Die Stabilität langfristiger Vorhersagen ist dahin, denn die Auswirkungen der weltweiten Corona-Krise haben zu einer hohen Volatilität bei der Prognose von Trends und zu einer bedrohlichen Planungsunsicherheit für Unternehmen geführt. Es ist höchste Zeit, aktiv gegenzusteuern. Ein Kommentar von KI-Experte Sven Langhoff. [...]
In der aktuellen Krisensituation versagen viele Prognosemodelle ihren Dienst. Wo Entscheider in „normalen Zeiten“ handlungsleitende Prognosen aus der KI-Analyse großer Datenmengen ableiteten, kämpfen Unternehmen heute mit völlig veränderten Voraussetzungen darum, Kundenverhalten, Hotline- oder Maschinenauslastungen prognostizieren zu können. Und das aus zwei Gründen.
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Erstens hat sich die Datenlage quantitativ und qualitativ radikal verändert. Wo etwa üblicherweise vor Feiertagen Hunderttausende von Anfragen bei einem Verkehrsclub aufliefen, hat sich deren Zahl in der Ausnahmesituation dramatisch verringert. Analytiker sprechen in diesem Zusammenhang von Concept Drifts, die zu neuen Musterbildungen in der Datenmenge führen und vorhandene Modelle ihrem Verfallsdatum näherbringen. Die aktuell radikalen Verwerfungen im Kundenverhalten zu erkennen, ist die Aufgabe, die Unternehmen nun schnellstmöglich lösen müssen. Das betrifft beispielsweise den Kundenvertrieb bei Banken, die Anrufanalyse bei Behörden und Callcentern oder Störungsprognosen für den IT-Support oder technische Anlagen aufgrund geänderter Auslastung.
Zweitens sind durch diese extreme Schieflage in den Daten viele Prognosemodelle obsolet geworden. Es gilt also, die KI-Modelle der geänderten Datenlage anzupassen. Denn trotz der Ausnahmesituation können Unternehmen weiterhin Prognosen erstellen, sofern die Experten in der Lage sind, die entsprechenden Anpassungen schnell vorzunehmen. Dafür müssen die Modelle mit dem aktuellen Datenmaterial neu trainiert und eventuell neue Einflussvariablen identifiziert und modelliert werden. Darüber hinaus können neue Muster mittels Deep Learning, also Neuronalen Netzen, erkannt und erkannte Muster wiederum für die Prognose genutzt werden. Um auf der sicheren Seite zu sein, sollten die Verantwortlichen auch so genannte Ensemble-Modelle in Betracht ziehen. Diese Modelle setzten sich aus einer Vielzahl an unterschiedlichen KI-Modellen zusammen, wodurch einseitige Adjustierungen der Einzelmodelle in Summe ausgemittelt werden können und zu robusteren Prognosen führen.
Die Möglichkeiten, vorhandene Modelle an die aktuelle Situation anzupassen und somit vor ihrem Verfall zu schützen, sind also vorhanden. Doch was passiert, wenn der nächste Concept Drift ansteht? Mit der Aufhebung aktueller Beschränkungen kündigt sich dieser bereits an und zeigt damit auf, wie entscheidend es zukünftig sein wird, auf Änderungen und damit einhergehende Modellverschlechterungen reagieren zu können.
Speziell in Zeiten, in denen die viel zitierte Data Driven Company immer häufiger als Vision für die Zukunft des eigenen Unternehmens dient, steigt die Bedeutung geregelter Prozesse im Data-Science-Betrieb. Hier etablieren sich neue Betriebskonzepte für KI-Fabriken, in denen bekannte Ansätze aus der Softwareentwicklung, wie etwa agile Entwicklung, CI/CD oder DevOps, eine rasant wachsende Bedeutung erhalten.
Um aus der geänderten Informationsmenge neue, perspektivisch wertvolle Zusammenhänge zu generieren, ist Expertenwissen unverzichtbar. Neben der Expertise in KI und Data Science gehören Branchenwissen und Schnelligkeit dazu, um Unternehmen die dringend benötigten, fundierten Informationen für eine schnelle Entscheidungsunterstützung in unsicheren Zeiten zu liefern.
*Sven Langhoff ist Experte für KI und Data Science bei adesso SE.
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