Mit SuperApps die digitale Transformation im Finanzsektor meistern

Die Banken- und Versicherungsbranche steht am Scheideweg: Wer das Potenzial der digitalen Transformation nicht erkennt, könnte schon bald von Tech-Giganten wie Amazon, Apple oder Meta verdrängt werden. Diese neuen Wettbewerber haben das Potenzial, klassische Banken und Versicherungen zu verdrängen. Doch genau hier liegt die Chance: Mit SuperApps können sich Banken und Versicherungen diversifizieren und vollkommen neu erfinden. Ein Kommentar von Ismet Koyun von KOBIL. [...]

Ismet Koyun, CEO und Gründer, KOBIL Gruppe (c) KOBIL
Ismet Koyun, CEO und Gründer, KOBIL Gruppe (c) KOBIL

Der Finanzsektor ist ein sehr dynamisches Umfeld, das sich im Umbruch befindet. Die vielen Schließungen von Standorten und Filialen beschleunigt diese Entwicklung, und Kunden weichen zunehmend auf digitale Services aus: 90 Prozent der Bankgeschäfte werden bereits digital abgewickelt. Gleichzeitig wittern BigTechs wie Amazon, Apple oder Meta die Chance, sich in diesem Markt zu positionieren. Damit drängen ganz neue Wettbewerber auf den Markt. Diversifizierung ist daher der Schlüssel zum Erfolg für Banken und Versicherungen. SuperApps bieten ihnen die Chance, ein eigenes digitales Ökosystem aufzubauen, das weit über die eigenen Services hinausgeht und Finanzanbieter für eine viel breitere Zielgruppe interessant macht. 

SuperApps als Zukunftsmodell

Eine SuperApp ist eine App für alles und bietet eine Vielzahl von Diensten und Funktionen innerhalb einer einzigen Plattform. Im Gegensatz zu herkömmlichen Apps, die sich auf eine spezifische Aufgabe oder Funktion beschränken, vereinen sie mehrere Funktionen in Form von Mini-Apps oder Plugins, die innerhalb der Haupt-App verfügbar sind. 

SuperApps sind im asiatischen Raum, besonders in China, längst etabliert. Prominente Beispiele sind WeChat und Alipay, die bereits heute Bankdienstleistungen, Messaging, Shopping und sogar staatliche Dienste in einer einzigen Anwendung bündeln. Auch außerhalb Asiens gewinnen diese Anwendungen an Bedeutung: Laut Gartner Hype Cycle 2024 werden SuperApps bis 2027 von über 50 Prozent der Weltbevölkerung täglich genutzt werden. Eine weitere Studie, durchgeführt vom Branchendienst Pymnts mit mehr als 9.000 Teilnehmern aus Österreich, Deutschland und Großbritannien, zeigt ein beachtliches Interesse an SuperApps in Europa. 72 Prozent der Befragten sind „ein wenig“ interessiert, während 25 Prozent „extrem“ interessiert sind. Das Vertrauen der Befragten in Banken als Anbieter einer SuperApp übertrifft dabei sogar das in BigTechs wie Apple und staatliche Institutionen. Diese Ergebnisse spiegeln den wachsenden Trend zur Digitalisierung wider, da Nutzer nach einfachen Lösungen suchen, die komplexe Anwendungen ersetzen.

Per digitalem Ökosystem zum umfassenden Dienstleister 

Mit einer SuperApp entsteht ein digitales Ökosystem, das Bankgeschäfte, Zahlungsdienste, Versicherungen, aber auch Angebote von Drittanbietern in einer Anwendung vereint. Einmal authentifiziert, können Kunden alle Dienste und Partnerangebote nutzen, ohne die Plattform verlassen zu müssen – jederzeit und von überall, ganz bequem und sicher über das Smartphone. Die Vorteile für Banken und Versicherungen – aber auch die der Endnutzer – sind zahlreich. 

