KI aus den USA – eine strategische Falle?

Wenn ein Präsidenten-Dekret reicht, um Zugriff auf kritische Daten zu entziehen, ist Europas digitale Souveränität ernsthaft in Gefahr. Die Abhängigkeit von US-Anbietern wie Microsoft, OpenAI & Co. könnte für Universitäten, Mittelständler und Konzerne gefährlich werden. [...]

In Europa nutzen wir KI im internationalen Vergleich schon überdurchschnittlich häufig, oft bei Diensten, deren Anbieter in den USA sitzen. Das könnte sich schnell als trojanisches Geschenk entpuppen. (c) stock.adobe.com/Nate the Cat

Über digitale Souveränität wurde schon viel geschrieben, aber der Begriff bleibt häufig abstrakt. Was er bedeutet, hat Donald Trump vor Kurzem beim Internationalen Strafgerichtshof demonstriert. Er hat dem Chefankläger Karim Khan den Zugang zu seinem Microsoft-E-Mail-Account gekappt, seine britischen Bankkonten gesperrt und US-Bürgern mit Verhaftung gedroht, wenn sie weiter mit ihm zusammenarbeiten. Microsoft folgte brav: Trotz späterer Zusicherung, sich bei zukünftigen Fällen aufbäumen zu wollen, haben sie genau das nicht getan.

Was bleibt, ist die Gewissheit, dass dies mit dem US Cloud Act bei jedem US-Anbieter passieren kann und nicht auf Microsoft, Apple oder Amazon beschränkt ist. Das kann auch OpenAI mit ChatGPT, Anthropic und Perplexity und alle APIs dieser Unternehmen treffen. Sogenannte „Zusicherungen“, wie sie Microsoft jetzt nicht als Staatsvertrag mit der EU, sondern als Blogbeitrag auf der eigenen Webseite macht, sind vor dem Hintergrund der gültigen US-Gesetzgebung mit dem Cloud Act und dem Patriot Act einfach nur Nebelkerzen und damit Makulatur.

Auch das Versprechen der US-Cloud-Anbieter auf Kosteneinsparungen durch Cloud-Ressourcen hat sich nachweislich als Lügenmärchen entpuppt. Ebenso ist es mit den Lockangeboten in Sachen KI. Wer unreflektiert seine Daten – und ich betone insbesondere seine Datenschätze – US-amerikanischen Cloud-Anbietern anvertraut, riskiert nicht nur starke Abhängigkeiten mit nachgelagerten Preisschrauben.

Trojanisches Pferd

In Europa nutzen wir KI im internationalen Vergleich schon überdurchschnittlich häufig, oft bei Diensten, deren Anbieter in den USA sitzen. Das könnte sich schnell als trojanisches Geschenk entpuppen. Was, wenn sich die US-Regierung ärgert, dass so viele potente Wissenschaftler nach Europa abwandern oder sie Unternehmen zwingen will, in den USA zu produzieren? Wird unseren Universitäten und Unternehmen dann der KI-Stecker gezogen?

Wer nicht riskieren möchte, plötzlich und unverschuldet seiner Geschäftsgrundlagen beraubt zu werden, sollte jetzt ein Business Continuity Management implementieren, um seine Resilienz zu steigern. Dies gilt nicht nur für Großkonzerne, sondern insbesondere auch für den Mittelstand mit seinen vielen Hidden Champions.

Wer nicht plötzlich vor einem Scherbenhaufen stehen will, sollte sich jetzt dringend orientieren, wie er seine Geschäftsziele mit dem Einsatz von KI und mit europäischen KI-Anbietern umsetzen kann. Denn die gibt es sehr wohl, sowohl bei Large-Language-Modellen als auch bei analytischer und hybrider KI. Für einen geordneten Übergang und klugen Einsatz sollte man sich allerdings nicht mehr viel Zeit lassen. Eine verlässliche, sichere und kontinuierlich verfügbare KI entsteht nicht auf Knopfdruck. Dafür müssen Unternehmen jetzt die Weichen stellen.

* Heiko Beier ist Geschäftsführer von moresophy und Professor für Medienkommunikation mit über 25 Jahren Erfahrung in der KI-gestützten Datenanalyse und Automatisierung von Geschäftsprozessen.


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