Was ist meine (Kern-)Aufgabe als Führungskraft?

Vielen Führungskräften fehlt im Betriebsalltag ein Kompass, an dem sie ihre (Führungs-)Arbeit orientieren können. Deshalb stoßen sie rasch an ihre Belastungsgrenzen, wenn das betriebliche Umfeld komplexer wird und sich schneller wandelt sowie die (Rollen-)Anforderungen an sie steigen. [...]

Vielen Führungskräften fehlt im Betriebsalltag ein Kompass, an dem sie ihre Arbeit orientieren können. (c) pixabay
Vielen Führungskräften fehlt im Betriebsalltag ein Kompass, an dem sie ihre Arbeit orientieren können. (c) pixabay
Was ist die Kernaufgabe einer Führungskraft? Sie muss dafür sorgen und sicherstellen, dass ihr Bereich seinen Beitrag zum Erreichen der Unternehmensziele leistet. Daran hat sich in den zurückliegenden Jahrzehnten nichts geändert. Radikal verändert haben sich in diesem Zeitraum jedoch die Rahmenbedingungen, unter denen Führungskräfte diese Aufgabe zu erfüllen haben – in vielfältiger Hinsicht.
Aufgrund der fortschreitenden Globalisierung und des technischen Fortschritts insbesondere im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie stieg zum Beispiel der Wettbewerbs- und somit Innovations– und Veränderungsdruck, unter dem die Unternehmen stehen, enorm. Radikal gewandelt haben sich auch die Strukturen der Unternehmen sowie die Arbeits- und Kommunikationsbeziehungen in ihnen – denn heute werden zumindest in den Kernbereichen der meisten Unternehmen die Leistungen weitgehend in (oft bereichs- und zuweilen sogar unternehmensübergreifender) Team- und Projektarbeit erbracht. Verändert haben sich zudem die Mitarbeiter. Zumindest die höher Qualifizierten unter ihnen befolgen heute nicht mehr blind die Anweisungen ihrer Vorgesetzten. Sie erwarten vielmehr, dass ihre Führungskräfte mit ihnen auf Augenhöhe kommunizieren und sie in ihre Entscheidungsprozesse einbeziehen. Und wenn dies nicht möglich ist? Dann möchten sie zumindest eine angemessene Begründung haben, warum aus deren Warte gewisse Dinge nötig sind.

Anforderungsflut verunsichert Führungskräfte

In diesem von permanenter Veränderung, geringer Planbarkeit und einer steigenden Komplexität geprägten Umfeld ihre Aufgaben professionell wahrzunehmen, fällt vielen Führungskräften zunehmend schwer. Das belegt unter anderem die steigende Zahl von Führungskräften, die über eine Überlastung oder gar einen Burn-out klagt.
Eine zentrale Ursache hierfür ist: In den zurückliegenden ein, zwei Jahrzehnten sind die (Rollen-)Anforderungen an die Führungskräfte stark gestiegen. Sie müssen heute eine viel höhere Verhaltensflexibilität als früher zeigen. Das zeigen bereits die zahlreichen Attribute, mit denen Führungskräfte in den letzten Jahren belegt wurden. Sie sollen unter anderem
  • „Entrepreneure“, also unternehmerisch denkende und handelnde Personen,
  • „Leader“, also Motivatoren, Sinnstifter und Integratoren, sowie
  • „Coaches“, also Befähiger und Ermächtiger ihrer Mitarbeiter
sein.
All diese Etiketten beschreiben Facetten der Persönlichkeit sowie des Handels einer modernen Führungskraft, die in ihrem Umfeld die gewünschte Wirkung entfalten möchte. Werden jedoch zum Beispiel Führungsnachwuchskräfte – beispielsweise in Trainee- oder Führungskräfte-Entwicklungsprogrammen – mit einer solchen Flut von (Rollen-)Anforderungen konfrontiert, ohne dass eine Einordnung in einem größeren Sinnzusammenhang erfolgt, entsteht bei ihnen schnell ein Gefühl der Überforderung, da sie den Eindruck haben: „Welche Anforderungen soll beziehungsweise muss ich noch erfüllen, um eine gute Führungskraft zu sein?“

