In einer digitalen Welt, in der Sicherheitsbedrohungen stetig zunehmen, rückt das Konzept „Secure by Design“ (SbD) in den Fokus moderner IT-Systementwicklung. Diese proaktive Herangehensweise integriert Sicherheitsmaßnahmen von der Planung bis zur Implementierung und reduziert so Schwachstellen, bevor sie entstehen. [...]

„Secure by Design“ (SbD) verfolgt das Ziel, Sicherheitsaspekte in jeder Phase des Entwicklungsprozesses von IT-Systemen zu verankern. Im Gegensatz zu „Secure by Default“, das auf benutzerfreundliche, standardmäßig sichere Voreinstellungen setzt, richtet sich SbD an Entwickler und fordert, dass potenzielle Risiken und Schwachstellen bereits im Designprozess berücksichtigt werden. Sicherheitsmaßnahmen werden nicht als Add-ons betrachtet, sondern als integraler Bestandteil des gesamten Entwicklungszyklus. Das schließt die Konzeption, Implementierung und Wartung von Software und Systemen ein. Das Ziel dabei ist es, Sicherheitslücken von vornherein zu eliminieren und Angreifern so wenig Angriffsfläche wie möglich zu bieten. Diese Herangehensweise schafft eine robuste Basis, reduziert den Bedarf an nachträglichen Sicherheitsupdates und stärkt das Vertrauen der Nutzer in die Systeme.
Ein Blick auf die jüngsten Zahlen zeigt die Relevanz von „Secure by Design“: Im Jahr 2023 wurden insgesamt 26.447 kritische Schwachstellen offengelegt – ein Anstieg von mehr als 1.500 im Vergleich zum Vorjahr. Besonders besorgniserregend ist, dass unsicheres Design als die vierthöchste sicherheitskritische Bedrohung für Webanwendungen in den OWASP Top 10 des Open Web Application Security Project eingestuft wird. Diese Entwicklungen verdeutlichen, dass Sicherheitslücken häufig bereits im Designprozess entstehen und betonen die Notwendigkeit eines präventiven Ansatzes wie SbD.
Kernprinzipien der SbD-Strategie
Um dieses Ziel zu erreichen, setzt SbD auf mehrere grundlegende Ansätze. Ein zentraler Bestandteil ist die Integration von Sicherheitsaspekten in den Softwareentwicklungslebenszyklus (SDLC). Konzepte wie „Shift Left“ und DevSecOps fördern eine frühzeitige Einbindung der Sicherheit, um Fehler bereits in der Planungsphase zu vermeiden. Standards wie das NIST Secure Software Development Framework (SSDF) bieten dabei Orientierung und strukturierte Leitlinien.
Automatisierung spielt ebenfalls eine wichtige Rolle. Durch Continuous Integration/Continuous Delivery (CI/CD) können präventive und detektive Maßnahmen effizient umgesetzt werden. Automatisierte Tests und Kontrollen stellen sicher, dass Konfigurationen nicht fehlerhaft sind und Sicherheitsanforderungen konsequent eingehalten werden. Hinzu kommt der Ansatz der „Defense-in-Depth“, der auf einen mehrschichtigen Schutz setzt. Selbst wenn einzelne Sicherheitskontrollen ausfallen, bleibt das Gesamtsystem durch alternative Maßnahmen geschützt.
Auch die Anwendung von SbD auf künstliche Intelligenz (KI) zeigt die Vielseitigkeit des Ansatzes. Systeme wie generative KI-Modelle, die oft mit sensiblen Daten arbeiten, können durch SbD-Methoden wie geschlossene Trainingsräume und kontrollierte Datenflüsse sicherer gestaltet werden. Diese Notwendigkeit wird durch aktuelle Studien untermauert: 82 Prozent der Unternehmensleiter betrachten sichere und vertrauenswürdige KI als essenziell für ihre Geschäftstätigkeit. Dennoch sichern nur 24 Prozent aktiv generative KI-Modelle ab und integrieren Sicherheitsprozesse in die KI-Entwicklung.
