Komplexe Cloud-Projekte: Hybrid IT gibt’s nicht zum Nulltarif

Hybride Cloud-Szenarien zu orchestrieren will gelernt sein - die gewünschte Agilität und Flexibilität erhalten Anwender nur, wenn sie etwas investieren. [...]

(c) pixabay.com

Der digitale Wandel ist bei deutschen Unternehmen in vollem Gange, und hybride Cloud-Szenarien spielen dabei eine immer wichtigere Rolle. Die sind die wichtigsten Erkenntnisse der Studie „Hybrid IT 2021“ von IDG Research Services und COMPUTERWOCHE in Zusammenarbeit mit DellIntelGoogleFNTSyntax Systems und USU.

Mehr als 80 Prozent der Befragten verfügen über eine Digitalisierungsstrategie beziehungsweise eine dedizierte Roadmap für den Digitalisierungsprozess. Organisationsformen, Geschäftsmodelle und damit auch Geschäfts- und IT-Prozesse befinden sich also inmitten eines tief greifenden Wandels. Die Transformation ist insofern längst kein Lippenbekenntnis mehr und auch kein Projekt, das bis dato nur in den Blaupausen der Entscheider existiert, sondern sie ist Realität.

Ähnlich ist der Status in puncto Cloud-Nutzung. Für rund 70 Prozent der Firmen ist ein wie auch immer geartetes IT-Bezugsmodell aus der Cloud inzwischen gelebte Praxis. Dies betrifft längst nicht mehr nur Nischenanwendungen in der Grauzone zwischen IT-Organisation und Fachbereich – Stichwort Schatten-IT. Immer häufiger wird die Cloud auch zur Basisinfrastruktur für Kernanwendungen. Allerdings: Mehr als die Hälfte der Anwender (57 Prozent) favorisieren dabei immer noch das eher abgeschottete Modell einer Private Cloud. Doch die Ansätze der Hybrid Cloud und der Public Cloud haben bei jeweils 43 Prozent der Befragten ebenfalls schon Einzug gehalten – Tendenz steigend.

Rund 57 % der Anwender präferieren Private-Cloud-Modell. Foto: IDG Research (c) Daniela Petrini

Cloud erfüllt Erwartungen der Anwender

Interessant ist es für den Marktbeobachter aber nicht nur zu wissen, dass das generelle Bekenntnis der Unternehmen zur Cloud sehr hoch ist, sondern auch, inwieweit die Cloud auf die wichtigsten Erwartungen des IT-Managements einzahlt. Schließlich muss die IT noch schneller und agiler, kosteneffizienter und nach Möglichkeit auch noch sicherer werden. Genau diesen Anforderungskatalog nennt das Gros der Studienteilnehmer.

Erster Punkt, den es hier festzuhalten gilt: Dem Mantra der Kostenreduktion wird weitgehend Rechnung getragen. Fast die Hälfte der Befragten geben an, dass das Ziel, geringere IT-Kosten verbuchen zu können, erreicht wurde. Noch höher sind die Zustimmungswerte beim Thema flexiblere Kosten (Pay as you go), bei dem 59 Prozent eine Verbesserung sehen. Sehr gut im Ranking schneiden auch die IT-Management-Disziplinen flexible Ressourcennutzung, Backup und Recovery, automatische Software-Updates sowie Standardisierung ab, wo im Durchschnitt jeweils zwei Drittel der Anwender eine Verbesserung ihrer Prozesse und Abläufe sehen.

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Doch zurück zur Hybrid Cloud: Bei deren Einführung arbeiten 56 Prozent der Unternehmen zunächst mit einem Pilotprojekt, weitere 41 Prozent verweisen auf ein dediziertes „Leuchtturmprojekt“. Beides sind klassische Vorgehensweisen und überraschen insofern kaum. Knapp 22 Prozent der Studienteilnehmer verweisen auf einen „Lift & Shift“-Ansatz, also die Kapselung beziehungsweise Containerisierung vorhandener Systeme. Dies zeigt doch sehr deutlich, dass bei der Modernisierung und Migration alter Legacy-Anwendungen die Kunden noch vergleichsweise zurückhaltend agieren. Preferred Partner bei der Einführung einer Hybrid Cloud sind laut Studie in erster Linie die einschlägigen Cloud-Service-Provider und die einschlägigen Beratungshäuser.

Bei der Einführung von Hybrid Cloud arbeiten 56 Prozent der Unternehmen mit einem Pilotprojekt. Foto: IDG Research (c) Daniela Petrini

Komplexität nimmt wieder zu

Die aktuelle IDG-Studie dokumentiert zudem eindeutig, in welcher Umbruchphase sich die IT in vielen Unternehmen aktuell befindet. Nachdem fast überall eine Cloud-First-, Cloud-Only- oder allgemeine Digitalisierungsstrategie verabschiedet ist, muss der verantwortliche CIO nun liefern. In diesem Kontext haben die meisten IT-Entscheider auch verinnerlicht, dass es in der Regel keine einfachen Lösungen und Antworten gibt. So kommt in den Studienergebnissen klar zum Ausdruck, dass sich die Anwender auf eine neue Art von Komplexität einstellen.

