Der sogenannte Wissenstransfer ist ein unverzichtbarer Bestandteil moderner Unternehmensführung und eine wesentliche Voraussetzung, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben. [...]
Vor allem in der Fertigungsindustrie, in der die technologische und die digitale Transformation sowie der Fachkräftemangel eine zunehmende Bedeutung einnehmen, spielt der strukturierte Umgang mit Wissen eine entscheidende Rolle. Durch effektives und AI-gestütztes Wissensmanagement können Unternehmen jedoch Wissen sichern, die Produktivität steigern und die Innovationskraft stärken.
Warum Wissenstransfer in der Industrie wichtig ist
Industrieunternehmen stehen heute vor der Herausforderung, mit steigender technischer Komplexität und spezialisierter Fachkompetenz Schritt zu halten, während sie gleichzeitig Wissen dauerhaft sichern müssen. Die Entwicklung immer komplexerer und wissensintensiver Produkte und Dienstleistungen erfordert, dass zunehmend mehr Mitarbeitende über spezifisches Fachwissen verfügen – Wissen, das häufig nur durch Erfahrung und gezieltes Training erworben werden kann. Zudem erfordert die fortschreitende Spezialisierung, dass Unternehmen Lösungen finden, um den Wissenstransfer zu erleichtern und Konsistenz über verschiedene Standorte hinweg sicherzustellen, vor allem in internationalen Teams, die über verschiedene Kulturen, Sprachen und Zeitzonen hinweg zusammenarbeiten. Auch durch die Digitalisierung werden physische Produkte zunehmend zu sogenannten Produkt-Service-Systemen, bei denen das Wissen über Einsatz und Wartung eine entscheidende Rolle spielt. Darüber hinaus verschärfen der demografische Wandel und der daraus resultierende Fachkräftemangel die Problematik zusätzlich.
Der Wissenstransferkreislauf als strukturierter Ansatz
Um Wissen effektiv zu teilen und im Unternehmen zu verankern, empfiehlt sich der Einsatz eines systematischen Wissenstransferkreislaufs. Dieser sorgt dafür, dass Wissen nicht nur einmalig weitergegeben, sondern in einem kontinuierlichen Prozess angereichert wird und gliedert sich typischerweise in vier Schritte:
- Erschließung vorhandener Wissensquellen: Der erste Schritt im Wissenstransferprozess besteht darin, alle relevanten Wissensquellen im Unternehmen zu identifizieren. Dazu zählen: Expertenwissen, das durch spezifische Fachkräfte bereitgestellt wird, Community-Wissen, das im Alltag entsteht, sowie Datenbanken und andere Systeme wie Wissensplattformen und digitale Archivierungssysteme. Ein zentraler sogenannter Knowledge Hub [1] hilft, dieses Wissen an einem Ort zu bündeln und zugänglich zu machen. Die Vermeidung von Datensilos ist essenziell, um eine umfassende Informationsbasis zu schaffen.
- Aufbereitung und Freigabe: Damit Wissen optimal genutzt wird, ist eine hochwertige Aufbereitung und kontinuierliche Pflege erforderlich. Eine Redaktion kann hier unterstützen, indem sie Informationen strukturiert, auf Korrektheit und Aktualität überprüft und in eine nutzerfreundliche Form bringt. Dieser Prozess stellt sicher, dass die Inhalte sowohl verständlich als auch relevant bleiben. In kleineren Unternehmen können diese Aufgaben oft von Expertenteams übernommen werden, die das Wissen aus ihrem Fachbereich zusammentragen und weitergeben. Dabei achten sie darauf, dass komplexe Informationen klar und anwendungsorientiert dargestellt werden.
- Bereitstellung und Zugänglichkeit: Der einfache Zugang zu Wissen ist ein zentraler Erfolgsfaktor. Ein effektives Rollen- und Rechtesystem stellt sicher, dass nur berechtigte Personen Zugang zu spezifischen Informationen erhalten. Ergänzend dazu sollte die Wissensmanagementlösung eine intelligente Suchfunktion umfassen, die den Mitarbeitenden den Zugriff auf benötigte Informationen erleichtert. Die Integration in bestehende Systeme ist entscheidend, um den Wissenstransfer möglichst reibungslos in den Arbeitsalltag zu integrieren.
