Kürzlich hat Deloitte 400 heimische Führungskräfte zu ihrer Einstellung gegenüber der Klimakrise und Nachhaltigkeit befragt. Die Ergebnisse sind so nachvollziehbar wie ernüchternd: Österreichs Führungskräfte glauben überwiegend nicht an das Erreichen der Klimaziele. [...]
Das Problem dabei ist: Wenn bei den Klimazielen nichts oder zu wenig passiert, so die Berechnungen rund um die Studie, kann das die österreichische Wirtschaft bis 2070 rund 100 Milliarden Euro sowie bis zu 900.000 Arbeitsplätze kosten. Es gibt aber auch ein Alternativszenario: Ein umfassendes Paket gegen die Klimakrise könnte Österreich einen volkswirtschaftlichen Vorteil von bis zu 300 Milliarden Euro bringen. Damit das gelingt, braucht es einen Schulterschluss und die Anstrengung aller Bereiche der Gesellschaft: der Wirtschaft, der Kultur, der Bürgerinnen und Bürger, aber auch – und insbesondere – der Politik.
Die Politik zeigt Ambitionen, man denke nur an das Aus für neue Verbrenner-Motoren durch das EU-Parlament. Das ist richtig und wichtig, denn die Zukunft der Mobilität kann nur elektrisch sein! Doch das Aus für Verbrenner ist allein zu wenig. Damit Elektromobilität angenommen wird, braucht es auch die entsprechende Ladeinfrastruktur. Die Menschen müssen einfach und schnell ihre Fahrzeuge laden können – so wie das bei herkömmlichen Tankstellen eben auch funktioniert. Bei dieser Entwicklung hakt es indes an vielen regulatorischen Ecken und Enden. Ein paar Beispiele gefällig?
Ab nächstem Jahr müssen Schnellladestationen über ein lokales Kreditkartenterminal verfügen, damit man die Rechnung auch mit Kreditkarte begleichen kann. Ein solches Terminal brauchen EU-weit (!) alle Schnellladestationen, die eine Leistung von mehr als 50 kW aufweisen – obwohl die Zahlung heute online ohne Zusatzkosten mittels QR-Code und Kreditkarte über Micropayment-Dienstleister funktioniert.
Weiteres Beispiel? Das Eichrecht, also jene Gesetzesmaterie, die die Anforderungen für Messgeräte definiert. Klingt technokratisch, ist jedoch enorm wichtig: Wenn Sie Ihr Auto an der Zapfsäule mit Benzin oder Diesel tanken, zahlen Sie selbstverständlich pro Liter. An E-Ladesäulen zahlen Sie für die Minuten, während derer Ihr Auto angesteckt ist. Das macht grundsätzlich keinen Sinn, ist allerdings durch ungeklärte Rahmenbedingungen heute flächendeckend nicht anders möglich. Die Branche will seit geraumer Zeit umstellen. Nur: Es geht nichts voran. Fachzirkel diskutieren seit Jahren und es gibt immer noch keine finale Richtlinie. Noch schlimmer wäre es, wenn der Entwurf durchgeht, den wir kennen. Dann haben wir ein Riesenproblem mit der Bestandsinfrastruktur und stecken unsere Energie in den Umbau und sogar Abbau. Das ressortzuständige Wirtschaftsministerium zeigt wenig Ambitionen, das zu ändern. Deutschland hat es bereits 2019 umgesetzt.
Was können wir aus diesen unnötigen Hürden und deren Beseitigung lernen? Erstens: Politik und Verwaltung auf allen Ebenen müssen bei der E-Mobilitätswende dringend den Turbo einlegen und pragmatische Rahmenbedingungen schaffen. Zweitens: Die EU muss die gesetzlichen Rahmen, die gerade zur E-Mobilität und Ladeinfrastruktur debattiert werden, ausweiten. Drittens: Bei bereits vorliegenden EU-Gesetzesmaterien sollte Österreich bei der nationalen Umsetzung den maximalen Spielraum ausreizen anstatt Gold Plating zu betreiben.
