So beseitigen Unternehmen Prozessengpässe

Wenn Unternehmen im Zuge der digitalen Transformation Prozesse optimieren – oder bestenfalls vollständig automatisieren – wollen, stoßen sie früher oder später auf Begriffe wie Business Process Management (BPM) und Robotic Process Automation (RPA). [...]

Tyler Suss, Product Marketing Director Intelligent Automation bei Kofax. (c) Kofax
Tyler Suss, Product Marketing Director Intelligent Automation bei Kofax. (c) Kofax

Viele stellen sich aber die Frage, welche Technologie sich für welche Zwecke einsetzen lässt – und ob beide in Konkurrenz oder in Koexistenz zueinander bestehen bzw. sich sogar ergänzen. Eines lässt sich vorwegnehmen: Beide haben die gleichen Ziele – Geschäftsprozesse und Abläufe zu automatisieren und die Produktivität und Effizienz zu steigern, um Kunden u. a. eine hervorragende Customer Experience bieten zu können. Doch die Art und Weise, wie sie dieses Ziel erreichen, ist verschieden. Für welche Zwecke eignet sich aber nun welche Technologie?

Im Wesentlichen unterscheiden sich BPM und RPA dadurch, dass eine Lösung, in dem Fall BPM, für den Einsatz sogenannter „Long-Running-Prozesse“ geeignet ist. BPM ist für die vollständige Prozessautomatisierung gedacht, da es Abläufe in Unternehmen umgestaltet und digitalisiert. Die andere Lösung hingegen – RPA – ist für die Automatisierung von einzelnen Arbeitsschritten geeignet, die in Summe eher kurz sind. Ein Beispiel: Komplexe Prozesse wie die Vergabe von Hypothekendarlehen oder die Bearbeitung von Kundenbeschwerden sind für BPM-Tools die passenden Aufgaben. In diesen Abläufen ist es notwendig, mehrere Mitarbeiter oder Tools einzubinden, was BPM sehr gut leisten kann. RPA hingegen könnte dabei unterstützen, für den Prozess notwendige Daten aus einem System abzurufen, etwa, um zu überprüfen, ob auf einem Portal Rechnungen eines Lieferanten zur Verfügung stehen. Die Software-Roboter erledigen anstelle des Menschen repetitive, mühselige Aufgaben, die in Summe für den Mitarbeiter viel Zeit in Anspruch nehmen und sich ohne Weiteres durch einen digitalen Kollegen erledigen lassen. Beide Technologien entlasten Arbeitnehmer und sorgen für deutlich effizientere Prozesse im gesamten Unternehmen. Dies hat auch positive Auswirkungen auf die Mitarbeiterzufriedenheit: Da sie sich nicht mehr länger mit dem Kopieren oder Abrufen von Daten beschäftigen müssen, bleibt mehr Zeit für wertschöpfende Tätigkeiten – beispielsweise die Betreuung von Kunden.

BPM übernimmt das Workforce Management

Eine weitere wichtige Aufgabe, die BPM übernehmen kann, ist das Workforce Management – sowohl der digitalen als auch der menschlichen Arbeitskräfte. Denn ob nun Personen oder Roboter – BPM muss beide verwalten. Das bedeutet, dass das System beispielsweise bedarfsgerecht Personen oder Roboter zu einem Prozess hinzuholt. Wenn ein Roboter an einer Stelle im Workflow nicht weiterkommt, lässt sich eine Aktion im BPM-Tool auslösen – und ein Mitarbeiter kann eingreifen. Das Digital Workforce Management ist inzwischen auch bei Analysten angekommen – denn es fungiert als übergelagerte Schicht des gesamten Prozessmanagements und ist für eine vollständige Prozessautomatisierung unabdingbar.

Funktionalitäten und Integration von BPM und RPA

Vor der Integration sollten Unternehmen sich die technischen Features beider Technologien anschauen. So bieten BPM-Tools bereits „out of the box“ die Möglichkeit, Benutzer sehr einfach in Workflows einzubinden. Wenn dem System beispielsweise Informationen fehlen, stellt es diese Anfrage für einen Benutzer auf einem Screen dar. Mit RPA sind flexible Ausnahme- oder Korrekturprozesse nur mit erheblichem Aufwand möglich. Für die Software-Roboter müssten Unternehmen sehr aufwendig eine Lösung dafür entwickeln – etwa eine Website, durch die die RPA-Roboter noch notwendige Daten beim User abfragen können, um diese dann weiter zu verarbeiten. Dafür liegt die Stärke von RPA in der Integration und Anbindung von Tools oder Websites und in der Automatisierung sehr klarer vorherbestimmter Abläufe. Der Mitarbeiter muss dem Roboter lediglich einmal zeigen, was er zu tun hat. RPA bietet Unternehmen somit eine deutlich komfortablere, technische Flexibilität, während BPM-Tools mühsam mittels manuellem Programmieraufwand an andere Tools und Applikationen anzubinden sind.

