Ohne sichere Identitäten bleiben KI-Agenten Prototypen

Agentic AI ist da und egal, wie man das unmittelbare Potenzial von Agentic AI bewertet – um unternehmensweit Prozesse zu steuern, braucht die Technologie zunächst ein sicheres Fundament aus IT-Security und regulatorischem Rahmen. Ein Kommentar von Ismet Koyun, CEO und Gründer der KOBIL Gruppe. [...]

Ismet Koyun, CEO und Gründer, KOBIL Gruppe (c) KOBIL Gruppe
Ismet Koyun, CEO und Gründer, KOBIL Gruppe (c) KOBIL Gruppe

Agentic AI ist Künstliche Intelligenz, die sich selbst Ziele setzt, eigenständig Entscheidungen trifft und handelt. Automatisierung in Echtzeit, 24/7, mit minimalem menschlichem Eingriff. Wie sehr und wie schnell solche KI-Agenten den Arbeitsalltag revolutionieren? Darüber sind sich Experten noch uneins. Die Einstufung schwankt zwischen Hype, Enttäuschung und Weltuntergangsszenarien.

Vertrauenslücke bremst den Fortschritt

Die Sicherheitsarchitektur ist der eigentliche Hemmschuh von Agentic AI – nicht die technologische Machbarkeit. Es ist ohne weiteres möglich, dass KI-Agenten automatisch Lieferketten organisieren und Verträge abschließen. Aber wie lässt sich etwa im Zweifelsfall beweisen, dass der Agent legitimiert war? Stellen Sie sich vor, ein KI-Agent trifft Investitionsentscheidungen, doch seine Identität wurde durch einen Hackerangriff kompromittiert. Oder: Fake-Agenten geben sich als offizielle Vertreter Ihres Unternehmens aus und richten Schäden an, für die Sie haften müssen. 

Diese Szenarien sind keine Science-Fiction. Sie sind die logische Konsequenz ungesicherter KI-Systeme. Wenn künstliche Intelligenz Zugang zu kritischen Informationen und Prozessen hat, muss sie ein legitimierter Akteur sein. Zu jeder Zeit muss klar sein: Wer handelt hier? Auf wessen Veranlassung? Und mit welchem Recht?

Solange diese Fragen nicht transparent beantwortet werden, kann kein Vertrauen in Agentic AI entstehen. Nicht von Privatnutzern. Und erst recht nicht von Unternehmen, die potenziell ihr wirtschaftliches Überleben aufs Spiel setzen. Ohne Vertrauen in die agentenbasierten Systeme wird es keine flächendeckende Akzeptanz geben.

Identitätsmanagement: Kein Add-on, sondern Voraussetzung

Was Agentic AI deshalb braucht, ist ein Vertrauen schaffendes Sicherheitsmodell. Das beginnt mit eindeutigen digitalen Identitäten – nicht nur für Menschen, sondern auch für die KI. Wer im digitalen Raum Recht ausüben will, muss auch verifizierbar sein. Das bedeutet:

  • Jeder KI-Agent benötigt eine kryptografisch gesicherte ID.
  • Authentifizierungen müssen kontinuierlich überprüft werden, nicht nur beim Log-in.   
  • Zugriffsrechte müssen dynamisch vergeben werden – je nach Risiko im jeweiligen Kontext.
  • Jede Transaktion muss nachvollziehbar und auditierbar sein.

All das ist die Grundvoraussetzung für vertrauenswürdige KI-Prozesse. Ohne diesen Standard ist Agentic AI bestenfalls ineffizient – und schlimmstenfalls gefährlich. 

Zero Trust neu denken

Viele Unternehmen setzen bereits auf Zero-Trust-Architekturen. Doch diese Konzepte greifen, wenn der Mensch handelt. Führen künftig KI-Agenten Transaktionen aus, steuern Workflows oder betreuen Kunden, sind neue Prinzipien erforderlich. 

Das Ziel: ein digitales Ökosystem, in dem keine Interaktion ohne Verifikation erfolgt. In dem Vertrauen nicht vermutet, sondern technisch sichergestellt wird. Ein Vorbild liefern SuperApps, wie sie zum Beispiel in Istanbul (Türkei) und Worms (Deutschland) eingesetzt werden. Nutzer authentifizieren sich einmal und greifen dann auf verschiedenste digitale Services zu – von Behördengängen bis zu Finanzdienstleistungen. Alles verschlüsselt und protokolliert.

Dieses Verifizierungsmodell lässt sich auf KI-Agenten übertragen. Sie können sich sicher authentifizieren, ihre Berechtigung nachweisen und nachvollziehbar handeln. So wird aus dem Sicherheitsrisiko ein vertrauenswürdiger digitaler Mitarbeiter.

Gefordert sind Vertrauen und Regulatorik

Die nächste Evolutionsstufe von Agentic AI hängt also nicht von besseren Algorithmen ab. Sondern davon, ob wir das Vertrauensproblem lösen. Für Unternehmen und IT-Entscheider bedeutet das: Wer auf sichere Identitätsarchitekturen setzt, kann KI-Agenten produktiv einsetzen. Wer nicht die nötigen Sicherheitsgrundlagen schafft, droht den Anschluss zu verpassen. Investitionen in Identitätsmanagement und IT-Security sind wichtiger als die neuesten AI-Modelle. 

Dafür brauchen Unternehmen auch die Unterstützung der Politik. Gefordert ist ein regulatorischer Rahmen, der klare Standards setzt – für Identitäten, für KI-Einsatz, für Verantwortung und Kontrolle. Technik, Recht und Ethik müssen zusammenspielen, damit ein Umfeld entsteht, in dem Agentic AI zum Fortschrittstreiber wird.

*Ismet Koyun ist CEO und Gründer der KOBIL Gruppe.


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