Noch etwas zur Ladeinfrastruktur stößt E-Mobilitäts-Dienstleistern sauer auf: der Auf- und Ausbau. Österreich steht grundsätzlich bei der öffentlichen Infrastruktur deutlich besser da als andere EU-Länder. Trotzdem kommen wir laut einer Studie des europäischen Automobilherstellerverbands (ACEA) jede Woche (!) auf nur knapp 30 Prozent des eigentlich notwendigen Ausbaus. Das Land braucht aber einen emissionsfreien Turbo für die Elektromobilität. Und der kann nur mit High Power Charging (HPC) – also ultraschnellem Laden – funktionieren. Das bedeutet: 100 Kilometer Leistung müssen in fünf Minuten aufgeladen werden. Und zwar nicht nur an einer einzigen Ladesäule pro Standort, sondern an Hubs mit 20 Ladepunkten und mehr. Damit diese Stationen zu einer brauchbaren Infrastruktur werden, brauchen wir mehr Flächen an Autobahnen und Schnellstraßen. Auf regulatorischer Ebene werden wir parallel dazu jene Stellen in die Pflicht nehmen, die für die Raumordnung zuständig sind: Bund, Länder und Gemeinden sollten aus unserer Sicht dazu verpflichtet werden, Flächen für öffentliche Ladestationen umzuwidmen.
Haben wir eine passende Fläche gefunden, auf der wir Ladestationen errichten können, stehen wir vor der nächsten Herausforderung: Der Netzanschluss. Wegen Personal- und Ressourcenmangels von den Verteilnetzbetreibern sowie Engpasssituationen bei Transformatoren und anderen kritischen Komponenten, warten wir aktuell über ein Jahr darauf, dass geplante Ladestationen Netzanschlüsse erhalten. Die Verteilnetzbetreiber sind nicht zu beneiden, denn in Zeiten der Energiewende haben sie viel zu stemmen. Sie müssen auch den stark wachsenden Photovoltaik-Markt bedienen sowie zukünftig Anschlüsse für Wärmepumpen bereitstellen. Was lernen wir daraus? Es muss massiv in den Netzausbau und die Kapazitäten der Verteilnetzbetreiber investiert werden.
Last but not least: Die E-Mobilitätswende braucht Fachkräfte. E-Mobilität ist Green-Tech und dafür brauchen wir ausgebildetes und engagiertes Personal. Auch hier gibt es die eine oder andere Hürde. Ein realer Fall: Wir haben uns mit einer exzellenten Programmiererin geeinigt. Sie will zu uns kommen, wir möchten sie anstellen. Sie hat bereits zwölf Jahre in ähnlicher Position gearbeitet. Weil sie Serbin ist würde sie eine Rot-Weiß-Rot-Karte benötigen, um für uns zu arbeiten. Nur bekommt sie diese nicht. Warum? Weil sie keinen formalen Studienabschluss vorweisen kann. Es kann doch nicht sein, dass es in Zeiten des Fachkräftemangels wichtiger ist, dass jemand ein Studium abgeschlossen hat, als deren tatsächliche Kompetenz.
Mein Appell geht an Gestalterinnen und Gestalter im E-Mobilitäts-Ökosystem: Kommen wir endlich in die Gänge! Die Klimakrise wartet nicht. Entweder wir schaffen es, die hier geschilderten (und einige weitere) Hürden für den Ausbau der E-Mobilität zu überwinden oder es droht das eingangs geschilderte Szenario Realität zu werden: Der Verlust von rund 100 Milliarden Euro sowie bis zu 900.000 Arbeitsplätzen – allein in Österreich. Das kann keiner wollen; also gehen wir’s an. Machen wir die Alternativen endlich zur Realität.
*Der Autor Hauke Hinrichs ist Geschäftsführer des E-Mobilitäts-Dienstleisters SMATRICS.
Tja schade – es gibt natürlich Lösungen für Kartenterminals an Ladesäulen – zum Vorteil der NutzerInnen. Jedoch konterkariert das das überteuerte (und mittlerweile überholte) Geschäftsmodell von Smatrics