- Technologieeinsatz für intelligenten Wissenstransfer: Die Nutzung von Artificial Intelligence (AI) im Wissensmanagement eröffnet neue Möglichkeiten, um Wissen intelligent zu vernetzen und nutzbar zu machen. Knowledge Graphen [2] stellen dabei logische Verbindungen zwischen verschiedenen Wissensbausteinen dar und können Zusammenhänge veranschaulichen. Generative AI ermöglicht es darüber hinaus, unstrukturierte Informationen aus E-Mails, Chatverläufen oder Meetingnotizen automatisiert in strukturierte Wissensartikel zu überführen und einfach wiederzufinden.
Technologische Lösungen im Wissensmanagement
Unternehmen stehen neue digitale Tools und Technologien zur Verfügung, um den Wissenstransfer zu optimieren. In modernen Wissensmanagementlösungen sind AI-Technologien wie Knowledge Graphen, GenAI und intelligente Suchalgorithmen bereits integriert.
Knowledge Graphen helfen zum Beispiel dabei, logische Verknüpfungen zwischen Informationen aufzuzeigen und das Wissen im Unternehmen dynamisch zu aktualisieren. Ein weiterer Vorteil von Knowledge Graphen ist die Möglichkeit, Wissen schnell zu skalieren und auf neue Anforderungen anzupassen. Wenn sich beispielsweise Informationen zu einem Produkt ändern, genügt eine Aktualisierung an einer zentralen Stelle, die dann automatisch für alle verknüpften Dokumente übernommen wird. Dadurch wird sichergestellt, dass die Informationen stets aktuell und konsistent sind.
Erfolgsfaktoren für die Umsetzung von Wissenstransfer
Ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die Implementierung eines funktionierenden Wissenstransfersystems ist die Einbindung der Mitarbeitenden. Schulungen und Leitfäden sind dabei unerlässlich, um sicherzustellen, dass die Belegschaft die Bedeutung des Wissensmanagements versteht und weiß, wie relevante Informationen strukturiert erfasst und weitergegeben werden. Durch strukturierte Prozesse und eine offene Unternehmenskultur können Unternehmen sicherstellen, dass Wissen proaktiv und systematisch geteilt wird. Zusätzlich sollten Unternehmen Anreize schaffen, um den Wissenstransfer zu fördern. Möglichkeiten wie Likes, Kommentare oder Rankings in der Wissensmanagementlösung motivieren die Mitarbeitenden, sich aktiv am Wissensaustausch zu beteiligen. Eine weitere Möglichkeit, das Engagement zu erhöhen, besteht darin, Mitarbeitende, die (pro-)aktiv zu einem funktionierenden Wissenstransferprozess beitragen, anzuerkennen und mit Belohnungen zu fördern.
Die Zukunft des Wissenstransfers: AI und Automatisierung
AI revolutioniert das Wissensmanagement. GenAI, wie sie in Large Language Models zum Einsatz kommt, hat das Potenzial, Wissenstransferprozesse zu automatisieren und unstrukturierte Daten in strukturierte Wissensartikel umzuwandeln. Das ist besonders wertvoll für Unternehmen, die über große Mengen unstrukturierter Daten verfügen, wie zum Beispiel E-Mail- oder Chatverläufe. Die Kombination aus Knowledge Graphen und GenAI ermöglicht es, das vorhandene Wissen so aufzubereiten, dass sowohl erfahrene Experten als auch neue Mitarbeitende schnell darauf zugreifen und es nutzen können. Knowledge Graphen können Beziehungen zwischen Begriffen visuell darstellen und Änderungen flexibel übernehmen, wodurch eine Skalierbarkeit des Wissensmodells möglich wird.
Fazit
Intelligentes Wissenstransfersystem wird zum wichtigen Wettbewerbsfaktor für die Industrie. Unternehmen, die gezielt auf Wissenstransfer setzen, profitieren nicht nur von einer erhöhten Produktivität, sondern auch von einem gesteigerten Innovationspotenzial. Der strukturierte Transfer von Wissen hilft dabei Fluktuationskosten zu reduzieren und das Know-how der Mitarbeitenden dauerhaft zu sichern. Die Implementierung eines effektiven Systems erfordert eine Strategie, technologische Investitionen und die Bereitschaft, eine wissensorientierte Unternehmenskultur zu etablieren. Der Einsatz moderner AI-Technologien erleichtert diesen Prozess erheblich und stellt das Unternehmen zukunftssicher auf.
*Der Autor Jannik Westram ist Head of Product Marketing bei Empolis Information Management GmbH.
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