Wie SuperApps den Mobilitätsmarkt revolutionieren können

Bahntickets, Busse, Carsharing, Taxis – wer mobil sein will, benötigt eine Vielzahl von Apps. Das muss nicht sein, sagt Ismet Koyun, Gründer und CEO des Unternehmens KOBIL, Weltmarktführer für digitale Identitäts- und mobile Sicherheitslösungen. Neue Technologien könnten all diese Angebote in einer einfachen, komfortablen und sicheren Lösung bündeln. Intelligente, vernetzte Verkehrssysteme und Datenaustausch auf österreichischer und europäischer Ebene bereiten dafür den Weg und schaffen die nötigen Voraussetzungen. [...]

Ismet Koyun, CEO und Gründer der KOBIL Gruppe (c) KOBIL Gruppe
Ismet Koyun, CEO und Gründer der KOBIL Gruppe (c) KOBIL Gruppe

Es ist ein klarer Trend bei Usern hin zur Inanspruchnahme digitaler Mobilitätsdienste zu erkennen. Laut einer aktuellen Umfrage des deutschen Bitkom-Branchenverbandes haben 70 Prozent der befragten Smartphone-Nutzer mindestens eine Mobilitätsapp installiert. 32 Prozent verwenden zwei Apps, 19 Prozent sogar drei oder mehr. Digitale Angebote wie Fahrplanauskünfte, Ticketkäufe und Sharing-Dienste sind für viele unverzichtbar geworden. Die Umfrage zeigt zudem, dass die wichtigsten Kriterien bei der Wahl der Apps eine leichte Bedienbarkeit (99 Prozent), Preisvergleiche (89 Prozent) und die Möglichkeit, unterschiedliche Anbieter und Verkehrsmittel zu buchen (85 Prozent), sind. 

Die logische Konsequenz: Alles in einer App

Trotz dieser wachsenden Bedeutung von Mobilitätsapps gibt es noch eine große Hürde: den Bruch in der Nutzererfahrung. Anwender müssen für die Planung einer einfachen Route mitunter zwischen verschiedenen Apps wechseln, um Fahrpläne abzugleichen, Tickets zu kaufen, ein Auto oder ein Fahrrad zu buchen. Anstelle dessen könnten alle Mobilitätsdienste in einer einzigen SuperApp vereint werden – einer App für alles. SuperApps kombinieren zahlreiche Funktionen in einer Plattform. Im Gegensatz zu klassischen Apps, die einen bestimmten Zweck erfüllen, bieten sie Zugang zu einem gesamten Ökosystem an Dienstleistungen.

Grundlagen in Österreich: Das IVS-Gesetz

In Österreich legt das IVS-Gesetz (Intelligente Verkehrssysteme) den rechtlichen Rahmen für den Datenaustausch im Mobilitätsbereich fest. Es setzt die europäische IVS-Richtlinie in nationales Recht um. Weiterhin gilt der Aktionsplan Digitale Transformation in der Mobilität (AP-DTM) seit 2023 als veröffentlichter Leitfaden. Er zielt darauf ab, die Mobilität im Rahmen der digitalen Transformation durch verschiedene Flagship-Projekte auszugestalten, so etwa der Entwurf eines Rollout-Plans für einen österreichischen Mobilitätsdatenraum.

Vor diesem Hintergrund betreibt AustriaTech als neutrale Stelle die zentrale Datenplattform mobilitaetsdaten.gv.at. Dieses Portal dient als nationaler Zugangspunkt für Verkehrsdaten und ermöglicht es staatlichen und privaten Organisationen, ihre mobilitätsbezogenen Daten bereitzustellen. Im Herbst 2024 sind dort 94 Datensätze von 34 Anbietern verfügbar. Österreich arbeitet auch eng mit anderen EU-Ländern zusammen, um Datenformate zu harmonisieren und den länderübergreifenden Datenaustausch zu erleichtern. Entwicklungspotenzial gibt es insbesondere bei der vollständigen Echtzeitbereitstellung von Daten aller Anbieter. Das ist nötig, um bislang noch fragmentierte Daten miteinander zu verbinden und alle Verkehrsmittel über eine Plattform zu integrieren. Damit wäre die Grundlage für integrierte Mobilitäts-SuperApps in Österreich gelegt. Über standardisierte Schnittstellen lassen sich die Daten verschiedener Anbieter nahtlos in eine App integrieren. So kann ein umfassendes Ökosystem entstehen, in dem alle Dienste intelligent vernetzt sind. In Deutschland etwa, ermöglicht das jüngst verabschiedete Mobilitätsdatengesetz die freie Verfügbarkeit von Verkehrsdaten und schafft somit eine Basis für innovative, nachhaltige Mobilitätslösungen.

