Ralf Sydekum, Technical Manager DACH bei F5 Networks, erklärt in diesem Gastbeitrag, warum dezentrale Netzwerke und personenbezogene Daten immer wichtiger werden. [...]
Aus technischer Sicht ist das Internet zwar nicht zentralisiert. Doch eine Handvoll Unternehmen kontrolliert derzeit die meisten personenbezogenen Daten weltweit. Sind die Nutzer mit dieser Situation zufrieden?
Vor allem aufgrund von Datenschutzbedenken wächst die Anzahl an Geschäftsführern, Experten, Aktivisten und Verbrauchern, die nach größeren Veränderungen rufen. Schließlich wird das Vertrauen in die Giganten des Internets zunehmend erschüttert – durch Hacks, technische Pannen und mangelnden Kundenservice. Entsprechend nimmt der Exodus Richtung geschützter, transparenter und dezentraler Web-Angebote zu.
In vielerlei Hinsicht ist die Dezentralisierung bereits in Richtung Mainstream unterwegs – eine Entwicklung, die sich vor allem auf den Höhenflug von Bitcoin und anderer Kryptowährungen zurückführen lässt. Sehr wahrscheinlich werden in den kommenden Jahren zusätzliche Fortschritte erzielt, da sich die Blockchain – die Technologie hinter Bitcoin – rasant weiterentwickelt.
Neue Technologien auf dem Vormarsch
Die Blockchain ist eine globale Datenbank, die als unabhängiges digitales Register („Ledger“) für wirtschaftliche Transaktionen fungiert. Sie kann nicht nur Finanztransaktionen, sondern praktisch alle werthaltigen Prozesse erfassen. Menschen können damit alle erdenklichen Geschäfte miteinander tätigen und Verträge schließen, auch wenn sie sich nicht kennen und einander nicht trauen.
Interessante Anwendungsfälle gibt es überall, von der Rückverfolgbarkeit der Lebensmittelversorgungskette bis hin zur Mikrozahlung von Medieninhalten. Viele aufkommende Konzepte deuten eine deutliche Veränderung der herkömmlichen Ansätze für Transaktionen und Unternehmensprozesse an. Die Blockchain wird das Internet of Things (IoT) vereinfachen, einen dezentralen App-Design-Boom auslösen – und vor allem das Identitätsmanagement stärken.
Der Vater des World Wide Web, Tim Berners-Lee, glaubt zum Beispiel fest daran, dass eine Veränderung des Internets notwendig und bereits auf dem Weg ist. Letztlich möchte er, dass seine Kreation zu dem zurückkehrt, was er ursprünglich beabsichtigt hatte – eine dezentrale Plattform mit uneingeschränkter Benutzerfreundlichkeit und zuverlässigen Kontrollen personenbezogener Daten. So gründete er kürzlich SOLID, ein Open-Source-Projekt, das Webanwendungen dezentralisieren und jedermann die vollständige Kontrolle über seine Daten geben will.
Auch viele Aktivitäten von Unternehmen belegen die wirtschaftliche Tragfähigkeit der Blockchain. TraDove baut ein B2B–Blockchain-Payment-Netzwerk für internationale Transaktionen auf, das kürzlich 53 Millionen Dollar einbrachte und die Nachfrage der Unternehmen nach Kryptowährungen für Vertrieb und Marketing steigerte – ein Markt mit einem Volumen von 76 Milliarden Dollar. In Japan hat das PATRON-Projekt große Expansionspläne für seine dezentrale Influencer-Marketing–Plattform, um Ineffizienzen bei Branded Content und Social Media zu beseitigen. Die Anleihe- und Kreditplattform Celcius Network will die große Mehrheit der Menschen mit Kryptowährungen vertraut machen. Das sind nur einige Beispiele für Blockchain-Projekte.
Hindernisse werden überwunden
Es gibt allerdings noch einige Hindernisse zu bewältigen. So lehrt die Erfahrung, dass es lange dauern kann, etwas Neues einzuführen – insbesondere, wenn es technisch so undurchsichtig ist wie die Blockchain. Ein weitere Hürde bildet die geringe Geschwindigkeit dezentraler Anwendungen. Der Wechsel zu einem langsameren Netzwerk ist zweifellos ein schwer zu verkaufender Schritt. Aber die Dezentralisierungs-Anhänger glauben, dass das Problem bald gelöst sein wird.
Noch komplizierter ist das regulatorische Minenfeld. Eine durchgängige Rechtsprechung für Daten? Das Festlegen Verantwortlicher für das Löschen und Ändern von Informationen in der Blockchain? Das sind alles Grauzonen. Es ist klar, dass hier weitreichende Veränderungen erforderlich sind, um den Aufbau einer dezentralen Infrastruktur voranzutreiben und die steigende Komplexität zu verringern.
Langfristig müssen Blockchain-basierte B2B-Marktplätze oder –Plattformen auch von allen Beteiligten verlangen, integrierte Anwendungen und Dienste sicher, skalierbar und zuverlässig zu entwickeln und bereitzustellen. Darüber hinaus sind die technischen Voraussetzungen zu schaffen, um riesige Mengen an Daten und Geschäftsprozessen zu koordinieren sowie nachhaltige Infrastrukturen für Anwendungen und ein verteiltes Netzwerk aufzubauen. So werden Automatisierungs- und Orchestrierungswerkzeuge –mit DevOps und offenen Schnittstellen – stark nachgefragt.
Natürlich bleibt auch die Sicherheit ein wichtiges Thema. Es ist aber nicht die Blockchain selbst, die gehackt werden kann, sondern damit verbundene Zahlungssysteme, Datenbanken oder Benutzerdaten. Die heutigen Kryptowährungsbörsen sind die Banken von morgen – und jemand wird versuchen, sie auszurauben. Branchenweit müssen die Möglichkeiten für Entwickler über Self-Services und Automatisierungen des Netzwerks verbessert werden. Zudem sind Sicherheitsdienste eng in den Software-Entwicklungszyklus zu integrieren.
Der Weg nach vorne
Die steigende Nachfrage nach Datensicherheit und -transparenz, kombiniert mit neuen Geschäftsmodellen auf Basis der Blockchain–Technologie, wird alle dezentralen Angebote in einem positiven Licht erscheinen lassen. Denn die bestehenden technischen Probleme verringern sich immer weiter, da die entsprechenden Technologien verbessert werden. Alle Unternehmen, die im Technologie– und Datenbereich tätig sind, müssen daher sorgfältig überlegen, mit welchen Blockchain-basierten Investitionen sie künftig die sich verändernden Kundenanforderungen erfüllen können.
*Ralf Sydekum ist Technical Manager DACH bei F5 Networks.
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