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Das Handling alter proprietärer Anwendungssilos wird sukzessive durch ein hybrides Cloud-Management abgelöst. Doch dies funktioniert beileibe nicht wie „Strom aus der Steckdose“. Mehr als die Hälfte der Anwender geht davon aus, dass ihr IT-Betrieb durch die Migration in eine Hybrid Cloud komplexer wird. Interessanter Aspekt ist hier auch, dass bei großen Unternehmen der Anteil derjenigen, die das Komplexitätsrisiko fürchten, mit fast zwei Dritteln am höchsten ist.

Die Orchestrierung hybrider Cloud-Services ist indes sowohl eine Managementaufgabe als auch eine Frage der Anwendung entsprechender Technologien. Doch wie gestaltet sich in den Unternehmen die Verwaltung einer Hybrid-IT-Umgebung? Wer zeichnet dafür verantwortlich? Knapp die Hälfte (48 Prozent) der Studienteilnehmer verorten diese Zuständigkeit bei ihrer eigenen internen IT-Abteilung, weitere 43 Prozent bringen einen konzerneigenen IT-Dienstleister ins Spiel.

Relativ hoch wird mit einem Anteil von 30 Prozent auch der Einsatz mehrerer externer Dienstleister gewichtet, was in der täglichen Praxis jedoch vermutlich in den meisten Fällen auf das sogenannte SIAM-Modell hinauslaufen dürfte – also auf einen verantwortlichen Provider, der alle Cloud-Services federführend steuert.

Spannend sind auch die Tools und Methoden, die bei der Steuerung einer Hybrid-IT-Umgebung zum Einsatz kommen. Knapp 35 Prozent der Firmen setzen hier auf automatisierte Prozesse, fast ebenso viele Anwender bauen auf eigene Dokumentationslösungen. Nahezu die gleiche Bedeutung haben speziell ausgebildete Cloud-Teams, dedizierte eigene Hybrid-IT-Policies sowie der Einsatz von Automatisierungs-Tools, auf die ebenfalls jeweils mehr als 30 Prozent der Unternehmen setzen.

Hoher Reifegrad für Geschäftsmodelle in Sachen Hybrid IT Foto: IDG Research (c) Daniela Petrini

Anwender streben nach Multi-Cloud-Fähigkeit

Ein etwas detaillierterer Blick auf die Relevanz von Auswahlkriterien für Tools zum Managen von Hybrid-IT-Umgebungen zeigt, dass den Anwendern entsprechende Analyse- und Prozessfunktionalitäten mit großem Abstand am wichtigsten sind. Es folgen Aspekte wie Financial-Management, Integrationsfähigkeit und Serviceautomatisierung. Bemerkenswert ist aber vor allen Dingen noch ein anderes Stimmungsbild: Ein effizientes Management-Tool muss nach Ansicht der meisten CIOs Anbieter-neutral und damit multi-cloud-fähig sein.

Summa summarum belegt die aktuelle Studie: Die IT und damit die IT-Operations werden im Zuge des Wandels zwar agiler, aber auch (wieder) anspruchsvoller. Der Lead für die Umsetzung der Transformation ist eindeutig wieder von den Fachbereichen zu den CIOs zurückgewandert, die nun vor allen Dingen in ihren klassischen Kernkompetenzen gefordert sind: sauberes Technologiemanagement und Kompetenz in der Steuerung von Projekten und Dienstleistern – und Kompetenz bei der Führung und Motivation von Mitarbeitern, die sich den anstehenden Veränderungen öffnen sollen.

Deutlich mehr als 80 Prozent der Befragten attestieren hier sowohl der eigenen Unternehmensstrategie als auch den Geschäftsmodellen sowie insbesondere Führungskräften und Mitarbeitern einen hohen Reifegrad in Sachen Hybrid IT. Mit anderen Worten: Die überwiegende Mehrheit der Firmen in Deutschland strebt den langsamen, aber nachhaltigen Übergang von alten Kernanwendungen hin zu cloud-nativen Applikationen an und fokussiert sich gleichzeitig auf Container, Microservices und APIs sowie Kubernetes als neue Technologiebasis für die Anwendungslandschaft.

*Gerhard Holzwart begann 1990 als Redakteur der COMPUTERWOCHE und leitete dort ab 1996 das Ressort Unternehmen & Märkte.  Ab 2005 verantwortete er den Bereich Kongresse und Fachveranstaltungen der IDG Business Media GmbH und baute „IDG Events“ mit jährlich rund 80 Konferenzen zu einem der führenden Anbieter von ITK-Fachveranstaltungen in Deutschland aus. Seit 2010 ist Gerhard Holzwart geschäftsführender Gesellschafter der h&g Editors GmbH und ist in dieser Funktion als Event Producer, Direktmarketingspezialist und ITK-Fachredakteur tätig.


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