Jede Bank und Versicherung kann mit einer SuperApp ihren eigenen digitalen Marktplatz aufbauen, der verschiedenste Leistungen aus dem Banken- und Versicherungsbereich integriert. Ein Beispiel aus Europa ist die KOBIL Secure SuperApp, mit der Kunden nicht nur Policen und Konten verwalten, sondern auch sicher bezahlen, kommunizieren, Kredite abwickeln sowie Dokumente einreichen und signieren können. Drittanbieter können das Angebot in der SuperApp zusätzlich erweitern und diversifizieren – mit Services wie Fitnessangebote bei Versicherungen, Rabatte für Autoreparaturen bei abgeschlossener Kfz-Versicherung oder Baufinanzierungen bei Banken. Möchte der Kunde sich persönlich mit einem Berater austauschen, steht über die App der Kundenservice per (Video) Call oder Chat bereit. KOBIL bietet dafür eine eigene, sichere Chat-Technologie. Dokumente lassen sich direkt in der App digital signieren. Der Zugriff auf sensible Daten erfolgt über eine sichere, verifizierte digitale Identität, um die Privatsphäre und den Schutz vor unbefugtem Zugriff zu gewährleisten. So können sich Banken und Versicherungen als umfassende Dienstleister positionieren und einen Wettbewerbsvorteil verschaffen.

Mehr Komfort für die Kunden

Der Hauptnutzen für Kunden ist die Verfügbarkeit aller Services, einschließlich externer Angebote, gebündelt an einem Ort. Sie müssen nicht zwischen verschiedenen Apps wechseln, sondern haben über eine einzige Anwendung Zugriff auf alles. Das erhöht den Komfort für Endnutzer erheblich. Beispielsweise könnte eine Versicherung aus dem Gesundheitswesen die elektronische Gesundheitsakte (ELGA – Österreich) beziehungsweise elektronische Patientenakte (ePA – Deutschland) oder eine Bank persönliche Finanzpläne integrieren. Der Versicherte oder Bankkunde hat (fast) alles auf einen Klick parat.

Kundenbindung und mehr Umsatz im Fokus

Die SuperApp macht es nicht nur den Anwendern leichter, sondern sorgt außerdem für eine stärkere Kundenbindung und höhere Umsätze bei der Bank oder Versicherung. Kunden werden dank des umfassenden Portfolios direkt in der SuperApp auf ergänzende Angebote aufmerksam. Das erleichtert es, weitere Services zu nutzen wie Zusatzversicherungen, Kredite oder Sparpläne, und beschert dem Finanzanbieter Zusatzeinnahmen durch Cross-Selling. Darüber hinaus können über die SuperApp, selbstverständlich datenschutzkonform, mehr Daten über die Gewohnheiten und Bedürfnisse der Kunden gesammelt werden. Das ist die Basis für personalisierte Angebote, mit denen Banken und Versicherungen in der Lage sind, gezielt Verkäufe anzuregen. Studien zeigen, dass maßgeschneiderte Empfehlungen bei Kunden schneller und häufiger zu Kaufabschlüssen führen als generische Angebote.

Treueprogramme schaffen weitere Anreize für eine regelmäßige Nutzung der App. Das fördert wiederholte Käufe. Push-Benachrichtigungen informieren Kunden über wichtige Termine und exklusive Angebote, was die Interaktion erhöht und die Bindung zur Marke weiter stärkt.

Beispiel: Kreditabschluss über die SuperApp

Ein Blick auf den praktischen Einsatz von SuperApps zeigt, wie nahtlos komplexe Finanzprozesse und persönliche Beratung kombiniert werden können, um den Kunden ein umfassendes, digitales Erlebnis zu bieten. Ein Beispiel:

Ein Kunde möchte einen Kredit für eine Renovierung seines Hauses aufnehmen. Er öffnet die SuperApp seiner Bank, die verschiedene Finanz- und Versicherungsdienste bündelt, und navigiert zum Bereich „Kredite“. Dort gibt er die gewünschte Kreditsumme ein und erhält in Echtzeit personalisierte und verbindliche Angebote. Nach Auswahl eines Angebots lädt er die erforderlichen Dokumente wie Gehaltsnachweise und den Bauplan direkt über die App hoch. Innerhalb kurzer Zeit erhält er eine Rückmeldung über die App, dass alle Dokumente geprüft wurden und ob der Kredit genehmigt ist. Falls ja, kann er den Kreditvertrag rechtlich bindend elektronisch signieren, ohne die App verlassen zu müssen. Danach kann die Bank ihn bei Bedarf auf weitere Angebote hinweisen, zum Beispiel die passende Versicherung. Das geht auch über den persönlichen Chat oder Videocall mit einem Berater. Der Abschluss kann ebenfalls direkt in der App erfolgen. Die gesamte Abwicklung – von der Kreditauswahl bis zur persönlichen Beratung und Signatur – erfolgt gänzlich über eine einzige Plattform.

