In der Marktforschung arbeiten Fachkräfte mit großen Datenmengen, die sie meist aufgrund mangelnder Ressourcen kaum oder gar nicht auswerten können. Für Unternehmen ist es aber wettbewerbsentscheidend agil und zügig zu reagieren. In seinem Kommentar erläutert Martin Meyer-Gossner, DACH Customer Experience (CX) Solution Strategy Lead bei Qualtrics, wie KI zu besseren, menschlicheren und schnelleren Markteinblicken verhelfen kann, die über die typischen Metriken hinausgehen. [...]
Während herkömmliche quantitative Erhebungen, zum Beispiel Umfragen, die Art des Feedbacks durch vordefinierte Fragen und eingeschränkte Antwortoptionen limitieren, können qualitative Methoden wie Videointerviews das Gegenteil bewirken – doch sie produzieren so viele Informationen, dass es sehr aufwändig wird, sie zu analysieren. Ganz zu schweigen davon, dass nur wenige Forschende die Möglichkeit haben, Feedback-Videos manuell und wiederholt anzusehen, um einen umfassenden Überblick über die komplexen Gedanken und Meinungen der einzelnen Nutzer zu erstellen.
Dank der Fortschritte im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) stehen Marktforschenden heute eine Vielzahl von Tools und Technologien zur Verfügung, die ihnen einen Großteil dieser Arbeit abnehmen. Dies kommt vor allem auch dem Experience Management (XM) zugute. Experience Management ist ein umfassender Ansatz, mit dem Ziel, Feedback über verschiedene Kanäle von Kunden, Mitarbeitenden und anderen Interessengruppen zu sammeln. Anschließend nutzen Unternehmen das so gewonnene Know-how und die Insights, um die besten Kund:innen-, Mitarbeitenden-, Produkt- und Markenerfahrungen zu gestalten und bereitzustellen. Sie nutzen den XM-Ansatz also, um neue Erfahrungen zu entwerfen – auf Basis ganzheitlicher Marktforschung, die neue Bedürfnisse der Kund:innen und Mitarbeitenden aufdeckt. Wenn sich der Markt oder die Bedürfnisse ändern, passen sich auch die Customer, Employee, Product und Brand Experience entsprechend an. Korrekt eingesetzt ergeben sich so nicht nur effizientere Arbeitsweisen, sondern auch tiefere Einblicke in den gesamten Experience-Management-Bereich in Unternehmen.
Konkret sieht ein idealer Anwendungsfall für die Integration von KI in der Marktforschung wie folgt aus: Mithilfe von smarten, KI-unterstützten Tools können Forschende blitzschnell eine ganze Bibliothek von Videobeiträgen analysieren und sofort eine Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse erstellen. Dank KI können auch Schlüsselthemen und wörtliche Zitate direkt extrahiert werden. Fachleute stellen so sicher, dass jede Zusammenfassung für ihren konkreten Forschungsfall relevant ist. Ganz gleich, ob das Videomaterial 20 Minuten oder mehrere Stunden umfasst, die KI-Technologie verwandelt eine langwierige und zeitfressende Aufgabe in eine leicht zu handhabende Quelle für tiefgreifende Erkenntnisse – und das in Sekunden.
Ursachenforschung
KI kann nicht nur zusammenfassen, wie Teilnehmer einer qualitativen Umfrage über ein Produkt oder eine Erfahrung denken, sondern auch Bereiche entdecken, in denen Chancen und Verbesserungspotenzial stecken. So erlauben neueste Tools bereits, dass Forschende Folgefragen auf eine vorherige Auswertung an die KI stellen können, wie z. B. „Was sind die fünf wichtigsten Schmerzpunkte, die Kunden in ihren Bewertungen hervorgehoben haben?“. Vielleicht sind die Rezensenten beispielsweise mit der Art und Weise, wie ein Produkt aufgebaut ist, unzufrieden. Moderne KI-gestützte Tools erlauben weitreichende Einblicke, so dass Fachleute mit nicht weniger als einem Doppelklick auf das Feedback herausfinden, dass die Hauptbeschwerde beispielsweise die Position der Navigationselemente einer Webseite oder eines Produktes betrifft, oder dass das Produkt eines Unternehmens nicht stabil genug ist. Diese Besonderheiten bieten ein noch nie dagewesenes Maß an Detailgenauigkeit und liefern direkte Erkenntnisse, auf die im Unternehmen schnell reagiert werden kann.