Aber wer braucht nun was?

Diese Frage lässt sich nicht pauschal beantworten. Im Wesentlichen kommt das auf das Unternehmen an. In der Regel ist es empfehlenswert, zunächst zu hinterfragen, welche Schmerzpunkte Unternehmen in welchen Prozessen haben. Handelt es sich beispielsweise um umfassende Prozesse – etwa die Optimierung der Customer Experience durch automatisierte Workflows – dann ist BPM die bessere Wahl. BPM bietet umfassende Möglichkeiten, Abläufe zu automatisieren – damit sind aber längst nicht alle manuellen Tasks, die Mitarbeiter in ihrem Arbeitsablauf tagtäglich erledigen müssen, beseitigt. Möchten Unternehmen wiederholende Tasks automatisieren und Arbeitnehmer von repetitiven Datenabfragen oder -kopieren aus verschiedenen Systemen befreien, dann erzielen sie mit RPA schnelle Erfolge. Ebenso verhält es sich, wenn beispielsweise Daten aus sperrigen Legacy-Systemen abzuholen sind – das kann RPA aufgrund seiner sehr komfortablen Integration in andere Systeme gut leisten. Meist beginnen Unternehmen mit ihrem größten Schmerzpunkt – und mit einer von beiden Technologien. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass BPM größere Strecken von Prozessen abdeckt und in der Umsetzung somit häufig aufwendiger und länger zu realisieren sind. Zudem braucht BPM eine fokussierte Digitalisierungsstrategie im Unternehmen, um seine volle Wirkung zu entfalten. RPA liefert in der Regel sehr schnelle ROI, da sich kurze, manuelle Tätigkeiten rasch und effektiv ablösen lassen.

Insbesondere größere Unternehmen mit umfassenden Digitalisierungsvorhaben sind gut beraten, beide Technologien zu nutzen. Denn nur in diesem Fall holen Unternehmen das Beste aus der End-to-End-Prozessautomatisierung heraus. Zwar ließen sich mit Aufwand durch manuelle Programmierung und Anpassung bei beiden Tools auch Funktionen des jeweils anderen integrieren – doch der Kosten-Nutzen-Faktor und die Aufwendung stehen hierzu in keinem Verhältnis. Gut zu wissen: Eine Entlastung von Mitarbeitern, sodass beispielsweise mehr Zeit für wertschöpfende Tätigkeiten bleibt, bieten beide Ansätze. Sowohl mit BPM als auch mit RPA lassen sich demnach die Optimierung von Prozessen anstoßen.

Umfassende Automatisierungslösung

Als neue Stufe der Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine fungiert Intelligent Automation. Anbieter von BPM- und RPA-Tools bündeln in sogenannten Intelligent Automation-Plattformen die Funktionen beider Welten in einer integrierten Lösung. Sehr oft beinhalten diese Plattformen beispielsweise auch Software-Roboter, die intelligenter sind – man bezeichnet diese Form von Robotic Process Automation auch als Next Generation RPA. Das bedeutet, dass die Roboter durch Funktionen wie künstliche Intelligenz oder Machine Learning deutlich komplexere Aufgaben übernehmen können, ohne einen Menschen in einen Workflow hinzuziehen zu müssen. Studien wie die von Forbes zeigen, welche Fortschritte Unternehmen in der Digitalisierung und Automatisierung ihrer Prozesse machen – wenn sie die richtigen Tools nutzen. Der Vorteil von Intelligent Automation liegt auf der Hand: Anstatt in zwei verschiedene Technologien – BPM und RPA – investieren zu müssen, ist es nun nur noch notwendig, eine Lösung zu verwenden.

