Die Vision von Smart Cities ist verlockend. Sie versprechen eine Verbesserung der urbanen Lebensqualität – durch intelligente Infrastrukturen, die den Verkehr optimieren, den Energieverbrauch senken und städtische Dienstleistungen digitalisieren. Doch mit diesen Möglichkeiten gehen auch ethische Herausforderungen einher, die wir nicht ignorieren dürfen. Digitalpionier Ismet Koyun über Vorteile, Risiken und Lösungsansätze in vollständig vernetzten Städten. [...]
Immer mehr Städte setzen auf intelligente Technologien. Das Potenzial ist riesig. Smart Cities machen urbane Ballungsräume lebenswerter. Sie erleichtern den Alltag in vielen Aspekten – von der Vermeidung von Staus bis zur optimierten Mülllabfuhr. Sie sind die Basis für die flächendeckende Digitalisierung. Eine unbürokratische digitale Verwaltung und bequeme Online-Services werden in durchdigitalisierten Städten zur Norm.
Smart Cities bieten Lösungen für viele der drängenden Probleme unserer Zeit. Sie funktionieren effizienter, senken den Energieverbrauch, schützen Klima und Umwelt und machen das Zusammenleben sicherer. Deshalb wird es keine Zukunft ohne Smart Cities geben.
Doch neben diesen überwältigenden Vorteilen bergen Smart Cities auch Risiken, insbesondere im Bereich Datenschutz. Digitalisierung und Vernetzung führen zu einer Flut an Daten, die gesammelt und verarbeitet werden. Sensoren überwachen den Verkehrsfluss, künstliche Intelligenz analysiert Verhaltensmuster und digitale Identitäten erleichtern die Nutzung von Online-Diensten. Missbräuchlich verwendet, kann diese Datenflut zur Gefahr für die Bürgerrechte werden.
Ethik und Privatsphäre
Sicherheit und Lebensqualität auf der einen Seite, die Wahrung der Privatsphäre auf der anderen Seite – dabei die richtige Balance zu finden, ist eine der größten Herausforderungen in Smart Cities. Big Data darf keinesfalls auf Kosten der persönlichen Freiheit gehen. Werden Bürgerinnen und Bürger ständig überwacht und analysiert, macht man sie zu gläsernen Menschen. Dadurch verlieren sie an Selbstbestimmung und können leichter manipuliert werden.
Deshalb ist es unerlässlich, ethische Grundsätze und Sicherheitsstandards zu definieren, die den Schutz der Privatsphäre gewährleisten. Sensible persönliche Daten müssen umfassend geschützt sein. Dazu gehören zum Beispiel Informationen zum Aufenthaltsort, zu persönlichen Vorlieben oder zum Online-Verhalten. Der Umgang mit solchen Daten muss klaren Regeln unterliegen, transparent und verantwortungsvoll erfolgen.
Eine wichtige ethische Frage ist in diesem Zusammenhang, wie wir mit kommerziellen Interessen richtig umgehen. Es besteht die Gefahr, dass in Smart Cities der Einfluss und der Datenhunger der großen Technologiekonzerne noch stärker zunehmen. Digitalisierung kann nur demokratisch sein, wenn wir diese Abhängigkeit von den Tech-Riesen begrenzen. Stattdessen gilt es, die Unternehmen vor Ort transparent einzubinden – damit auch die Wirtschaft profitiert und ein regionales digitales Ökosystem entstehen kann.
Die Demokratisierung des Internets
Ethische Herausforderungen bringt die Digitalisierung nicht nur beim Datenschutz mit sich. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die digitale Inklusion. Damit alle gleichermaßen vom Fortschritt profitieren, müssen auch alle die Technologien nutzen können. Ansonsten wird die digitale Kluft immer größer und verstärkt bestehende soziale Ungleichheiten.
Daher müssen Smart Cities darauf achten, keine Bevölkerungsgruppen auszuschließen. Es gilt, digitale Barrieren abzubauen und allen Bürgerinnen und Bürgern die Teilhabe am digitalen Leben zu ermöglichen – unabhängig von sozialem Status oder technologischem Verständnis. Wichtig sind intuitive, niedrigschwellige und selbsterklärende digitale Dienste, die jede Person ganz selbstverständlich nutzen kann. So können wir das Internet demokratisieren.
