Nach der Veröffentlichung von ChatGPT kamen rasch Überlegungen auf, wie generative KI die Lebens- und Arbeitsrealität verändern könnte. Das iPhone ist hierbei ein oft gebrauchter Vergleich – schließlich läutete es mit dem sogenannten „iPhone-Moment“ die Smartphone-Ära ein. Aber was genau ist damit gemeint und inwieweit sind künstliche Intelligenz und Smartphones vergleichbar? [...]
Der Begriff „iPhone-Moment” ist ein Stück weit eine Fehlbezeichnung, denn das iPhone selbst hatte zu Beginn eher magere Absatzzahlen. Erst rund zwölf Monate nach Verkaufsstart, im Sommer 2008, öffnete der Apple App Store seine Pforten und löste den „iPhone-Moment” aus. Die große und ständig wachsende Auswahl an diversen Applikationen, die sich direkt über das iPhone kaufen ließen, stellte eine grundlegende Neuerung dar. Damit veränderten sich nicht nur Konsumgewohnheiten, es ergaben sich dadurch auch für viele Unternehmen neue Einnahmemöglichkeiten und Marktlücken.
Mittlerweile sind mobile Anwendungen auch abseits von Apple-Geräten nicht mehr wegzudenken. Der springende Punkt hierbei ist, dass nicht das iPhone als Produkt selbst den „iPhone-Moment” herbeigeführt hat, sondern die intuitive Anwendererfahrung gepaart mit praktischen Apps.
Wie es zu einem „iPhone-Moment“ für generative KI kommen könnte
Oft wird bei generativer KI verkürzend davon gesprochen, dass diese es erlaubt, unmittelbar auf Daten über natürliche Sprache zuzugreifen – ganz ohne Coding. Eine Verkürzung ist das deshalb, weil der direkte Zugriff auf Daten in Wirklichkeit über Skripte in Python oder ähnlichen Programmiersprachen abläuft. Mithilfe von generativer KI können Anwender mit großen Sprachmodellen (LLMs) interagieren und darüber dann an Daten bzw. Informationen gelangen.
Ein entscheidender Faktor für den Einsatz generativer KI sind außerdem Cloud-Infrastrukturen, denn die relevanten Daten sind in aller Regel nicht auf dem verwendeten Gerät, sondern auf Cloud-Servern gespeichert. Um KI-Anwendungen mit guter Anwendererfahrung anbieten zu können, sollten Unternehmen sich damit befassen, wie LLMs und Cloud-Infrastruktur ineinandergreifen.
KI-Anwendungen können ihr volles Potential auf dem Markt nur dann entfalten, wenn sie – ähnlich wie beim iPhone – unkompliziert bedienbar und leicht zu finden sind. Dafür wird es auch wichtig sein, den konkreten Anwendungsfall klar zu kommunizieren. Das haben KI-Anwendungen mit iPhone-Apps aus 2008 gemeinsam.
Einen klaren Wettbewerbsvorteil werden KI-Anwendungen haben, deren Anbieter nicht nur das Potential von Daten selbst verstehen, sondern auch die Anwenderinteraktion berücksichtigen. Drei Säulen tragen dazu bei:
1. Säule: Anwenderfreundliches Design
Wer das Interface von ChatGPT betrachtet, wird bemerken, dass es auf das Wesentliche reduziert ist. Dieses simple Design erlaubt es Anwendern mit unterschiedlichen Kenntnissen, das Tool zu bedienen und auszuprobieren. Natürlich gibt es viele Feinheiten bei der Nutzung, um die hilfreichsten Ergebnisse zu bekommen, aber die erste Schwelle ist niedrig. Ein leicht verständliches, intuitives Design hilft daher, größere Anwendergruppen zu erschließen.
Sicherlich werden viele bestehende Apps zusätzliche KI-Funktionen erhalten, etwa KI-Copiloten, die auf spezielle Themenbereiche trainiert sind. Meist wird hierbei eine Art Suchleiste das Designelement der Wahl sein, denn diese ist bereits etabliert und daher für viele Nutzer intuitiv zu bedienen.
