Jobs besser machen: Welchen Einfluss hat KI auf die Employee Experience?

Unsere Arbeitswelt verändert sich in fortschreitendem Ausmaß. Es begann mit der Pandemie und der Einführung von hybriden Arbeitsmodellen, die in vielen Unternehmen von einem Tag auf den anderen zum normalen Arbeitsalltag wurden. [...]

Matthias Göhler ist seit Oktober 2021 Chief Technology Officer, EMEA bei Zendesk. (c) Zendesk
Matthias Göhler ist seit Oktober 2021 Chief Technology Officer, EMEA bei Zendesk. (c) Zendesk

Mittlerweile beschäftigen wir uns mit den Auswirkungen der „Great Resignation“, der Debatte zur Rückkehr ins Büro oder Phänomenen wie das sogenannte „Coffee Badging“ (Kopf ins Büro stecken und wieder gehen), um nur einige aufzuzählen.

Der gemeinsame Nenner all dieser Trends in der Arbeitswelt: Die Mitarbeitenden sind unzufrieden. Ihnen fehlt die Sinnhaftigkeit und das Gefühl, bei alltäglichen Aufgaben produktiv zu sein. Zeitgleich entsteht Unsicherheit darüber, ob ihre Anliegen und Bedenken vom Arbeitgeber gehört werden. Anders ausgedrückt: Die Employee Experience (EX) lässt zu wünschen übrig. Ein Problem, an dem Unternehmen dringend arbeiten sollten.

Besonders deutlich wird dies im Kontext des Wandels zu hybriden Arbeitsmodellen. Viele Unternehmen konnten bei der plötzlichen Umstellung während der Pandemie nicht sofort die notwendige Flexibilität am Arbeitsplatz bieten, die sich die Mitarbeitenden wünschten. Arbeitnehmende erwarten sofortige Unterstützung und Technologien, die unabhängig von ihrem Arbeitsort überall verfügbar sind. Dies scheitert oft an veralteten Systemen, die nicht für solche Anforderungen entwickelt wurden, und teilweise auch heute noch nicht bereit dafür sind. 

Das Problem liegt dabei nicht am Mangel passender Lösungen. Viel mehr gibt es häufig viel zu viele Optionen: unzählige unterschiedliche Tools, Technologien und Prozesse sollen unterschiedliche Herausforderungen bewältigen – das Gesamtbild rückt dabei jedoch oftmals aus dem Fokus. Das Ergebnis sind frustrierte Mitarbeitende, die keine Verbesserung ihrer Arbeitserfahrung im Alltag feststellen können.

There’s an app for that? Wie zu viele Apps selbst das Problem werden.

Der bekannte Apple-Slogan von 2009 „There’s an app for that“, ist längst zum geflügelten Wort geworden. Er impliziert, dass die meisten Probleme ganz leicht aus dem Weg geschafft werden können – sofern man die passende App hat. Zu viele Apps können jedoch selbst zum Problem werden: Die meisten Unternehmen nutzen ein zu großes, über die Jahre gewachsenes App-Sammelsurium. Viele dieser Systeme sind uneinheitlich und untereinander nicht kompatibel, was eine Beeinträchtigung der Produktivität mit sich zieht und die Mitarbeitenden demotiviert. Kurz gesagt: Eine unbefriedigende EX.

Um diesem Trend entgegenzuwirken, bedarf es eines frischen Ansatzes, bei dem IT-Teams einheitliche Lösungen entwickeln. Mit Blick auf die spezifischen Bedürfnisse und das große Ganze verschwinden so zerstückelte App-Landschaften, die nur innerhalb bestimmter Abteilungen funktionieren. Stattdessen liegt der Fokus auf einem Ansatz, der die beste EX gewährleistet: funktionsübergreifend, integriert, vernetzt – und zunehmend KI-gesteuert. 

„Alexa, wie profitabel ist mein Projekt?“

KI macht unseren Alltag bereits einfacher und hilft uns dabei, Dinge schneller und besser zu erledigen. Warum diese Vorteile nicht auch über die Schwelle der Bürotür tragen? Wäre es nicht hilfreich, wenn wir den Status eines Projekts genauso einfach abfragen könnten, wie wir Alexa bitten, unseren Lieblingssong zu spielen? Bei diesem Blick in die Zukunft müssen wir gar nicht so weit in die Ferne sehen: In absehbarer Zeit kann und wird KI für alle auch am Arbeitsplatz ein intelligenter virtueller Assistent sein, der den Informationsfluss für uns über ein komplexes Netzwerk interner Kenntnisse, Datenbanken und Apps koordiniert. Ein zentraler Ort für alle Stationen der EX-Reise – und zwar für das gesamte Unternehmen und nicht nur für einzelne Teams.

Im EX-Kontext wird KI in der Lage sein, Mitarbeitenden Fragen zu beantworten, die Dringlichkeit und Zuweisung von Anfragen anhand von Stimmung und Tonalität einzuschätzen und sich in HR- und IT-Service-Management-Tools zu integrieren. KI wird Mitarbeitende außerdem dabei unterstützen, eine breitere Palette von Aufgaben zu erledigen – und das deutlich schneller als bisher.