Die Rolle der digitalen Identität
Inklusion und ein einfacher Zugang sind das eine. Die andere Voraussetzung für eine ethische und demokratische Digitalisierung ist: Vertrauen. Wir müssen in der Bevölkerung Vertrauen schaffen in die Technologie. Eine Schlüsselrolle nimmt die digitale Identität ein. Durch eine eindeutige Verifizierung ermöglicht sie es den Bürgerinnen und Bürgern, sicher und zuverlässig auf Online-Dienste zuzugreifen.
Es ist aber nicht weit genug gedacht, wenn eine digitale Identität nur für einzelne Dienstleistungen gilt. Idealerweise sollte sie so allgemeingültig sein, dass sich eine Person damit überall im Internet bewegen kann. Einmal authentifiziert können dann verschiedenste Services genutzt werden, kann sicher bezahlt und mit anderen kommuniziert werden.
Die digitale Identität ist in diesem Fall nicht nur praktisch und komfortabel – sondern auch ein Mittel gegen Anonymität und Hass im Internet. Denn niemand kann sich dann länger hinter Fake-Profilen verstecken.
Damit das gelingt und Vertrauen entsteht, muss die digitale ID natürlich zu jeder Zeit absolut sicher sein und höchsten Security-Standards erfüllen. Nötig ist eindeutige Multifaktorauthentifizierung des jeweiligen Nutzers. Beispielsweise durch die Kombination von biometrischen Verfahren (etwa per Fingerabdruck) und digitalen Zertifikaten auf Basis von Public-Key-Infrastruktur. So lässt sich die physische Identität (rechts-)sicher und vertrauenswürdig in die digitale Welt übertragen.
Die Verantwortung von Unternehmen
Unternehmen tragen eine große Verantwortung, wenn es um die Entwicklung und Bereitstellung sicherer digitaler Dienste geht. Sie müssen garantieren, dass die Technologien den höchsten ethischen und sicherheitstechnischen Standards entsprechen. Das bedeutet, personenbezogene Daten stets zu schützen, klare Transparenz im Umgang mit Daten zu gewährleisten und die Einhaltung aller relevanten Datenschutzgesetze und globaler Compliance-Standards zu sichern.
Dazu gehört die DSGVO-konforme Cloud-Datenspeicherung mit Serverstandorten innerhalb der EU. Notwendig sind zudem robuste Features, die die Sicherheit von Servern und Devices garantieren. Ein Beispiel ist der Schutz der Anwendungen durch RASP-Technologie (Runtime application self protectio), die Angriffe in Echtzeit erkennt und abwehrt. Auch die Härtung von Kommunikationskanälen durch zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen fällt darunter.
Die Verantwortung der Politik
Auf der anderen Seite spielen auch die Politik und die Kommunen eine entscheidende Rolle. Sie müssen Rechtssicherheit schaffen: klare Regeln und Rahmenbedingungen, die den ethischen Umgang mit Technologien sicherstellen. Es liegt außerdem in ihrer Verantwortung, möglichst allen Bürgerinnen und Bürgern Zugriff auf digitale Services zu ermöglichen.
Um ihre (datenschutzrechtlichen) Sorgen ernst zu nehmen, lohnt es sich, die Stadtbewohnerinnen und -bewohner von Anfang an mit einzubeziehen. Je breiter die Akzeptanz und die Partizipation, desto demokratischer sind Smart Cities. Wichtig ist das auch für die künftige Entwicklung. Denn es wird darum gehen, die Regularien und ethischen Grundsätze kontinuierlich zu hinterfragen, anzupassen und weiterzuentwickeln. Um das zu überwachen, eignet sich die Einrichtung von Ethik-Beiräten.
Fazit
Die Entwicklung von Smart Cities bietet enorme Chancen, aber sie bringt auch erhebliche ethische Herausforderungen mit sich. Es liegt in unserer Verantwortung, sicherzustellen, dass die Technologien, die wir entwickeln und einsetzen, den Menschen dienen und nicht umgekehrt. Wir müssen eine Balance finden zwischen technologischem Fortschritt und dem Schutz der Privatsphäre. Das gelingt am besten, indem wir klare Regeln und Standards definieren. Indem wir höchste Sicherheit bei der Anwendung digitaler Services garantieren. Und indem wir Bürgerinnen und Bürgern eine verbindliche und sichere digitale Identität ermöglichen, um sich in der Welt der Smart City zu bewegen. Nur dann können durchdigitalisierte Städte ihr volles Potenzial entfalten und das urbane Leben nachhaltig verbessern.
*Ismet Koyun ist CEO und Gründer der KOBIl-Gruppe.
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