Technologische Basis ist verfügbar

Die Standardisierung von Schnittstellen und Datenformaten ist demnach ein zentraler Punkt bei der Umsetzung eines Konzepts in der Praxis. Weitere zentrale Erfolgsfaktoren, speziell für die Nutzerakzeptanz einer Mobilitäts-SuperApp, sind Datenschutz und Privatsphäre. User verwenden die Anwendung nur dann, wenn ihre persönlichen Daten sicher und vor Missbrauch geschützt sind. Sensible Informationen wie Standortdaten und Bewegungsprofile sollten ausschließlich verschlüsselt übertragen und gespeichert werden. Gleiches gilt für die Integration von Bezahldiensten, wo der Schutz der Nutzerdaten und eine sichere Authentifizierung besonders wichtig sind. 

Plattformbetreiber sowie Mobilitätsanbieter müssen strenge regulatorische Vorgaben erfüllen und die Einhaltung aller relevanten Datenschutzvorschriften wie der DSGVO gewährleisten. Dazu gehören Prinzipien der Datensparsamkeit und Zweckbindung ebenso wie transparente Informationen zur Datenverarbeitung und technisch-organisatorische Sicherheitsmaßnahmen, um die Privatsphäre der Nutzer zu wahren. Personenbezogene Daten dürfen nur im notwendigen Umfang erhoben und verarbeitet werden. Wo immer möglich, sollten Informationen anonymisiert oder pseudonymisiert werden. Auch die Weitergabe von Daten an Dritte muss äußerst restriktiv gehandhabt werden. 

Eine datenschutzfreundliche Architektur der SuperApp-Plattform ist dafür zwingend erforderlich. Alle Komponenten müssen entsprechend der Prinzipien „Privacy by Design“ und „Security by Design“ entwickelt werden. Die regelmäßige Durchführung von Audits und Penetrationstests hilft zudem, mögliche Schwachstellen frühzeitig zu erkennen und zu beheben. 

Neue Geschäftsmöglichkeiten durch SuperApps und Mini-Apps

Der Einsatz von SuperApps eröffnet Mobilitätsanbietern und diversen weiteren Branchen neue Geschäftsmöglichkeiten. Durch die Integration ihrer Dienste auf einer zentralen Plattform erreichen sie eine Vielzahl potenzieller Kunden auf einmal. Besonders für lokale Anbieter birgt das ein großes Potenzial. Services für regionale Mitfahrgelegenheiten oder eine Fahrradverleih finden einen direkten Weg zu einer breiten Nutzerbasis nach dem Prinzip „Alles in einer App“. Eine wichtige Rolle spielen dabei sogenannte Mini-Apps: eigenständige Anwendungen, die in die SuperApp integriert sind und es auch kleineren Anbietern ohne alleinstehende App ermöglichen, ihre Dienste ins Ökosystem einzubinden.

Die Vorteile sind offensichtlich:

  • Geringere Entwicklungskosten, da keine eigene App notwendig ist.
  • Kürzere Time-to-Market, da die Mini-App auf einer bestehenden Plattform aufsetzt.
  • Umsetzung auch ohne tiefgreifendes Knowhow durch Low-Code- oder No-Code-Ansätze.
  • Höhere Sichtbarkeit und Reichweite durch Integration in eine vielfach genutzte SuperApp.
  • Möglichkeit, zentrale Funktionen der SuperApp wie Bezahlsysteme, Identitätsmanagement oder Kartendienste zu nutzen.

Neue Mobilität mit Echtzeitverkehrsdaten

Eine SuperApp kann den Mobilitätsmarkt revolutionieren. Sie macht sowohl urbane als auch ländliche Mobilität effizienter, deutlich komfortabler und umweltfreundlicher. Nutzer profitieren von einem einheitlichen Zugang zu allen Angeboten, Städte gewinnen wertvolle Daten für die Verkehrsplanung. In Österreich sind mit dem IVS-Gesetz und der zentralen Mobilitätsdatenplattform bereits wichtige Grundlagen geschaffen worden. Der nächste Schritt muss sein, die vollständige Bereitstellung von Echtzeitverkehrsdaten für alle Anbieter verbindlich zu machen – wie es in Deutschland das Mobilitätsdatengesetz ermöglicht. Ebenso sind weitere Kooperationen zwischen Bundespolitik, Kommunen und Mobilitätsanbietern erforderlich, um das volle Potenzial der neuen Möglichkeiten auszuschöpfen.

Anbieter sind gefragt, das Vertrauen der Nutzer zu gewinnen – mit einem transparenten Fokus auf Sicherheit und Datenschutz. Nur so können sich Mobilitäts-SuperApps langfristig durchsetzen. Die Technologie steht bereit, nun sind Wirtschaft und Politik gefragt, die Chancen zu nutzen, um Mobilität zu erleichtern.

*Ismet Koyun ist CEO und Gründer der KOBIL Gruppe.


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