Schöne neue Arbeitswelt: Warum Flexibilität das Gebot der Stunde ist

Die Arbeitswelt steht vor einem Wandel. Getrieben von technologischen Fortschritten wie AI, der Etablierung von flexiblen und hybriden Arbeitsmodellen sowie den veränderten Prioritäten jüngerer Generationen stehen Unternehmen vor einem Paradigmenwechsel. [...]

Markus Steinberger, CEO von Atoria (c) Atoria
Markus Steinberger, CEO von Atoria (c) Atoria

Gleichzeitig sehen sie sich mit Herausforderungen konfrontiert, darunter den anhaltenden Fachkräftemangel und der Notwendigkeit, Regularien – beispielsweise das Arbeitszeitgesetz – einzuhalten. Doch wie können sie auf diese tiefgreifenden Entwicklungen reagieren, um die Employee Experience zu erhöhen, ohne die Produktivität und die Zufriedenheit ihrer Mitarbeitenden zu gefährden? 

Herausforderung Fachkräftemangel und New Work

Der anhaltende Fachkräftemangel stellt eine erhebliche Belastung für viele Branchen in Deutschland dar: Aktuell fehlen etwa 573.000 Fachkräfte. Eine Studie der DIHK verdeutlicht die weitreichenden Folgen des Fachkräftemangels für Unternehmen: Demnach sehen sich 60 Prozent der Betriebe durch zusätzliche Belastungen ihrer Mitarbeitenden in ihrer Produktivität eingeschränkt. Weitere 59 Prozent berichten von steigenden Arbeitskosten und 40 Prozent der Unternehmen geben an, dass sie aufgrund fehlender Fachkräfte bestehende Angebote oder Aufträge nicht bedienen können.

Parallel dazu prägt das Thema New Work zunehmend den Arbeitsmarkt, was flexible Arbeitsformen, digitale Transformation und moderne Arbeitskulturen betont. Das zeigt sich beispielsweise im Trend zum hybriden Arbeiten und der zunehmenden Bedeutung von Agilität und Selbstverantwortung. Der Fachkräftemangel und New Work sind eng miteinander verbunden, da flexible Arbeitsbedingungen und gezielte Weiterbildungsangebote die Mitarbeiterbindung stärken und die Arbeitgebermarke aufwerten. Unternehmen, die moderne Arbeitskonzepte umsetzen, sind besser positioniert, um den Herausforderungen des demografischen Wandels und der technologischen Transformation langfristig zu begegnen​.

Remote-Arbeit: Die neue Norm

Die Remote-Arbeit hat sich fest etabliert. Im Jahr 2024 arbeitet immer noch ein Viertel der Beschäftigten in Deutschland zumindest zeitweise von zu Hause. Viele Unternehmen setzen daher zunehmend auf hybride Arbeitsmodelle, die eine Kombination aus Remote-Arbeit und Büropräsenz ermöglichen. Das bietet Beschäftigten mehr Flexibilität bei der Gestaltung ihrer Arbeitszeit und -orte, was die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben fördert und die Zufriedenheit steigert. Unternehmen profitieren, indem sie auf einen breiteren Talentpool zurückgreifen und Positionen unabhängig von geografischen Einschränkungen besetzen können. Solche flexiblen Arbeitsmodelle stärken zudem das Engagement und die Produktivität der Mitarbeitenden.

Gleichzeitig erfordert Remote-Arbeit klare Strukturen, um die Zusammenarbeit und soziale Dynamik über Distanz zu fördern. Klare Kommunikationsrichtlinien und regelmäßige virtuelle Meetings können zur Aufrechterhaltung eines starken Teamzusammenhalts beitragen. Investitionen in digitale Infrastruktur, wie leistungsfähige Videokonferenzsysteme, Collaboration-Tools und Cloud-basierte Arbeitsplattformen, sind essenziell, um die Produktivität und den Austausch in virtuellen Teams beizubehalten. Schulungen können die Mitarbeitenden mit den erforderlichen Fähigkeiten ausstatten. Unternehmen, die in diese Bereiche investieren, können die Herausforderungen der Remote-Arbeit besser bewältigen und ein positives Arbeitsumfeld fördern, das sowohl die sozialen Aspekte als auch die berufliche Entwicklung berücksichtigt.

