Kommentar: Wie autonomes Fahren die Industrie aufrollt

Zu kompliziert, zu laut, zu ungestüm: Obwohl der Franzose Albert de Dion 1894 das weltweit erste Autorennen von Paris nach Rouen mit drei Minuten Vorsprung (!) gewann, ging letztlich doch Albert Lemaître siegreich in die Geschichte ein: Der jüngere Rennfahrer läutete mit seinem Peugeot-Benziner – gegenüber dem altertümlichen Dampftraktor – eine neue Ära ein. Und behielt im Wettstreit um die Zukunft der Mobilität die Nase vorne. [...]

Angesichts der zu erwartenden spektakulärsten Veränderungen in der Automobilbranche seit über hundert Jahren – Stichwort: E-Mobilität und Autonomes Fahren – geht es heute wieder einmal um die Frage, ob es einfachere und energie-effizientere Wege der individuellen Fortbewegung geben könnte. 
Die finale Markteinführung des ersten vollautonom fahrenden Autos wird jedenfalls ein wahrer Grand Prix. Millionen von Testkilometern wurden bereits absolviert. Heute steht jedoch nicht mehr so sehr der Antrieb im Mittelpunkt, sondern die intelligente Nutzung der verfügbaren Daten. Neue Software-Lösungen wie „Deep Learning“ werten nicht nur aus, sondern kopieren das menschliche Gehirn. Dadurch wird der Fahrer überflüssig.
Deutschland auf der Überholspur
Einen fliegenden Start legte der US-Automobilkonzern Tesla hin. Bis Ende 2017 soll bereits das erste vollkommen autonome Auto in Betrieb gehen. „Und wenn es nicht Ende des Jahres sein wird, dann kurz darauf“, versicherte CEO Elon Musk auf einer Konferenz im August. Der deutschen Automobilindustrie kostet dies ein müdes Lächeln. Denn sie bereitet, wenn auch nicht so medienwirksam, die Zukunft der Mobilität schon seit langem vor: Daimler und Bosch testen in Stuttgart intelligente Parksysteme, der Wolfsburger Volkswagen-Konzern hat Hamburg zur Modellstadt seiner Mobilitätskonzepte ausgewählt.
Zielsprint mit Hürden
Hürden, die autonomes Fahren verleiden, auf dem Weg zum autonomen Fahren gibt es noch ausreichend. Tödliche Unfälle bei der Erprobung autonomer Fahrzeuge wie bei Tesla im Mai 2016 verdeutlichen die Notwendigkeit besonderer Sorgfalt. Die Ethikkommission des deutschen Bundesverkehrsministeriums hat bereits Leitlinien für selbstfahrende Autos vorgestellt. Auch die langfristige Absicherung gegen Hackerangriffe und adäquate Gesetze stellen Herausforderungen dar.
Einfacher, leiser, unabhängiger: Das selbstfahrende Auto ist keine Utopie mehr. Aber es kommt nicht von heute auf morgen. Bei einem Bestand von etwa 45 Millionen Fahrzeugen in Deutschland wird die Umstellung noch Jahrzehnte in Anspruch nehmen. Bis 2035 werden teil- und vollautomatisierte Fahrzeuge zwischen 20 und 30 Prozent der globalen Produktion ausmachen. Dabei wird das Fahrzeug zu einem Teil des vernetzten und intelligenten Mobilitäts- und Verkehrsleitsystems im urbanen Raum.
Pole-Position finden
Für österreichische Zulieferer heißt das, sich in diesem Grand Prix im Service Team der großen Player Nischen und eine eigene Positionierung zu suchen. Gelingt dies, kann im Sog der großen Hersteller auch die österreichische Zulieferindustrie mit dem Thema Autonomes Fahren zusätzlich Fahrt aufnehmen.
*Christoph Kopp ist Principal (Prokurist) bei Horváth & Partners Management Consultants.


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