Erfolgsfaktoren für eine SuperApp

Die Grundlage für den Erfolg einer SuperApp liegt in ihrer Vielfalt. Um die Nutzer wirklich anzusprechen, benötigt eine App ein breites Spektrum an Funktionen und Möglichkeiten. Dafür müssen Finanzanbieter umdenken, gewachsene Strukturen aufbrechen, neue Wege gehen. Das erfordert Innovationsgeist und Mut, aber auch die richtigen Technologien. Für die Banken und Versicherungen kommt es darüber hinaus auf einen überschaubaren Aufwand und ein erschwingliches Budget für die Implementierung an. Außerdem ist die einfache Bedienung das A&O. Je intuitiver die Navigation ist, je schneller sich Formulare finden lassen und je leichter verständlich sie sind, umso eher werden sie genutzt. Die perfekte Schadensmeldung oder die perfekte Finanzierung sollte in wenigen Klicks erledigt sein. Nur dann ist eine breite Akzeptanz gewährleistet.

Basis: Hochsichere Technologieplattform 

Aufgrund hochsensibler Nutzerdaten hat Sicherheit hat oberste Priorität. Deshalb ist eine technologische SuperApp-Plattform nötig, die besonders sicher ist. Offene Systeme bergen hier ein höheres Risiko, da sie anfälliger für Cyberangriffe sind. Deshalb ist eine geschlossene Plattform erforderlich, die höchsten Sicherheitsanforderungen entspricht. Der Zugang zur App sollte nur über vordefinierte Geräte möglich sein. Online-Integritätsprüfungen und Echtzeit-Monitoring der Software schützen vor Datenmissbrauch und Angriffen. Für den Zugriff auf sensible Informationen in der SuperApp ist eine verifizierte, digitale Identität mit Zweifaktorauthentifizierung notwendig. Der unbefugte Zugriff Dritter ist damit ausgeschlossen. Für die sichere Speicherung und Nutzung digitaler Zertifikate eignet sich die virtuelle Smartcard-Technologie. Sämtliche Daten sollten außerdem mit mehreren Schutzschichten geschützt sowie via Advanced Encryption Standard (AES) verschlüsselt sein. Darüber hinaus sollte die Plattform eine eigene Chat-Technologie integrieren. Diese stellt sicher, dass der Finanzdienstleister die Kontrolle über die Kommunikationskanäle behält.

Must-have: Datenschutz- und gesetzeskonform

SuperApps müssen zudem strenge gesetzliche Vorgaben erfüllen – gerade im hochregulierten Finanz- und im Versicherungswesen. Hierzu zählen nicht nur allgemeine Regelungen wie die DSGVO und das IT-Sicherheitsgesetz, sondern auch branchenspezifische Gesetze wie das Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG – Deutschland) und das Kreditwesengesetz (KWG – Deutschland) oder das Bankwesengesetz (BWG – Österreich). Wichtig ist zudem die Kompatibilität mit der PSD2-Richtlinie (Payment Services Directive 2). Diese EU-Richtlinie regelt den sicheren Zugriff von Drittdienstleistern auf Finanzdaten und Kundenkonten. Deutsche Versicherungen unterliegen zudem den Vorgaben der Gematik, um sicherzustellen, dass die Gesundheitsdaten gemäß den höchsten Sicherheits- und Datenschutzstandards verarbeitet werden. 

SuperApps als Zukunftstreiber im Finanzsektor

Die Grenzen zwischen traditionellen Bank- und Versicherungsgeschäften und anderen Dienstleistungen verschwinden zunehmend. Wer nicht schnell handelt, um mit den agilen Anbietern wie Amazon und Co. Schritt zu halten, wird ins Hintertreffen geraten. SuperApps bieten die Möglichkeit, dem entgegenzuwirken und sich als umfassender Dienstleister zu positionieren. Dafür braucht es eine klare Strategie, eine robuste technische Infrastruktur und die Fähigkeit, sicher und gesetzeskonform mit sensiblen Daten umzugehen – und den Willen, etwas zu ändern. Nur so können sie langfristig ein zentraler Anker im Finanzsektor bleiben.

*Der Autor Ismet Koyun ist CEO und Gründer der KOBIL Gruppe.


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