Sich auf das Wesentliche besinnen

Entsprechend wichtig ist es, beispielsweise in Führungskräftetrainings den Führungskräften immer wieder das Bewusstsein zu vermitteln: „Eigentlich ist Ihre Aufgabe ganz einfach. Unter dem Strich müssen Sie nur dafür sorgen beziehungsweise sicherstellen, dass der Ihnen anvertraute Bereich – unabhängig davon, wie groß er ist – seine Funktion in der Organisation erfüllt und seinen Beitrag zum Erreichen der Unternehmensziele leistet.“ Alle anderen Führungsaufgaben ordnen sich dieser Führungsaufgabe unter beziehungsweise haben bezogen auf sie nur eine dienende und unterstützende Funktion.
Haben Führungskräfte dieses Bewusstsein verinnerlicht, haben sie sozusagen einen Kompass zur Hand, der es ihnen in ihrem zunehmend von Hektik und geringer Planbarkeit geprägten Arbeitsalltag ermöglicht, sich regelmäßig zu fragen: „Was ist nötig, damit ich meine Kernaufgabe erfülle (und was nicht)?“ Das hilft ihnen, im Führungsalltag das Wichtige vom Unwichtigen beziehungsweise weniger Wichtigen zu unterscheiden und in ihm die richtigen Prioritäten zu setzen. Ansonsten ist die Gefahr groß, dass sie sich verzetteln und rasch an ihre Belastungsgrenzen stoßen – jedoch weniger aufgrund der Flut von Aufgaben, sondern weil sie ihre Führungsfunktion nicht professionell wahrnehmen.

Einen Kompass für den Führungsalltag haben

Ein solcher Kompass ist auch nötig, weil eine zentrale Aufgabe von Führungskräften lautet: Sie sollen ihren Mitarbeitern Orientierung und Halt geben. Dies ist insbesondere in einem Unternehmensumfeld nötig, in dem sich die Rahmenbedingungen rasch ändern; außerdem in einem Umfeld, in dem eine zentrale Anforderung an die Mitarbeiter lautet: Sie sollen die ihnen übertragenen Aufgaben weitgehend eigenständig und -verantwortlich erfüllen – sei es alleine oder im Team.
Dies können sie nur, wenn sie die nötige Orientierung haben:
  • Welche (übergeordneten) Ziele gilt es bei meiner/unserer Arbeit zu erreichen?
  • Was ist dem Unternehmen beim Erfüllen der hieraus resultierenden Aufgaben warum wichtig? Und:
  • Was bedeutet dies für die Art und Weise, wie ich meine Aufgaben wahrnehme?
Denn nur dann können sie ihre Arbeit eigenständig so planen und strukturieren, dass die Anforderungen des Unternehmens erfüllt werden.

Das Führungsverhalten reflektieren

Diese gewünschte und benötigte Orientierung kann eine Führungskraft ihren Mitarbeitern nur geben, wenn sie selbst weiß, was zum Erreichen der übergeordneten Ziele aufgrund der Rahmenbedingungen nötig ist. Also muss sie sich sozusagen regelmäßig zurücklehnen und sich –alleine oder im Dialog mit Kollegen – fragen:
  • Was ist unser/mein Ziel?
  • Wie will ich beziehungsweise wollen wir dieses erreichen?
  • Inwiefern haben sich die Rahmenbedingungen verändert?
  • Gilt es aufgrund der veränderten Rahmenbedingungen die Prioritäten neu zu setzen?
  • Was bedeutet dies für mein Verhalten als Führungskraft und für das Verhalten meiner Mitarbeiter?
Denn nur dann kann die Führungskraft im Bedarfsfall ihr eigenes Verhalten neu justieren und ihren Mitarbeiter die gewünschte Orientierung geben. Geschieht dies nicht, verfallen sowohl die Führungskräfte als auch ihre Mitarbeiter rasch in eine operative Hektik, die zwar schnell zu einem Gefühl der Überforderung, doch nicht zu einer effektiven, weil zielorientierten Arbeitsweise führt.
Anders ist dies, wenn die Führungskraft aufgrund der eigenen Klarheit auch den Mitarbeitern die nötige Orientierung geben kann. Dann kann sie ihnen aufgrund der mit der Zeit eintretenden Lerneffekte stets komplexere (Teil-)Aufgaben zur (weitgehend) eigenständigen sowie eigenverantwortlichen Bearbeitung übertragen. Das führt auch zu einer Entlastung der Führungskraft – unter anderem, weil sie seltener unterstützend und korrigierend eingreifen muss. Das heißt, die Führungsarbeit wird unter dem Strich nicht nur besser, weil wirksamer und effektiver, sondern auch einfacher, weil sowohl die Führungskraft, als auch die Mitarbeiter bei ihrer (Zusammen-)Arbeit die übergeordneten Ziele klar vor Augen haben.
*Hans-Peter Machwürth ist Geschäftsführer von MTI Consultancy.

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