Emotionale Einblicke
Obwohl die zusätzliche Mimik, der Tonfall und die Nuancen von Video-Feedback eine Fülle von Informationen liefern können, gibt es immer noch Fälle, in denen eine herkömmliche Umfrage das effektivste Mittel zur Erfassung von Feedback ist. Aber selbst diese Umfragen können eine große Menge an unstrukturierten Daten enthalten, wie z. B. offene Antworten, die in der Vergangenheit viel manuelle Arbeit erforderten. Mit der Entwicklung leistungsfähiger KI-gestützter Textanalyse-Tools besteht keine Notwendigkeit mehr, jede Antwort einer Umfrage im Detail auszuwerten, weil KI stattdessen die wirklich nuancierten, menschlichen Aussagen aufzeigt. Anstatt das Feedback einfach als positiv oder negativ zu kategorisieren, kann die KI-Technologie Kommentare aufdecken, die sich speziell auf drei Kernelemente, nämlich die Handlungsfähigkeit, den Aufwand und die Emotionen inklusive der emotionalen Intensität beziehen – ohne eine einzige Frage zur Bewertung des Aufwands zu stellen oder jemanden explizit zu fragen, wie er das Produkt oder die Dienstleistung empfindet.
Schauen wir uns jede dieser Dimensionen kurz genauer an:
1. Die Analyse zeigt konkrete Aktivitätsindikatoren an, die Business-Entscheidern helfen, direkt Maßnahmen abzuleiten und zu ergreifen, um die Erfahrungen der Kunden oder Mitarbeitenden zu verbessern. Dazu gehören Bitten um Hilfe (z. B. „Meine Zahlung wird nicht ausgeführt, ich brauche so schnell wie möglich Hilfe.“) und Verbesserungsvorschläge (z. B. „Es wäre toll, eine leichter zugängliche Option zu haben.“).
2. Der individuelle Aufwand (Effort-Analyse) verdeutlicht Reibungspunkte auf Grundlage der Art und Weise, wie jemand diese Erfahrung beschreibt (z. B. „Es war ein absoluter Albtraum, Hilfe von Ihrem Kundendienst zu erhalten.“ im Gegensatz zu „Es war ein Kinderspiel, meine neue Debitkarte zu bekommen.“).
3. Emotionen und emotionale Intensität helfen nicht nur zu verstehen, was die Befragten fühlen, sondern auch, wie intensiv diese Gefühle sind. Doch erst zusammengenommen sind diese beiden Indikatoren von entscheidender Bedeutung, um polarisierende Erfahrungen zu erkennen und daraus einfühlsame Reaktionen, zum Beispiel im Kundendienst, Vertrieb oder Support, zu entwickeln.
Intelligente Forschung
In einem Umfeld knapper Budgets und Kapazitäten ist eine oft ungenutzte Ressource für strategische Erkenntnisse die vorhandene digitale Forschungsbibliothek eines Unternehmens. Von Markt- und Produktdaten bis zu Markenwerten und Kund:innen- sowie Mitarbeitenden-Feedback. Viele Unternehmen verfügen über jahrelange Studien und Erkenntnisse, die praktisch brachliegen. Bisher war die Durchsuchung mit einer hohen Ressourcenbindung über einen langen Zeitraum verbunden. KI hingegen kann jetzt helfen, ohne großen personellen Aufwand auf diesen schlummernden Wissensschatz zuzugreifen und zielgerichtet alle relevanten Erkenntnisse anzuzeigen, die Unternehmen zu einem bestimmten Thema oder einer bestimmten Frage bereits gesammelt haben. Das bedeutet auch, dass Studien, die andernfalls unentdeckt oder vergessen worden wären, wieder sinnvoll genutzt werden. So können Marktforschende auf früheren Investitionen aufbauen, anstatt sie neu tätigen zu müssen.
Die KI-Erkenntnisse sind jedoch stark abhängig von der Art und Weise, wie KI genutzt wird, um qualitativ hochwertige Antworten zu generieren. Entscheidend wird sein, oberflächliche Antworten zu inhaltlich qualitativen Antworten zu veredeln und den Abteilungen, die mit dem Kunden agieren, die daraus resultierenden Handlungsanweisungen zur Verfügung zu stellen.
*Martin Meyer-Gossner ist Experience Management (XM) Strategy Lead für die EMEA-Region bei Qualtrics.
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