Während Home-Office für Büroangestellte vielfach als Standard gilt, ist es für sogenannte „Blue-Collar-Worker“, die über 80 Prozent der arbeitenden Bevölkerung ausmachen, jedoch oft keine Option. Denn Köche, Mechaniker oder Fabrikarbeiter können ihre Aufgaben nicht vom Laptop aus erledigen. Doch auch für diese Berufsgruppen gibt es innovative Ansätze, um ein gutes Arbeitsumfeld für die Mitarbeitenden zu schaffen. Flexible Schichtmodelle ermöglichen es Beschäftigten, ihre Arbeitszeiten an persönliche Bedürfnisse anzupassen. Digitale Tools, die den Schichttausch oder die Angabe von Präferenzen erleichtern, verbessern die Planbarkeit. Ergänzend können Unternehmen durch ergonomische Arbeitsplätze, Weiterbildungsangebote und familienfreundliche Leistungen wie Kinderbetreuungsangebote zur Entlastung beitragen. Maßnahmen wie Teambuilding-Events und sogar Modelle wie die Vier-Tage-Woche bieten weiteres Potenzial, um Arbeitsbedingungen zu verbessern und die Zufriedenheit der Mitarbeitenden zu steigern. 

Die Vier-Tage-Woche: Vision oder Realität?

Die Diskussion um die Vier-Tage-Woche gewinnt an Fahrt. Obwohl die Vier-Tage-Woche nicht in allen Branchen gleichermaßen umsetzbar ist, bietet sie insbesondere für Berufe mit flexibler Arbeitsgestaltung viel Potenzial. Sie steht sinnbildlich für die Suche nach neuen Wegen, um die Work-Life-Balance zu verbessern, Mitarbeitende zu motivieren und Unternehmen wettbewerbsfähiger zu machen. 

Ein deutsches Beispiel für die erfolgreiche Umsetzung ist die Wenzel Group, die seit Januar 2022 eine Vier-Tage-Woche etabliert hat. Trotz anfänglicher Skepsis blieben Produktivität und Kundenzufriedenheit stabil, während die Bewerberzahlen deutlich stiegen und der Krankenstand halbiert wurde. Diese Beispiele zeigen, dass mit mutigen Ansätzen und flexiblen Arbeitsmodellen auch traditionelle Branchen transformiert werden können.

Die Vier-Tage-Woche wird kontrovers diskutiert: Angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Lage und des Fachkräftemangels stellt sich die Frage, ob sie finanzierbar ist oder ob stattdessen mehr Arbeit nötig wäre, um die bestehenden Herausforderungen zu meistern.

Gesucht: Arbeitszeitgesetz für eine moderne Arbeitswelt

Das Arbeitszeitgesetz von 1994 wird den Anforderungen der heutigen Arbeitswelt längst nicht mehr gerecht. Insbesondere flexible Arbeitsmodelle wie Vertrauensarbeitszeit oder hybride Arbeitsformen erfordern rechtliche Anpassungen, die den Bedürfnissen von Mitarbeitenden und Unternehmen gleichermaßen entsprechen. Ziel sollte es sein, individuelle Lösungen zu ermöglichen, ohne wichtige Schutzrechte wie Ruhezeiten oder Regelungen zu Überstunden zu gefährden. Die Digitalisierung eröffnet hier neue Möglichkeiten: Während viele Unternehmen noch auf altmodische Methoden wie Papier oder Excel zurückgreifen, könnten digitale Tools Transparenz und Effizienz steigern. Um solche Innovationen jedoch flächendeckend einzuführen, bedarf es klarer gesetzlicher Rahmenbedingungen, die Technologie und Flexibilität fördern.

Vertrauensarbeitszeit, wie sie bei Unternehmen wie Deloitte und Capgemini erfolgreich angewendet wird, erlaubt Mitarbeitenden eine eigenständige Organisation ihrer Arbeitszeit, steigert die Produktivität und senkt das Burnout-Risiko. Der Gesetzgeber muss dennoch Schutzmechanismen wie Mindestpausen und Arbeitszeitbegrenzungen sicherstellen, um Flexibilität und Arbeitsbelastung auszubalancieren. Ein modernes Arbeitszeitgesetz sollte diese Anforderungen aufgreifen, den Übergang in eine agile, digitale Arbeitswelt erleichtern und den Arbeitsschutz wahren. Die Hoffnung bleibt, dass eine grundlegende Reform das Gesetz an die neue Realität anpasst.

Die Rolle von HR

Um in der aktuellen geopolitischen, wirtschaftlichen und demografischen Lage wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen Unternehmen sich kontinuierlich anpassen. Der Fokus liegt auf wertschöpfender Personalarbeit, während administrative und wiederkehrende Prozesse automatisiert werden sollten. Digitale HCM-Systeme unterstützen diese Transformation, indem sie zentrale HR-Prozesse wie Recruiting, Weiterbildung und Karrieremodelle abbilden und die Employee Experience durch verbesserte Kommunikation stärken. Unternehmen, die auf moderne Technologien, flexible Arbeitszeitmodelle und eine wertschätzende Kultur setzen, sind besser gerüstet für die Zukunft. Individuelle Lösungen, die Mitarbeitenden und Unternehmensbedürfnissen gleichermaßen gerecht werden, sind der Schlüssel zum Erfolg.

*Der Autor Markus Steinberger ist CEO von Atoria.


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