Für die Gestaltung und Entwicklung von KI-Anwendungen sind passende Tools notwendig. Entwicklerteams können dabei auf verschiedene Ressourcen zurückgreifen. So wurden etwa auf der Community Cloud von Streamlit bereits mehr als 20.000 interaktive LLM-Apps erstellt – Inspiration gibt es also zuhauf.
2. Säule: Datensicherheit und Governance
Zum Erfolgsgeheimnis des App Stores zählte auch seine sichere, kontrollierte Umgebung. Auch heute müssen Apps die Nutzer nach einer Erlaubnis fragen, bevor sie etwa auf die Kamera oder die Kontakte zugreifen können. Solche Sicherheiten sind maßgeblich für den Erfolg von KI-Anwendungen – insbesondere bei der Verarbeitung sensibler Geschäftsdaten.
Bei der Entwicklung kann es praktisch sein, wenn bereits in der Infrastruktur der Anwendungen entsprechende Sicherheitsmaßnahmen fest verankert und damit die Interoperabilität sowie Zugangskontrollen gewährleistet sind. Das stellt sicher, dass Daten nur für diejenigen sichtbar sind, die sie auch sehen sollen – und das auf Anwender- und Anbieterseite. Über Data Clean Rooms lassen sich Daten beider Seiten dann kombinieren, während gleichzeitig der Datenschutz weiter gewahrt bleibt.
Aus Entwicklersicht ist es sehr effizient, Data Governance gleich in die Entwicklungsumgebung mit einzubauen. Denn so sparen sich Entwicklerteams die Einrichtung bei jedem neuen Projekt. Auf der Anwenderseite wird so die Datensicherheit transparent, einsehbar und verständlich. Aufgrund der Verbreitung von Multi-Cloud-Architekturen bei vielen Unternehmen ist es außerdem strategisch sinnvoll, darauf zu achten, dass unterschiedliche Public-Cloud-Umgebungen unterstützt werden. Dadurch lassen sich zusätzlich Reibungsverluste vermeiden.
3. Säule: Moderne Vertriebsplattformen
Grundvoraussetzung für erfolgreiche KI-Anwendungen ist auch, – wie bei allen Apps – dass die Zielgruppe die Anwendungen einfach suchen und finden kann. Was simpel klingt, ist alles andere als trivial, denn Anbieter sind auf niedrige Zugangsschwellen für neue Nutzer angewiesen.
Das Thema Vertrauen spielt dabei auch eine entscheidende Rolle. Der App Store oder auch der Play Store von Google sind anschauliche Beispiele dafür, wie es im Consumer-Bereich funktionieren kann. Die Plattformen geben Richtlinien vor und überwachen ihre Einhaltung. Für Anbieter im B2B-Bereich kann die Eröffnung eines eigenen Marktplatzes nützlich sein. Dort lassen sich Anwendungen einmalig veröffentlichen und stehen dann sowohl den eigenen Mitarbeitenden als auch denen anderer Unternehmen zur Verfügung. Idealerweise ist ein solcher Marktplatz überregional verfügbar und bietet verschiedene Bezahlmodelle an.
Der nächste „iPhone-Moment“ – bald könnte es so weit sein
Generative KI ist auch fast eineinhalb Jahre nach der Einführung von ChatGPT noch immer im Fokus, da mit dem Potential der Technologie diverse Hoffnungen verbunden sind. Den dazugehörigen Markt schätzt die International Data Corporation auf imposante 500 Milliarden US-Dollar für das Jahr 2027. Die Vorzeichen für einen neuen „iPhone-Moment“ stehen daher gut. Unternehmen, die ihren eigenen „iPhone-Moment“ anstreben, sollten darauf achten, nicht nur in die Entwicklung von LLMs selbst zu investieren. Entscheidend für den Erfolg sind die Nutzerfreundlichkeit, Data Governance und Vertriebswege der KI-Anwendungen.
*Die Autorin Prasanna Krishnan ist Senior Director für Produktmanagement bei Snowflake.
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