Ein Beispiel: Wie KI die EX für Service-Mitarbeitende verbessern kann

KI hat das Potenzial, den gesamten EX-Betrieb von hauptsächlich manuellen Vorgängen in einen automatisierten und proaktiven Prozess zu verwandeln. Diese Verschiebung können wir bereits heute beobachten.

Besonders deutlich wird dies im Bereich des Kundenservice, in dem Mitarbeitende den ganzen Tag mit Menschen zu tun haben, die mit unzähligen Fragen und auch Beschwerden auf sie zukommen. KI kann Servicemitarbeiten helfen, ihren Job besser zu machen: Indem sie ihre Aufgaben mit KI-Unterstützung besser erledigen können – und dabei zu einer verbesserten CX (Customer Experience) beitragen – wird auch die eigene EX verbessert. KI kann nicht nur schnell die notwendigen Fakten und Informationen liefern. Sie kann auch dabei helfen, wirklich die besten Antworten zu geben. Dabei bezieht sie den Kontext der Kunden, den gewünschten Ton und das gewünschte Ergebnis ein. 

Betrachten wir dies am Beispiel von Service-Mitarbeitenden im Finanzsektor. Pünktlichkeit ist hier entscheidend, um bestimmte Sanktionen und Strafen zu vermeiden und natürlich auch, um Kund:innen zufriedenzustellen. Die KI-basierte Sentiment-Analyse – das Erkennen von Stimmungen und Emotionen – sowie die Analyse von beabsichtigten Handlungen oder Zielen können dazu genutzt werden, Anfragen im Sinne der Compliance zu kategorisieren. Anschließend können zeitgesteuerte Automatisierungen helfen, die Anfragen zu priorisieren und der entsprechendqualifizierten Person zuzuweisen. Der Einsatz von KI und Automatisierung unterstützt Service-Mitarbeitende dabei, Tickets im Zusammenhang mit Compliance effizienter und genauer zu bearbeiten. 

Doch trotz all der Vorteile, die KI mit sich bringt, wird sie menschliche Serviceteams nie ersetzen. Die tägliche Arbeit von Service-Mitarbeitenden wird sich dahingehend weiterentwickeln, dass sie zukünftig zwar immer noch selbst Hand anlegen müssen, aber das Hauptaugenmerk wird auf der Verwaltung und Verbesserung von KI-Tools sowie der Bearbeitung komplexer Anfragen liegen, die für KI-gesteuerte Bots zu schwierig oder problematisch sind. 

Der Wechsel für eine bessere Mitarbeitererfahrung

84 Prozent der EX-Expert:innen haben in unserem Employee Experience Trends Report 2023   angegeben, dass die Verbesserung der Unterstützung für Remote-, Hybrid- und Präsenzmitarbeitende oberste Priorität für ihr Unternehmen hat. Zeitgleich bemängelt jedoch über die Hälfte der Mitarbeitenden (52 Prozent), dass die Software, mit der sie arbeiten, veraltet und nicht benutzerfreundlich ist.

Produktive und motivierte Mitarbeitende bestimmen den Unternehmenserfolg maßgeblich mit. Es lohnt sich also, das Erlebnis der eigenen Mitarbeitenden im Detail zu betrachten und für die bestmögliche Mitarbeitererfahrung zu sorgen. EX und CX sind in der Regel untrennbar miteinander verbunden: Sind Mitarbeitende in der Lage, benötigte Informationen jederzeit schnell zu finden und Probleme zu lösen, können sie einen größeren Mehrwert schaffen und Beziehungen zu Kund:innen stärken. Ein weiterer Pluspunkt – und das sagen auch 87 Prozent der befragten Führungskräfte – ist, dass eine hervorragende EX dazu beiträgt, talentierte Mitarbeitende für das Unternehmen zu interessieren und zu halten.

Viele Unternehmen beginnen bereits, ihre technologischen Strukturen und Systeme umzugestalten, um die Bedürfnisse ihrer Mitarbeitenden in der Ära des hybriden Arbeitens besser zu unterstützen. Wer in diesem Bereich führend ist, nutzt die Gelegenheit, eine nahtlose Datenkommunikation zwischen verschiedenen Abteilungen sicherzustellen und Lösungen zu implementieren, die nicht nur Teile des Unternehmens voranbringen, sondern die gesamte Organisation unterstützen und optimieren. 

KI für alle oder “There’s an AI for that”

Natürlich erfordert der Einsatz von KI auch Investitionen. Unternehmen investieren dabei aber auch in eine Zukunft, die ganz ohne Zweifel kommen wird. Tatsächlich hat diese Zukunft schon längst begonnen: Bereits heute setzen Unternehmen zunehmend auf Bots für EX-Anwendungen, die Informationen schnell bereitstellen und Mitarbeitende dabei unterstützen, ihre alltägliche Arbeit besser zu erledigen und ihren eigenen Arbeitsalltag angenehmer zu gestalten. Und heute – wie auch zukünftig – lautet die Antwort auf viele Fragen zur Verbesserung der EX: „There’s an AI for that.“

*Der Autor Matthias Göhler ist Chief Technology Officer, EMEA bei Zendesk


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