Um als CIO angesichts von Cloud Computing, Big Data, Bring Your Own Device, IT-Outsourcing und Social Media nicht an den Rand gedrängt zu werden, sollten IT-Führungskräfte den Geschäftserfolg der eigenen Firma stärker in den Blick nehmen. [...]
Das rät das Beratungshaus Harvey Nash auf Basis seiner weltweiten CIO-Umfrage. Dabei sollten bürokratische Hierarchien abgebaut und die Kraft der Selbstorganisation genutzt werden.
„Kunden wollen mit ihrem Hersteller die Produkte gemeinsam designen. Dies schafft völlig neue Kundenbeziehungen und der Begriff vom ‚mündigen Kunden‘ wird noch eine neue Bedeutung bekommen“, so Twitter-Investor Fred Wilson. Man denke an Dinge wie das über das Web-Interface selber zusammengestellte Auto. Diese Erfahrung müsse sich an jedem Kontaktpunkt zum Unternehmen gleich anfühlen.
Wilson sieht als wichtigsten Trend für die nächsten Jahre die Transformation von hierarchischen Organisationsformen zum Modell einer Netzwerkorganisation. Als Beispiele für seine These erwähnte er auf dem diesjährigen Pariser Kongress LeWeb die Web-Börse für private Unterkünfte AirBnB, den kostenlosen Sprachunterricht duolingo und die amerikanische Crowdfunding-Plattform Kickstarter.
„All diese Plattformen nutzen die Selbstorganisationskräfte von Interessengemeinschaften, die sich über das Internet organisieren und von Marktplatz und Community-Plattformen ermöglicht werden“, erläutert Smarter-Service-Blogger Bernhard Steimel.
Geändert hat sich trotzdem bislang wenig: Mit bürokratischen Hierarchien, die immer noch den Alltag fast aller Organisationen prägen, wird das nicht gelingen, so die Analysen von Niels Pfläging in seinem Opus „Organisation für Komplexität“. Jeder von uns registriere diese Denkrichtung mit Unbehagen. In der Praxis sei das Chefgehabe aber nicht totzukriegen.
„Wenn wir von Management sprechen, meinen wir Techniken, Instrumente und Modelle, die auf die Verbesserung oder Optimierung von Organisationen als Systeme von Weisung und Kontrolle abzielen“, schreibt Pfläging. Auch er setzt auf dezentralisierte Netzwerkstrukturen, bei denen es keine Positionen, sondern Rollen gibt. Und die können ständig wechseln – Status verliert an Bedeutung.
Entscheidend seien zudem die Projektziele und nicht das Chefregime über Vorzimmer, Schleimer, Befehlsempfänger und Meeting-Schauläufer. Führungskräfte der Wirtschaft und Politik hätten sich in einer Kontrollblase eingebunkert – man könnte auch von Kontrollillusionen sprechen. Sie glauben noch an eine Welt des Controllings und der Steuerung des Geschehens in einem Kosmos, der immer stärker digital revolutiert wird.
Der Kontrollverlust-Blogger Michael Seemann verweist im Interview mit Bloggercamp.tv auf die schwarzen Schwäne, die Nassim Nicholas Taleb ins Spiel gebracht hat: „Es gibt immer Ereignisse, die außerhalb der Planung sind. Paradigmenwechsel oder neue Technologien, die Disruptionen auslösen.“ Unternehmen wollen in ihrer Außenkommunikation gerne als eine einheitliche Entität wahrgenommen werden – vielleicht wird deshalb auch so gerne von „Kanälen“ gesprochen, die einen Anfang und ein Ende haben.
„Genau das funktioniert nicht mehr, auch wenn man strikte Social-Media-Guidlines formuliert oder Regeln festlegt, wer in der Außenwelt etwas sagen und was er sagen darf. Auch hier versucht man, das Ganze in Kontrollstrukturen einzugliedern, damit krampfhaft das Bild einer einheitlichen Entität gewahrt wird. Das kostet unglaublich viel Energie und funktioniert am Ende doch nicht“, konstatiert Seemann.
Dem Experten nach sollte man lieber versuchen, sich in losen und standardisierten Netzwerken zu organisieren. In Agenturen werde das schon kräftig ausprobiert. Als Beispiel nennt Seemann die Zentrale Intelligenz Agentur von Kathrin Passig und Holm Friebe. „Es verlagert sich alles immer mehr in amorphe Strukturen, die Arbeitsdienstleistungen austauschen und sich jedes Mal neu organisieren. Uneinheitliche und dezentrale Organisationen lassen sich sehr viel besser durch das neue Spiel des Kontrollverlustes leiten“, so der Rat von Seemann. (pte)
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