, um wachsende Anforderungen problemlos bewältigen zu können. Sie muss über leistungsfähige Data-Pipelines verfügen sowie fortschrittliche Tools für maschinelles Lernen anbieten wie Azure Machine Learning Services oder Databricks auf Azure-Plattformen. Wichtig ist zudem, die Interoperabilität durch Schnittstellen (APIs) und Integrationen mit bestehenden Systemen im Unternehmensumfeld sicherzustellen.
Bei der Auswahl sollten zentrale Fragen geklärt sein: Unterstützt die Plattform alle relevanten Compliance-Anforderungen meines Sektors? Wie sieht es mit dem Support-Modell des Anbieters aus – insbesondere hinsichtlich Updates und Sicherheitspatches? Und schließlich: Ist meine Organisation bereit für einen Kulturwandel hin zum kontinuierlichen Experimentieren mittels agiler Methoden?
Lizenzmodelle oder proprietäre Lösung?
Eine weitere wichtige Entscheidung ist die Wahl zwischen Standard-GenAI-Lösungen bzw. Lizenzlösungen und proprietären GenAI-Lösungen. KMUs fahren mit Lizenzmodellen oft gut, denn diese verursachen geringere initiale Kosten (wenngleich sie auf lange Sicht aufgrund von Upgradekosten etc. oft teurer sind), bieten jedoch gleichzeitig Zugang zu modernsten Technologien. Dabei ist unbedingt zu beachten, dass auch Standardlösungen umfangreiche Anpassungen und komplexe Integrationen erfordern, um den spezifischen Anforderungen und Rahmenbedingungen eines Unternehmens gerecht zu werden.
Proprietäre Lösungen sind vor allem für Unternehmen geeignet, die über eine bereits optimierte Infrastruktur und genügend Knowhow verfügen. Das sind in der Regel größere Unternehmen. Allerdings sollte es immer einen klaren Use Case geben, der auch wirtschaftlich darstellbar ist. In diesem Zusammenhang empfiehlt es sich, zunächst Pilotprojekte durchzuführen, bevor Investitionen getätigt werden. Denn vor allem kurzfristig ist mit hohen Kosten zu rechnen.
Hybride Ansätze können ebenfalls sinnvoll sein – besonders wenn Flexibilität gefragt ist, ohne Kompromisse bezüglich Performance eingehen zu wollen.
Lösbarer Engpass mit externen Partnern
GenAI in Unternehmen zu implementieren, ist ein komplexes Unterfangen. Dabei setzen viele Unternehmen auf Unterstützung von außen. Bereits 52 Prozent der Unternehmen mit KI-Strategie setzen auf die Zusammenarbeit mit externen Partnern. Externe Partner leisten wichtige Vorarbeit, etwa in Form von Machbarkeitsanalysen, Roadmaps und Strategieberatung.
Sie helfen dabei, strategisch geeignete Anwendungsfelder von GenAI zu identifizieren, APIs in bestehende IT-Systeme zu integrieren und Geschäftsprozesse anzupassen, um Effizienzsteigerungen zu erzielen. Sie haben idealerweise Erfahrung mit Cloud-Technologie und assistieren dabei, eine professionelle Data Governance im Unternehmen, Kontrollsysteme sowie ein ISO-zertifiziertes »AI Management System« aufzubauen. Sie leisten auch Unterstützung in Datenschutz- und Compliance-Fragen und können die Mitarbeiter im Umgang mit GenAI schulen.
Auch wenn eine veraltete IT-Architektur als Herausforderung erscheinen mag, ist sie kein unüberwindbares Hindernis.
Mit der Unterstützung externer Partner können Unternehmen ihre Infrastruktur modernisieren und so den Weg für den Einsatz von GenAI ebnen. Indem sowohl die technologische Basis als auch die Unternehmenskultur angepasst werden, schaffen Firmen die Voraussetzungen, um GenAI erfolgreich in ihren Geschäftsalltag zu integrieren und Innovationen voranzutreiben.
*Mohammed Brückner ist Senior Enterprise Architect bei Ascent und ehemaliger Strategic Technology Advisor bei Microsoft mit über 17 Jahren IT-Erfahrung und Zertifizierungen in Azure und TOGAF. Der Gastbeitrag ist in der Ausgabe transform! 03/2024 erschienen.
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