Die Vorteile von Secure by Design
Ein entscheidender Vorteil von SbD ist die Skalierbarkeit. Durch die standardisierte Integration von Sicherheitsmaßnahmen können neue Systeme und Anwendungen schnell und effizient implementiert werden, ohne dass bestehende Sicherheitskonzepte überarbeitet werden müssen. Das ist besonders in dynamischen Umgebungen, wie etwa der Cloud, von Vorteil, wo die Nachfrage oft unvorhersehbar ist.
Darüber hinaus trägt SbD zu einer höheren Agilität bei. Während die Einführung eines solchen Ansatzes anfangs als Einschränkung empfunden werden könnte, zeigt sich langfristig, dass Entwickler in einem sicheren Designraum effizienter arbeiten können. Sie müssen sich nicht ständig mit Sicherheitsfragen auseinandersetzen, sondern können sich auf ihre Kernaufgaben konzentrieren. Das fördert nicht nur die Produktivität, sondern auch die Innovationskraft.
Ein weiterer Aspekt ist die Nachhaltigkeit. SbD zielt darauf ab, Systeme so zu gestalten, dass sie langfristig widerstandsfähig gegenüber technologischen Veränderungen bleiben. Das umfasst unter anderem die Berücksichtigung zukünftiger Entwicklungen, etwa im Bereich Kryptografie. Systeme, die von Anfang an auf flexible und zukunftssichere Designs setzen, erfordern weniger Anpassungen und können so länger stabil betrieben werden.
Nicht zuletzt steigert SbD die Effizienz von Entwicklungs- und Wartungsprozessen. Durch die Minimierung von Sicherheitslücken in der Designphase reduziert sich der Bedarf an nachträglichen Patches und Sicherheitsupdates. Das spart nicht nur Kosten, sondern stärkt auch das Vertrauen der Kunden in die Produkte.
Die Einführung von SbD erfordert eine kulturelle Transformation, bei der Sicherheitsdenken ein fester Bestandteil aller Entwicklungsphasen wird. Das verlangt eine enge Zusammenarbeit zwischen Entwicklern, IT-Sicherheits- und Führungsteams. Die Auswahl geeigneter Tools und Standards sowie eine klare Dokumentation der Prozesse sind entscheidend, um eine erfolgreiche Umsetzung zu gewährleisten.
SbD als globaler Sicherheitsansatz
SbD ist weit mehr als ein Sicherheitskonzept – es ist eine Denkweise, die die Grundlage für sichere und zukunftsfähige Systeme schafft. Durch die frühzeitige Integration von Sicherheitsaspekten in den Entwicklungsprozess können Unternehmen nicht nur Bedrohungen minimieren, sondern auch Effizienz, Skalierbarkeit und Vertrauen stärken. Angesichts der stetig wachsenden Anforderungen an digitale Sicherheit ist SbD ein unverzichtbarer Bestandteil moderner Entwicklungsstrategien.
Mehr als 60 führende Technologieunternehmen haben kürzlich das „Secure by Design“-Versprechen der Cybersecurity and Infrastructure Security Agency (CISA) unterzeichnet. Diese Initiative betont die Bedeutung, Sicherheit von Beginn an in die Gestaltung von Produkten und Dienstleistungen zu integrieren.
AWS entwickelt seine Services seit jeher nach dem Prinzip „Secure by Design“. Ein zentraler Bestandteil der Sicherheitsstrategie von AWS ist die starke Authentifizierung. Die Nutzung von Multi-Faktor-Authentifizierung (MFA) gehört zu den effektivsten und einfachsten Methoden, um unbefugten Zugriff auf Systeme oder Daten zu verhindern. AWS-Analysen zeigen, dass durch die Aktivierung von MFA mehr als 99 Prozent der passwortbezogenen Angriffe abgewehrt werden können.
*Der Autor Bertram Dorn ist Principal in the Office of the CISO bei AWS.
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