Dokumentenbasierte Prozesse vollständig digitalisieren

In Unternehmen ist eine Vielzahl der Prozesse (mehr als 60 Prozent) dokumentenbasiert oder beinhaltet unstrukturierte Daten. Sie erhalten Dokumente oder E-Mails in Form von Daten als PDF, als Scan, als JPEG, als Word-Datei etc. Mithilfe der kognitiven Erfassung, Bestandteil einer Intelligent Automation-Lösung, lassen sich Dokumente, egal über welchen Kanal und in welchem Format sie eingehen, automatisiert erfassen. Der Eingang dieser Daten kann mithilfe von BPM- und RPA-Funktionalitäten bestimmte Workflows im Unternehmen initiieren – etwa, dass eingehende Rechnungen direkt an die Buchhaltung und an einen spezifischen Mitarbeiter weitergeleitet werden. Diese Technologie sorgt also dafür, dass zeitintensive, teils heute noch papierbasierte Prozesse vollständig digital ablaufen – und entlastet Mitarbeiter demnach beträchtlich.

Fazit: Das Beste aus beiden Welten

Möchten Unternehmen nicht nur eine Optimierung einzelner Prozesse erwirken, sondern eine vollständige Automatisierung verschiedener, auch komplexer Workflows, kommen sie nicht um den Einsatz beider Technologien herum. Wenn sich Organisationen nun allerdings für den Einsatz von BPM oder RPA entscheiden müssen, sollten sie die Wahl anhand des Prozesses treffen, der derzeit den größten Schmerzpunkt im Unternehmen darstellt. Wer sich aber von Vornherein sicher ist, dass beide Technologien notwendig sind, ist mit Intelligent Automation gut beraten. Der Vorteil: Unternehmen müssen nicht direkt zu Beginn alle Funktionen der Plattform nutzen – sondern können bedarfsgerecht weitere Elemente hinzufügen. Wer noch ganz am Anfang der Prozessdigitalisierung steht, kann mit kleinen ersten Schritten in die Welt von Intelligent Automation eintauchen. Eines steht aber fest: Nur mit einer vollständigen Automatisierung und der Integration von BPM und RPA lassen sich sämtliche Prozessengpässe beseitigen.

*Tyler Suss, Product Marketing Director Intelligent Automation bei Kofax.


Mehr Artikel

Rüdiger Linhart, Vorsitzender der Berufsgruppe IT der Fachgruppe UBIT Wien. (c) WeinwurmFotografie
Interview

IT-Berufe im Fokus: Innovative Lösungen gegen den Fachkräftemangel

Angesichts des anhaltenden IT-Fachkräftemangels ist schnelles Handeln gefordert. Die Fachgruppe IT der UBIT Wien setzt in einer Kampagne genau hier an: Mit einem breiten Ansatz soll das vielfältige Berufsbild attraktiver gemacht und innovative Ausbildungswege aufgezeigt werden. IT WELT.at hat dazu mit Rüdiger Linhart, Vorsitzender der Berufsgruppe IT der Fachgruppe UBIT Wien, ein Interview geführt. […]

News

ISO/IEC 27001 erhöht Informationssicherheit bei 81 Prozent der zertifizierten Unternehmen

Eine Umfrage unter 200 Personen verschiedener Branchen und Unternehmensgrößen in Österreich hat erstmals abgefragt, inwiefern der internationale Standard für Informationssicherheits-Managementsysteme (ISO/IEC 27001) bei der Bewältigung von Security-Problemen in der Praxis unterstützt. Ergebnis: Rund 81 Prozent der zertifizierten Unternehmen gaben an, dass sich durch die ISO/IEC 27001 die Informationssicherheit in ihrem Unternehmen erhöht hat. […]

News

Public Key Infrastructure: Best Practices für einen erfolgreichen Zertifikats-Widerruf

Um die Sicherheit ihrer Public Key Infrastructure (PKI) aufrecht zu erhalten, müssen PKI-Teams, sobald bei einer Zertifizierungsstelle eine Sicherheitslücke entdeckt worden ist, sämtliche betroffenen Zertifikate widerrufen. Ein wichtiger Vorgang, der zwar nicht regelmäßig, aber doch so häufig auftritt, dass es sich lohnt, PKI-Teams einige Best Practices für einen effektiven und effizienten Zertifikatswiderruf an die Hand zu geben. […]

News

UBIT Security-Talk: Cyberkriminalität wächst unaufhaltsam

Jedes Unternehmen, das IT-Systeme nutzt, ist potenziell gefährdet Opfer von Cyberkriminalität zu werden, denn die Bedrohung und die Anzahl der Hackerangriffe in Österreich nimmt stetig zu. Die Experts Group IT-Security der Wirtschaftskammer Salzburg lädt am 11. November 2024 zum „UBIT Security-Talk Cyber Defense“ ein, um Unternehmen in Salzburg zu unterstützen, sich besser gegen diese Bedrohungen zu wappnen. […]

Be the first to comment

Leave a Reply

Your email address will not be published.


*